Heidelberg. Die Unzufriedenheit mit dem eigenen Aussehen beginnt bei Mädchen heutzutage bereits im Grundschulalter, sagen Psychologen. Doch der Körperkult kann bei jungen Mädchen gefährlich werden. Eltern sollten die Probleme der Tochter daher ernst nehmen und nicht als Spinnerei abtun.
Rihanna, Vanessa Hudgens oder Miley Cyrus sind die großen Vorbilder vieler Mädchen. Sie sind scheinbar makellos schön, tragen die angesagtesten Klamotten und werden von Millionen umschwärmt. Viele Jugendliche wollen so aussehen wie die Stars auf dem Bildschirm. «Die Unzufriedenheit mit dem eigenen Aussehen beginnt bei Mädchen heutzutage bereits im Grundschulalter», sagt die Pädagogin Katrin Raabe vom Mädchenhaus Heidelberg. Tagtäglich stünden sie vor dem Spiegel, fänden ihre Hüften zu breit, den Busen zu klein und den Po zu dick. Viele von ihnen verfielen sogar in einen regelrechten Schönheitswahn.
Sich mit der eigenen Körperidentität anzufreunden, sei für Mädchen in der Pubertät ohnehin schon schwierig genug. Aber in einer Zeit, in der der Körperkult immer weiter zunehme, wachse auch ihre Unzufriedenheit. Das Bemühen, solchen Schönheitsidealen zu entsprechen, kann laut Raabe gefährliche Folgen haben: von Essstörungen über Depressionen bis hin zur Beeinträchtigung geistiger Fähigkeiten infolge mangelhafter Ernährung. «Vor allem die Methoden und die Verbissenheit, das gewünschte Ideal zu erreichen, haben sich in den vergangenen Jahren verändert», berichtet die Expertin. Viele 12- oder 13-Jährige hätten bereits ihre erste Diät hinter sich, trieben exzessiv Sport oder setzten ihr komplettes Taschengeld in Beauty-Produkte um. «Manche denken sogar an eine Schönheits-Operation», weiß Raabe. Jungs dagegen würden erst später «reif» - Pflege und Schönheit sei für sie in dieser Zeit eher «Frauensache».
Hungerkuren sind ungesund
"Dass sich Mädchen wie Prinzessinnen fühlen wollen und den Nagellack der Mama ausprobieren, ist völlig normal», erläutert die Expertin. Eltern sollten jedoch aufmerksam werden, wenn ihr Kind exzessiv Sport treibt, Diäten macht oder sich sozial zurückzieht. «Hungerkuren sind in der Pubertät ungesund und ich rate dringend davon ab», betont Raabe.
Sie empfiehlt Eltern, immer wieder das offene Gespräch zu suchen. «Es ist zudem wichtig, die Probleme der Tochter ernst zu nehmen, sich für sie zu interessieren, warum sie sich in ihrem Körper unwohl fühlt», rät Raabe. Und man brauche Geduld, ergänzt Karin Kampwerth aus München, Autorin des Ratgebers «Voll gut drauf: Schön und selbstbewusst im Handumdrehen»: «Mädchen in der Pubertät haben oft keine Lust zu reden, deshalb muss man die richtige Zeit abwarten.»
Allerdings sollten Eltern auch nicht allen Wünschen ihrer Sprösslinge nachgeben. «Sie müssen auch mal 'nein' sagen, wenn sich das Kind neue Markenklamotten oder Schminkutensilien wünscht - auch wenn es dann ein paar Tage bockig ist», unterstreicht die Autorin. Gleichzeitig kann es hilfreich sein zu hinterfragen, warum das Kind solche Wünsche hat. «Oft steckt hinter solch einem Verhalten lediglich die Schwärmerei für einen Jungen oder der Wunsch, zu einer bestimmten Gruppe dazuzugehören», erläutert sie.
Jugendämter haben Beratungsstellen
Grenzen müssten vor allem gezogen werden, wenn der Schönheitswahn ungesund ist, Schaden anrichtet und der Tochter nicht mehr gut tut. Unterstützung in solch einer Situation erhalten Eltern wie Kinder von vielen Seiten. «Es gibt von der Caritas eine anonyme und kostenlose Online-Beratung, an die sich Eltern und Jugendliche wenden können», erläutert Kampwerth. Auch das Elterntelefon des Kinderschutzbundes biete Hilfe. «In vielen Städten und Gemeinden gibt es zudem Elternrunden, in denen sich Betroffene über die Probleme mit den Sprösslingen austauschen können», sagt sie. Eltern sollten sich bei der Gemeinde nach solchen Treffen erkundigen oder in der Tageszeitung nachschauen. «Aber auch die Jugendämter haben Beratungsstellen, wo man Unterstützung erhält», ergänzt die Autorin.
Katrin Raabe vom Mädchenhaus Heidelberg warnt: «Wenn der Schönheitswahn bei der Tochter drastischere Züge annimmt, können Eltern wenig tun, weil sich das Kind mehr und mehr von ihnen abgrenzt.» In solchen Fällen sollten sich Eltern dringend die professionelle Hilfe eines Psychologen oder eines Arztes suchen. (ddp)