Bill Gates war gestern. Auf der aktuellen Milliardärs-Liste des amerikanischen Magazins "Forbes" stellen Vertreter des einstigen Entwicklungslandes Indien die größte Gruppe

Neu Delhi. Die neuen Reichen kommen aus Indien. Auf der aktuellen Liste des amerikanischen Magazins "Forbes" stellen nicht mehr hemdsärmelige Amerikaner oder russische Oligarchen, sondern Vertreter des bislang eher für bittere Armut bekannten Subkontinents die größte Gruppe der Super-Milliardäre. Warren Buffett ist zwar einmal mehr der reichste Mann der Welt, Bill Gates scheint nicht verarmt, und der jüngste Milliardär aller Zeiten ist auch ein Amerikaner, ein gewisser Mark Zuckerberg, der 23jährige Gründer der Internet-Seite Facebook - aber der Trend ist nicht zu übersehen.

53 Milliardäre kommen laut "Forbes" aus Indien, 42 aus China, 26 aus Hongkong und 24 aus Japan. Vier Asiaten haben es sogar in die Top Ten geschafft, und alle stammen aus dem einstigen Entwicklungsland Indien. Lakshmi Mittal mehrte als Stahlbaron allein im letzten Jahr sein Vermögen um acht Milliarden Euro und rangiert jetzt auf Platz vier. Dahinter liegen Kushal Pal Singh, der reichste Immobilienhändler der Welt, und die Brüder Ambani, die als größte Aufsteiger der Reichen-liste gehandelt werden.

Die Karriere der Brüder Ambani begann in den 90er Jahren. Als damals Atal Bihari Vajpayee Indiens Wahlen gewonnen hatte, stand am Tag danach ein Lear-Jet für den künftigen Regierungschef bereit. Die Maschine gehörte der Reliance-Gruppe des Ambani-Clans. Als einige Jahre später die gegnerische Kongress-Partei gewann, stand das Flugzeug plötzlich der Vorsitzenden Sonja Gandhi zur freien Verfügung. Indiens Superreiche haben sich eben immer darauf verstanden, ihren Wohlstand mit Hilfe enger Kontakte zu vermehren.

Es ist also kein Wunder, dass die Brüder Mukesh und Anil Ambani, die ihren Riesenkonzern nach dem Tod des Vaters aufspalteten, mit einem Vermögen von jeweils 28,1 und 27,4 Milliarden Euro im Rahmen des indischen Wirtschaftsbooms zu den zehn reichsten Männern der Welt gehören. Einer der beiden macht sein Geld jetzt mit Zukunftstechnologie wie Telekommunikation. Der andere kümmert sich um klassische Sparten der Schwerindustrie.

Doch beide konnten auf das Imperium zurückgreifen, dass bereits ihr Vater nach dem Ende der indischen Kolonialherrschaft aus dem Boden gestampft hatte. Auch deshalb gibt es in Indien heute mehr Milliardäre als beispielsweise im benachbarten China. Denn viele Sippen am Ganges schwammen schon im Geld, als das "Reich der Mitte" noch Mao Tse Tung gehörte.

Übertroffen werden die Ambani-Brüder nur vom Stahlbaron Lakhsmi Mittal. Er machte sein Glück, weil er sich zu einem Zeitpunkt auf das Stahlgeschäft konzentrierte, als der Industriezweig angesichts des Booms in China florierte.

Einen Riesensprung nach vorne machte ein Grundstücksspekulant. Der 1931 geborene Kushal Pal Singh leitet den Konzern DLF, der vor Jahren ein kleines Bauerndorf in der Nähe des internationalen Flughafens der Hauptstadt Neu Delhi aufkaufte. Die Region gehört heute zu einem der IT-Zentren am Ganges. Um gleich 54 Plätze verbesserte sich Singh auch, weil in Indien, wo zwei Drittel der Bevölkerung immer noch ohne Strom auskommen müssen, die Grundstückspreise explodierten. "Indische Geschäftsleute ticken anders", sagt außerdem ein deutscher Unternehmer, der seit Jahren auf dem Subkontinent lebt, "selbst um die letzte Rupie wird gefeilscht."

Indische Unternehmer haben es zudem geschafft, seit der ökonomischen Öffnung des Landes ihre Position gegenüber Konkurrenz aus dem Ausland abzusichern. In vielen Wirtschaftsbereichen sind internationale Firmen deshalb auf Kooperation mit einheimischen Partnern angewiesen.

Die meisten indischen Unternehmer stammen zudem aus oberen Kasten, die sich wenig um das Schicksal der 600 Millionen Inder kümmern, die mit weniger als zwei Euro pro Tag auskommen müssen. Im Gegenteil: Eine große Zeitungsgruppe startete die Webseite "I love India" (Ich liebe Indien). Die Rubrik "Indiens Helden" führt unter dem Konterfei von Mahatma Gandhi und Mutter Teresa Geschäftsleute wie Mukesh Ambani als "Indiens Helden" auf. Eine vergleichbare Ehrung wurde Karl Albrecht (Aldi-Süd), der als bester Deutscher mit geschätzten 17,6 Milliarden Euro auf Platz zehn liegt, noch nicht zuteil.