Weil angesichts von Rekordtemperaturen in Japan die Klimaanlagen auf Hochtouren laufen, wird der Strom knapp.Der größte Versorger des Landes ruft zum Sparen auf, die Regierung will Stäbchen zu Biosprit verarbeiten lassen
Tokio. Nach einer anhaltenden Hitzewelle und der Abschaltung von Japans größtem Atomkraftwerk nach dem Erdbeben im Juli wird in der 20-Millionen-Metropole Tokio der Strom knapp. Der größte japanische Energiekonzern Tokyo Electric Power (Tepco) rief am Mittwoch Bürger und Firmen zum verstärkten Energiesparen auf. Erstmals seit 17 Jahren erließ das Unternehmen Notfallmaßnahmen um Stromausfällen vorzubeugen.
Die Temperaturen waren in der vergangenen Woche in Teilen Japans auf den Rekordwert von 40,9 Grad Celsius gestiegen. In Tokio kletterte das Thermometer am Mittwoch wieder auf 37 Grad Celsius, in Gunma nördlich der Hauptstadt wurden 38,5 Grad gemessen. Bislang starben in der Hitze mindestens 60 Menschen, vor allem ältere. Japanische Zeitungen veröffentlichten am Mittwoch das Bild eines kleinen Pandas, der in einem Tokioter Vorort-Zoo an einem Hitzschlag verendete.
Bei den Rekordtemperaturen laufen die Klimaanlagen in Büros und Haushalten seit Tagen auf Hochtouren. Japans Energiebedarf erreichte nach Angaben der Stromindustrie am Mittwoch die Rekordmarke von 3,42 Milliarden Kilowattstunden.
Tepco fürchtete, dass man nicht mehr ausreichend Energie liefern kann, wenn die Temperaturen weiterhin über 35 Grad bleiben. Das Unternehmen wies deshalb seine 23 größten Stromabnehmer an, ihren Energieverbrauch in den heißesten Stunden des Tages zu drosseln. Eine entsprechende Vertragsklausel erlaube dies, teilte ein Unternehmenssprecher mit. Der japanische Kaufhausverband schlug seinen Mitgliedern vor, die Klimaanlagen runterzufahren und in den Mittagspausen das Licht auszuschalten.
Bislang gehörte das weltgrößte Atomkraftwerk Kashiwazaki im Zentrum Japans mit einer jährlichen Produktion von 8212 Megawatt zu den wichtigsten Elektrizitätsproduzenten des Landes. Die Anlage war nach dem Erdbeben der Stärke 6,8 auf der Richter-Skala am 16. Juli jedoch stark beschädigt worden. Unter anderem war nach dem Beben radioaktives Wasser ins Meer gelaufen. Bis zum Abschluss einer Überprüfung haben die Behörden den Betrieb der Anlage untersagt. Japan gewinnt ein Drittel seiner Energie aus Atomkraft, um seine große Abhängigkeit von Energielieferungen aus dem Ausland zu verringern. Das Land verfügt über so gut wie keine eigenen natürlichen Energiequellen.
Den explosionsartigen Anstieg beim Stromverbrauch führte Tepco auch auf das Ende der Ferien in Japan zurück. Das Unternehmen erwartete, dass die Energie-Nachfrage weiter steigen wird. Zur Bekämpfung der Energieknappheit will die japanische Regierung auch die Millionen gebrauchter Ess-Stäbchen aus Holz, die jedes Jahr weggeworfen werden, künftig zu Biosprit verarbeiten lassen. Das Ministerium für Landwirtschaft und Fischerei plane, überall im Land Sammelboxen für die Stäbchen aufzustellen, kündigte ein Sprecher an. Die 127 Millionen Einwohner Japans benutzten im Schnitt 200 Paar Stäbchen pro Jahr, das wären 90 000 Tonnen Holz, rechnete das Ministerium vor.