Als Ziehsohn des Diktators Franco wurde Juan Carlos I. vom spanischen Volk mit Misstrauen empfangen.Als lupenreiner Demokrat führte der Monarch sein Land in die Freiheit. Am Samstag feiert er seinen 70. Geburtstag

Madrid. Seit mehr als 32 Jahren sitzt Spaniens König Juan Carlos I., der am heutigen Samstag 70 wird, auf dem Thron. Steuerte Spanien als Staatsoberhaupt von der Diktatur, die 1975 zu Ende ging, zur Demokratie. Gilt den meisten seiner Untertanen seit über drei Jahrzehnten als "Bürgerkönig". Als Kumpel, den man auch mal anfassen und sogar Duzen darf.

Doch mit keinem Satz ging der volksnahe König derart in die Zitatengeschichte ein, wie mit seinem jüngsten Wutausbruch gegenüber Venezuelas großmäuligem Staatsführer Hugo Chavez. Diesem hatte Juan Carlos im November auf dem Ibero-Gipfel grimmig zugerufen: "Warum hältst Du nicht die Klappe." Der Spruch wurde zum geflügelten Wort in der spanischsprachigen Welt, zum globalen Hit als Handy-Klingelton und T-Shirt-Aufdruck.

Genauso haben die Spanier ihren König gern. Hemdsärmelig. Einer zum Biertrinken, Schulterklopfen und Witzeerzählen. Die Älteren haben auch nicht vergessen, wie Juan Carlos am 23. Februar 1981 den Putschversuch rechter Militärs stoppte. In Generalsuniform trat er den Aufständischen entgegen und sagte: "Ich befehle Ihnen im Interesse Spaniens, die Einheiten zurückzuziehen."

In jüngerer Zeit ist freilich nicht zu übersehen, dass auch Juan Carlos'' Monarchie Risse bekommt. Noch nie wurde dies deutlicher als im vergangenen Jahr 2007: Im eigenwilligen nordspanischen Katalonien wurden auf den Straßen Bilder des Königs und von Königin Sofia (69) verbrannt. Proteste aus der jüngeren Generation, die sich vervielfachten, als gegen diese "Majestätsschändung" sogar der Staatsanwalt eingriff.

Auch andere Akte der "Majestätsbeleidigung", die früher undenkbar waren, häufen sich: Karikaturen gegen das Königshaus. Unbequeme Fragen im Parlament, was der König mit seinem staatlichen "Jahresgehalt" von knapp neun Millionen Euro mache. Ätzende Kritik anti-monarchistischer Politiker wie etwa des Inaki Anasagasti, der die Königsfamilie als "faule Bande" beschreibt. Diese Angriffe, wird aus der Umgebung von Juan Carlos berichtet, "haben dem König wehgetan".

Hinzu kommt ein weiterer Tabu-Bruch: Die Klatschpresse, welche die Royals früher verschonte, hat das Königshaus entdeckt. "Die Entwicklung zu einer dekorativen Monarchie ist eine Tatsache", sagt Fermin Bouza, Medienprofessorin und frühere Universitäts-Lehrerin von Prinzessin Letizia (35), der Frau des Thronfolgers Felipe (39). Heikles wie der Selbstmord von Letizias Schwester im Februar 2007, das Ehedrama der Königstochter Elena (44) und fragwürdige Bärenjagd-Abenteuer von Juan Carlos werden weidlich ausgeschlachtet.

In dieses Kapitel der royalen Probleme gehört schließlich die Frage, wann der 70-jährige König gedenkt, die Krone an seinen Sohn Felipe abzugeben. Bisher gibt es keine Anzeichen, dass Juan Carlos abdanken will. Auch wenn auffällt, dass er zunehmend müde und übellaunig wirkt. Und Felipe seine lange Eliteausbildung als "Königslehrling" mit Erfolg abgeschlossen hat - erst recht, seit er sich mit Traumprinzessin Letizia vermählte, was sein Ansehen stärkte. Umfragen zufolge sind trotz aller unterschwelligen Kritik gut zwei Drittel der Spanier mit ihrem König und seiner Familie zufrieden. Obwohl die Zahl der Königsuntreuen im Reich vor allem unter den jungen Spaniern größer wird.

Deswegen sei es auch für den König wie für Felipe "absolut klar, dass sie sich ihr Gehalt jeden Tag aufs Neue verdienen müssen", bilanziert Fernando Almansa, früherer Verwaltungschef im Königshaus. Oder in Worten von Juan Carlos: "Das Volk weiß, dass der König sein Diener ist, und dieses ist der einzige Sinn der Monarchie." Und: "Ich glaube nicht, dass es genügt, auf einem Sockel zu stehen, um respektiert zu werden. Eine Niete kann nicht König sein."

Das war eigentlich erwartet worden. "Juan Carlos, der Kurze", rief ihn das Volk, als er im November 1975, nach dem Tod des Diktators Francisco Franco, zum König wurde. Spanien hatte nach über 40 Jahren wieder einen Monarchen, dem damals freilich wenig zugetraut wurde. Er galt als Francos Ziehsohn.

"Wir haben uns alle in Juan Carlos getäuscht", bekannte später Felipe Gonzalez, langjähriger sozialistischer Regierungschef (1983-1996). Der junge König entpuppte sich als lupenreiner Demokrat, der den unblutigen Übergang von der Diktatur zum freiheitlichen Spanien steuerte.