Verden. Wegen Totschlags ihres neugeborenen Babys durch Unterlassen in einem minderschweren Fall muss eine Bundeswehrsoldatin zwei Jahre und acht Monate ins Gefängnis. Das Landgericht Verden sah es am Donnerstag als erwiesen an, dass die 24-Jährige dem Kind nicht zu Hilfe kam.

Das Landgericht Verden verurteilte die vom Dienst suspendierte Angehörige einer Sanitätsstaffel am Donnerstag wegen Totschlags durch Unterlassen in einem minderschweren Fall. Die Kammer ging dabei von verminderter Schuldfähigkeit aus. Die Staatsanwaltschaft hatte zweieinhalb Jahre Haft gefordert, die Verteidigung auf Freispruch plädiert.

Melanie S. hatte laut Urteilsbegründung ihre Tochter in einer Nacht im März 2008 heimlich in der Lützow-Kaserne im niedersächsischen Schwanewede auf einer Toilette geboren. Das Mädchen hatte gelebt und 10 bis 20 Atemzüge gemacht, bevor es ertrank. Die Angeklagte habe zwar erklärt, das Kind nach der Geburt mangels Lebenszeichen für tot gehalten zu haben - doch dies sei eine Schutzbehauptung, sagte der Vorsitzende Richter Volker Stronczyk in seiner Urteilsbegründung.

Den Tod des Kindes habe sie billigend in Kauf genommen, sagte Stronczyk. So habe sie auch keine Hilfe geholt, obwohl während des Geburtsvorgangs zwei andere Soldatinnen in den Toilettentrakt kamen. Dies zeige, dass sie keine Rettungsmaßnahmen gewollt habe.

Die Schwangerschaft verdrängt

Die 24-Jährige, die im Sommer 2007 von einem unbekannt gebliebenen Mann schwanger geworden sei, habe das Kind nicht gewollt und die Schwangerschaft bis zum Tag vor der Geburt verdrängt, sagte Stronczyk. In der Familie habe ein Klima des Nebeneinanderlebens und der Sprachlosigkeit geherrscht, nur in ihrer Cousine habe sie eine gute Freundin gehabt. Sie sei introvertiert und eine ängstlich vermeidende, abhängige Persönlichkeit. Dies habe die Verdrängung unliebsamer Sachverhalte zur Folge gehabt.

Auch in ihrem Umfeld hätten nur wenige ihren Zustand bemerkt, zum Beispiel nur einer der vier Ärzte, mit denen sie in der Kaserne zusammenarbeitete, sagte der Richter. Melanie S. realisierte die Schwangerschaft, als eine andere Soldatin sie auf ihren Zustand ansprach. Sie befürchtete, ihre Eltern würden ihr Versagen vorhalten.

Nach der Niederkunft habe die 24-Jährige die Nachgeburt abgewartet, die zehn bis 30 Minuten später gekommen sei, sagte der Richter. Dann habe sie ihre Blutungen gestillt, die Toilette gesäubert, die Nachgeburt zusammen mit dem Baby in einen Eimer gelegt und mit Papiertüchern zugedeckt. Den Eimer habe sie in ihren Spind gestellt.

Verteidiger erwägt Antrag auf Revision

Die Angeklagte verfolgte die Urteilsbegründung unter Tränen und schüttelte während der Ausführungen des Vorsitzenden Richters häufig den Kopf.

Der Verteidiger erklärte im Anschluss, er werde wahrscheinlich Revision beantragen. Das Urteil sei «für die Mandantin niederschmetternd». Sie habe ihre beruflichen Perspektiven aufs Spiel gesetzt. In seinem Plädoyer hatte der Verteidiger betont, die Soldatin habe ihre Schwangerschaft bis zum Moment der Niederkunft nicht wahrgenommen. Sie sei bei der für sie völlig überraschend einsetzenden Geburt völlig verstört und auch nach Einschätzung des psychiatrischen Gutachters im Schockzustand gewesen. (ap/ddp)