Tatort-Kommissar, Auftritte in Klassikern wie "Das Boot": Günter Lamprecht gilt als einer der vielseitigsten deutschen Schauspieler. Seine Paraderolle bleibt allerdings der entlassene Sträfling in "Berlin Alexanderplatz"
Der Theater-, Film- und Fernsehschauspieler Günter Lamprecht jagte als "Tatort"-Kommissar Markowitz die Mörder, spielte in Kino-Klassikern wie "Das Boot" mit und arbeitete mit großen Bühnenregisseuren zusammen. Am bekanntesten aber machte ihn die Rolle des "Franz Biberkopf" in "Berlin Alexanderplatz". Mit dem 78-jährigen Schauspieler sprach WAZ-Redakteurin Elisabeth Höving.
In Lesungen wie jetzt bei den Ruhrfestspielen schlüpfen Sie wieder in die Rolle des Franz Biberkopf. Wie vertraut ist Ihnen die Figur nach der legendären Verfilmung von 1980 noch immer?
Lamprecht: Im Moment ist sie mir wieder sehr vertraut. Wegen des 50. Todestags von Alfred Döblin und des 25. von Rainer Werner Fassbinder gibt es zurzeit eine regelrechte Renaissance von "Berlin Alexanderplatz". Auf der Berlinale habe ich eine DVD-Box mit allen Folgen der Verfilmung vorgestellt. Im New Yorker Moma fanden vor kurzem sieben ausverkaufte Vorstellungen der sechs Scheiben statt.
14-TV-Folgen unter der Regie von Fassbinder. Wie erinnern Sie sich an ihn?
Lamprecht: Gut und gerne. Es war eine tolle Zusammenarbeit, auch wenn wir mal Differenzen hatten, die gehörten dazu. Er hat mir als Regisseur in den letzten Jahren wirklich gefehlt.
Wie haben Sie von seinem Tod erfahren?
Lamprecht: Ich hatte Fassbinder gerade noch in Berlin getroffen und bin dann nach Zürich, wo ich den "Besuch der alten Dame" drehte. Da rief mich ein Journalist an und fragte: Wie war eigentlich Ihr Verhältnis zu Fassbinder? Ich fragte: Wieso war? Danach konnte ich gar nichts mehr sagen.
Was macht den entlassenen Häftling Franz Biberkopf, der so gerne anständig bleiben möchte, heute noch so populär?
Lamprecht: Biberkopf ist sicherlich einer, der auch heute noch unter uns lebt, in Berlin, sicher auch hier im Ruhrgebiet. Wenn man nur an Hartz IV denkt . . .
Lesungen und Hörbücher boomen im Moment . . .
Lamprecht: Das stimmt, ich habe gerade selbst eines aufgenommen mit Märchen von Christoph Martin Wieland. Das soll im Herbst auf den Markt kommen.
. . . auch für den privaten Schauspieler?
Lamprecht: Nein, ich höre Bücher nicht so gerne, ich lese lieber selbst. Ich liebe Bücher einfach über alles, liebe es, sie anzufassen und zu halten.
Sie haben selbst zwei geschrieben.
Lamprecht: Das erste, "Und wehmütig bin ich noch immer", beschreibt meine Jugend in Berlin. Das zweite heißt "Ein höllisches Ding, das Leben" und handelt von der Schauspiel-Karriere und aktuellen Ereignissen. Ich werde in den nächsten Tagen in einem Berliner Studio beide Bücher selbst sprechen für eine Hörbuch-Ausgabe.
Wann waren Sie das erste Mal zu Gast bei den Ruhrfestspielen?
Lamprecht: Das war 1966, da hatte ich ein festes Engagement am Schauspielhaus Essen und bin zum Vorsprechen nach Recklinghausen gefahren. Da war der RegisseurPeter Palitzsch so unhöflich, dass ich das Theater unter Protest verlassen habe. Später in den 80ern bin ich gerne zurückgekommen, bin mit dem "Kaukasischen Kreidekreis" sogar Schauspieler des Jahres geworden. Ich habe mich hier immer sauwohl gefühlt.
1999 wurden Sie in Bad Reichenhall von einem Amokschützen schwer verletzt.
Lamprecht: Ja, ich habe in meiner Biografie darüber geschrieben. Außerdem arbeitet ich im Moment an einem eigenen Theaterstück über das Thema Amoklauf. Ich denke, im nächsten Jahr wird das fertig sein.
Und sonst?
Lamprecht: Gehe ich jetzt mit meiner Biografie auf Lesetour durch 30 Städte. In Köln findet ein weiterer Film-Marathon mit allen Alexanderplatz-Verfilmungen statt, da bin ich dabei. Dann drehe ich einen Film für die Kinderkrebshilfe, in dem ich einen Opa spiele. Und dann möchte ich auch noch Urlaub machen, und zwar da, wo meine Mutter herkommt, in Masuren. Und mit 78 Jahren versuche ich jetzt auch, etwas kürzer zu treten."Biberkopf lebt unter uns, auch hier im Ruhrgebiet"