Rostock. Weite Teile Europas versinken in einem dauerhaften «Geburtentief» - mit weitreichenden Folgen: Ohne Ausgleich durch verstärkte Einwanderung droht in vielen europäischen Staaten ein Rückgang der Bevölkerungszahl, auch in Deutschland.

Besonders betroffen sind Mittel-, Ost- und Südeuropa, während die Geburtenraten in den nördlichen und westlichen Ländern etwas höher liegen. Das ergab eine Studie unter Federführung des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung in Rostock.

Nach Angaben der Wissenschaftler erreicht kein einziger Staat das sogenannte «Ersatzniveau» von durchschnittlich 2,1 Geburten je Frau, mit dem die Kindergeneration die Elterngeneration zahlenmäßig ersetzen kann. Am nächsten kommen diesem Wert noch Frankreich, Großbritannien, Irland und Skandinavien mit Geburtenraten von 1,8 bis 2,0. Lediglich 1,3 bis 1,5 Geburten je Frau gibt es in den deutschsprachigen Ländern sowie im übrigen Mittel-, Ost- und Südeuropa, wie die in der Zeitschrift «Demografische Forschung aus Erster Hand» veröffentlichte Untersuchung ergab.

Familien werden später gegründet

Als einen der wesentlichen Faktoren für das Absinken des Geburtenniveaus machten die Forscher «das Aufschieben von Familiengründungen und Geburten im Lebenslauf junger Menschen» aus - vor allem weil diese mehr Zeit in ihre Ausbildung investierten. Ein ebenso wichtiger Grund sei aber auch die vermehrte Beteiligung von Frauen am Erwerbsleben und den daraus folgenden Schwierigkeiten, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. So sei die Erwerbsquote von Frauen zwischen 15 und 64 Jahren in den 27 EU-Staaten zwischen 1997 und 2007 von 51 auf 58 Prozent gestiegen.

«Viele Paare, die das Kinderkriegen zunächst aufgeschoben haben, mögen damit gerechnet haben, ihre Kinder schließlich in ihren späten Dreißigern oder frühen Vierzigern zu bekommen», erklären die Forscher. Doch nur in Frankreich, Skandinavien, Belgien und den Niederlanden hätten Paare größtenteils das Ziel noch erreichen können. In den meisten übrigen Staaten habe die Mehrzahl der Frauen dagegen zumindest keine zweiten oder dritten Kinder mehr bekommen.

Hoffnung auf Ausgleich durch Migration

Die Rostocker Demografen gehen davon aus, dass die Trends der späteren Familiengründung und der niedrigen Geburtenraten ebenso anhalten werden wie die Unterschiede zwischen den einzelnen Regionen. Auch das Altern der Bevölkerungen werde sich fortsetzen. Die Wissenschaftler sehen hier die Familienpolitik in der Pflicht: Materielle Anreize, bessere Kinderbetreuung, flexiblere Arbeitszeiten und die Förderung der Gleichstellung von Männern und Frauen könnten eine positive Wirkung auf die Geburtenraten haben.

Auch die Migration werde weiter eine wichtige Kraft sein, um die niedrige Geburtenzahl zumindest teilweise auszugleichen, betonen die Experten. Zwar werde das Ausmaß der Einwanderung durch Beschränkungen niedriger gehalten, als es sein könnte. Dennoch sind sich die Wissenschaftler sicher: «Europa wird seine Anziehungskraft für Zuwanderer nicht einbüßen».

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