Mörsdorf/Sosberg. Im Hunsrück spannt sich seit einem Jahr Deutschlands größte Hängebrücke über ein Bachtal. Für die Gemeinden ist sie ein voller Erfolg.
Alles schwankt. Tief unten plätschert ein Bach. Auf Deutschlands längster Hängeseilbrücke für Fußgänger mischen sich mitten im Hunsrück Sprachfetzen aus halb Europa. Völkerwanderung über ein Seitental der Mosel: Gut ein Jahr nach ihrer Eröffnung hat sich die Brücke als voller Erfolg entpuppt.
Eine Web-Kamera hat schon mehr als 370.000 Touristen gezählt. In einer Umfrage der Deutschen Zentrale für Tourismus unter gut 40.000 Besuchern aus 66 Ländern zur Ermittlung der 100 beliebtesten Reiseziele Deutschlands ist die Brücke auf Platz 85 gelandet – noch vor dem Nürburgring, dem Münchner Hofbräuhaus und der Insel Sylt.
Touristen überrennen die kleine Gemeinde
„Der Erfolg ist fantastisch“, sagt der Bürgermeister von Mörsdorf, Marcus Kirchhoff (parteilos). Mitten in einem strukturschwachen Naturparadies wird seine 620-Seelen-Gemeinde von Touristen überrannt. Gasthäuser und neue Würstchenstände machen gute Geschäfte. Die vielen Autos auf der Suche nach Parkplätzen seien aber störend, gibt Kirchhoff zu.
Dabei hat die Gemeinde schon kostenpflichtige Parkplätze ausgewiesen. An den Gehsteigen dürfen nur noch Anwohner und ihre Besucher mit Sondererlaubnis parken. Auch mit dem Bau von Toiletten kommt Mörsdorf kaum nach. Allein das Klopapier für Touristen schlägt für das Dorf mit mehreren hundert Euro pro Monat zu Buche.
„Die Brücke schwankt auch so schön“
Touristen müssen von Mörsdorf aus zuerst mehr als einen Kilometer auf einem Weg laufen oder radeln. Weit schweift der Blick über Felder. Wo ist nur diese Brücke namens Geierlay? Sie versteckt sich in einem tiefen Tal. 360 Meter lang ist die im sanften Bogen geschwungene Brücke mit Holzbelag und Stahlseilen. In der Mitte würde leicht eine Dorfkirche darunter passen – der Mörsdorfer Bach fließt fast 100 Meter tiefer durch das enge Tal.
Ralf Heim aus dem baden-württembergischen Haigerloch sagt auf der Geierlay: „Die Brücke ist ganz toll.“ Seine zwölfjährige Tochter Theresa beschränkt sich auf ein Wörtchen: „Cool!“ Ihr Vater ergänzt: „Die Brücke schwankt auch so schön, wie bei einer Seefahrt.“ Ein paar Schritte weiter sagt Marie-Christin Remy: „Wir sind extra aus Kleve 280 Kilometer für nur eine Übernachtung hergekommen. Es lohnt sich, die Brücke ist faszinierend.“
Brückenprojekt wurde zunächst belächelt
Manche überqueren das tiefe Bachtal aber auch voller Angst. Oder nicht einmal das. „Etwa 20 Prozent der Leute gehen gar nicht auf die Brücke“, sagt Ortsbürgermeister Kirchhoff. „Die setzen sich ans Tal und schauen nur. Weitere zehn Prozent betreten zwar die Brücke, kehren aber wieder um.“
Viele haben das Brückenprojekt zunächst belächelt. Auch der Rechnungshof Rheinland-Pfalz stellt noch im August 2015 fest, dass die damals angenommenen jährlichen Zahlen von 190.000 Besuchern „der touristisch nur sehr eingeschränkt erschlossenen Hängeseilbrücke, deren Lage zudem beliebig ist, kaum realistisch sein dürften“. Doch schon bald nach der Eröffnung der Brücke am 3. Oktober 2015 zieht sie Touristen in überraschend großen Scharen an.
Auf der anderen Seite ist es deutlich ruhiger
Inklusive aller begleitenden Untersuchungen hat sie nach Kirchhoffs Angaben 1,3 Millionen Euro gekostet. Attraktiv ist sie auch für Fernwanderer mit ihrem Anschluss an den Saar-Hunsrück-Steig. Auf der anderen Seite liegt das Dörfchen Soßberg. Hier ist es deutlich ruhiger.
„Die Mörsdorfer haben viel mehr die Werbetrommel gerührt“, erläutert der Soßberger Gemeinderat Alois Wilhelm. „Sie haben die Brücke als ein Dorferneuerungsprogramm angeschoben. Deshalb beanspruchen sie sie auch mehr als wir.“ Mörsdorfs Bürgermeister Kirchhoff meint: „Soßberg hat es bislang nicht geschafft, sich nach dem Geld zu bücken, das auf der Straße liegt.“ (dpa)