Essen. Horoskope, Wunderpillen und dubiose Magnetbänder haben die „Skeptiker“ im Visier. Sie wollen moderne Mythen entzaubern - und die Verbraucher schützen. Denn oft stehen nicht nur das Vertrauen, sondern auch Geld und Gesundheit auf dem Spiel.

Wir leben in einer aufgeklärten Gesellschaft, fliegen zum Mond und haben das Erbgut unserer Zellen entschlüsselt. Aber wenn sie wichtige Entscheidungen treffen sollen, vertrauen viele Menschen dann doch auf das Horoskop in der Fernsehzeitung.

Die „Skeptiker“ – die Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) – hinterfragen und klären auf. Ihr Themenfeld ist weit gefasst, von alternativer Medizin über Astrologie bis bin zu Wünschelruten und Erdstrahlen. Am Donnerstag treffen sie sich in Hamburg zum Bundeskongress.

Ein Interview mit Klaus Schmeh (38) aus Gelsenkirchen, Informatiker und Vorsitzender der Regionalgruppe Rhein-Ruhr.

Warum glauben wir so gerne?

Klaus Schmeh: Die Welt ist kompliziert. Und da ist eine einfache aber falsche Erklärung für manche Menschen besser als gar keine. Nehmen wir das Thema Finanzen als Beispiel. Da blicken ja sogar Experten oft nicht mehr durch. Und bevor man sich dann durch Börsenkurse und Bücher quält, vertraut man lieber seinem Horoskop.

Mit welchen Fragen beschäftigen sich die Skeptiker?

Schmeh: Wir befassen uns mit Themen, die außerhalb der anerkannten Wissenschaften liegen. Astrologie oder alternative Medizin, zum Beispiel. Die GWUP ist ein Verein, in dem sich etwa 870 Mitglieder für kritisches Denken und gegen esoterischen Unfug einsetzen.

Haben Sie einen Lieblings-Mythos?

Schmeh: Bibelcodes. Versteckte Prophezeiungen in der Bibel. Wenn man, sagen wir mal, jeden fünften Buchstaben liest, soll man angeblich geheime Botschaften finden. So sollten zum Beispiel die Terroranschläge vom 11. September in der Bibel angekündigt worden sein. Herausgefunden hat das natürlich erst jemand nach dem 11. September. Nach unserer Ansicht ist das reine Willkür.

Wie reagieren die „Enttarnten“ denn auf die Ergebnisse Ihrer Arbeit?

Schmeh: Wir erleben ganz selten, dass sich jemand von unseren Argumenten überzeugen lässt. Wir haben zum Beispiel die Vorhersagen vieler Astrologen überprüft. Wenn sich ihre Prognosen nicht erfüllt haben, kamen immer nur Ausreden, warum es ausgerechnet dieses eine Mal nicht gestimmt hat. Und natürlich werden wir auch oft angefeindet. Schließlich geht es in vielen Fällen um materielle Interessen oder gar die Existenz.

Warum lassen Sie die Menschen eigentlich nicht einfach an Abnehmpillen, Magnetbänder und UFOs glauben, wenn es sie glücklich macht? Warum verwenden Sie so viel Energie in die Aufklärung Ihrer Mitmenschen?

Schmeh: Jeder hat ein Recht auf objektive Informationen. Und manchmal treffen Menschen wichtige Entscheidungen aufgrund fragwürdiger Theorien. Im schlimmsten Fall setzen sie dabei sogar ihr Geld oder ihre Gesundheit aufs Spiel.

Was für Menschen engagieren sich bei den Skeptikern?

Schmeh: Wir haben einen hohen Anteil an Akademikern. Wissenschaftsjournalisten und Mediziner sind dabei. Aber auch Zauberer, die sich über Uri Geller aufregen, wenn er mal wieder seine übernatürlichen Fähigkeiten anpreist.

Einmal im Monat trifft sich der Skeptiker-Stammtisch im Essener Unperfekthaus. Was genau besprechen Sie da?

Schmeh: Wir diskutieren. Manchmal sind auch Vertreter der Gegenseite dabei. Dann geht es zum Teil auch richtig hoch her. Zum Stammtisch der Regionalgruppe Rhein-Ruhr ist jeder herzlich eingeladen. Wir treffen uns in der Regel jeden ersten Dienstag im Monat.

Ab Donnerstag kommen die Skeptiker zum Kongress in Hamburg zusammen. Was passiert da?

Schmeh: Die GWUP trifft sich zu einer dreitägigen Konferenz. Wir möchten Einsteiger begeistern und hören Fachvorträge aus unterschiedlichen Bereichen. Ich referiere beispielsweise zum Thema „Parawissenschaftliche Codes: Wie findet man versteckte Nachrichten, wo keine sind?“.

Können Sie sich noch daran erinnern, als Sie das erste Mal eine Behauptung ernsthaft in Frage gestellt haben?

Schmeh: Ein Schlüsselerlebnis gab es da jetzt nicht. Aber ich habe zum Beispiel auf Partys immer wieder angeregte Gespräche über Astrologie mitbekommen. Wenn ich dann widersprechen wollte, fehlten mir die fundierten Informationen. Das war ein Grund, mich den Skeptikern anzuschließen. Jetzt habe ich gute Argumente – und kann die Leute sogar manchmal überzeugen.

Erschreckt es Sie, wie gutgläubig die Menschen sind?

Schmeh: Manchmal bin ich wirklich verwundert, wie unkritisch die Leute Behauptungen als Tatsachen hinnehmen. Aber andererseits: In Krisensituationen versucht man ja alles, damit es einem besser geht. Das möchte ich nicht verurteilen.

Können Sie noch unvoreingenommen glauben - oder zweifeln Sie schon aus Reflex?

Schmeh: Im Zweifelsfall gehe ich erstmal auf kritische Distanz. Aber ich lasse mich auch gern vom Gegenteil überzeugen.

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