Wyoming/Berlin. .
Es ist ein tragischer Unfall, der selbst nach Monaten Geologen noch ein Rätsel aufgibt: Der 23 Jahre alte Colin Nathaniel S. und seine Schwester Sable waren am 7. Juni dieses Jahres auf einer Wanderung durch den Yellowstone-Nationalpark. Im Norris-Geysir-Becken entdeckten sie eine heiße Quelle. Manche dieser dampfenden Wasserbecken haben eine angenehme Temperatur, dass man darin baden kann, „hot potting“ heißt diese Freizeitbeschäftigung. Als Colin das Wasser mit seinem Finger testen wollte, rutschte er aus – und fiel in das Becken.
Die Schwester alarmierte umgehend die Park Ranger, die einen ersten Rettungsversuch aber erfolglos abbrechen mussten. Ein Gewitter war aufgezogen und behinderte die Rettungsarbeiten stark. Sie konnten den Körper des Mannes nicht erreichen und zogen sich zurück. Am Tag darauf jedoch war der Körper verschwunden und die Ranger konnten nur noch persönliche Gegenstände von ihm bergen: Flip-Flops und eine Geldbörse.
Der Parkaufseher Lorant Veress erklärte im Fernsehsender KULR-8, wie gefährlich diese Gegend für Wanderer sei. Die Parkverwaltung habe eine Absperrung aufgebaut, damit Besucher nicht in die Gegend gehen. „Zum Schutz der Natur“, sagt Lorant Veress, „aber vor allem zum Schutz der Menschen.“ Die Geschwister haben die Schilder wohl ignoriert.
Der Fall, der fast ein halbes Jahr zurückliegt, sorgt jetzt für Aufsehen, weil die Aufsicht des Yellowstone-Nationalparks den Abschlussbericht veröffentlichte. Der stützt sich unter anderem auf ein Video, das die Schwester Sable vom Unfallhergang gemacht hat. Um die Familie des Unfallopfers zu schützen, werde aber weder das Video beschrieben noch veröffentlicht.
Es war nicht der erste tödliche Unfall dieser Art im Yellowstone-Park. Laut der britischen Zeitung „The Telegraph“ sind seit 1890 bereits 22 Menschen an Verletzungen gestorben, die durch das Wasser heißer Quellen hervorgerufen wurden. Mindestens zwei von ihnen sollen versucht haben, in den Thermalbecken des Parks zu baden.
Wissenschaftler bezweifeln „vollständiges Auflösen“
Der Geologe Martin Zimmer vom Potsdamer Geoforschungszentrum bezweifelt allerdings, dass das Wasser so säurehaltig ist, dass ein Mensch sich innerhalb eines Tages auflöst. Das Regenwasser habe zunächst einen neutralen pH-Wert von 7, der sich verändere, je nachdem, mit welchem Gestein es in Kontakt komme. „Die Schwefel-Komponenten im Yellowstone-Park machen das Wasser sauer.“ Der so entstehende pH-Wert von etwa 2 sei allerdings zu gering, um ein derartig schnelles Auflösen zu ermöglichen. Zum Vergleich: Cola habe einen Wert von 3. „Ich halte es für wahrscheinlicher, dass ein Wildtier im Park, ein Grizzlybär oder ein Kojote, den Körper gefunden hat.“
Der Hydrogeologe Leonard Stöckl vom Geozentrum Hannover weist auf die Seltenheit der Quellen hin. „Diese heißen säurehaltigen Quellen kommen nur lokal begrenzt vor.“ Ein charakteristisches Warnzeichen sei zudem der stark schwefelhaltige Geruch, der an „faule Eier“ erinnere.
In Europa gibt es solche Quellen zum Beispiel um Pozzuoli bei Neapel in Süditalien. Der Vulkanismus rund um den Vesuv hat dort die Entstehung gefährlicher Quellen begünstigt. Wanderer werden mit Schildern gewarnt. Wegen der Ablagerungen von Karbonaten ist der Boden um solch eine Quelle sehr rutschig. Die Italiener nennen diese Löcher im Volksmund „Bocca Grande“, den großen Mund.