Hamburg. Ein Junge war in einem Supermarkt zusammengebrochen und später gestorben – laut einem Gutachten weil im Bereich der Kasse Strom floss.
Es war kein leichter Fall für die Ermittler der Mordkommission. Es ging um den Tod eines kleinen Jungen. Vier Jahre alt war er, als er Ende Mai zusammenbrach – in einem Supermarkt im Hamburger Stadtteil Harburg. Kurze Zeit später starb das Kind
Die Mordkommission übernahm den Fall, da der Verdacht bestand, der kleine Junge könnte an der Kasse einen Stromschlag erlitten haben. Jetzt gibt es erste Ergebnisse: Es soll tatsächlich Strom im Kassenbereich geflossen sein.
Zu diesem Schluss kommt nach Informationen des Hamburger Abendblatts ein „abschließendes Gutachten“, das die Ermittler in Auftrag gegeben hatten. Jetzt wird sich die Staatsanwaltschaft mit dem Fall befassen. Der Nachweis, dass Strom geflossen ist, war Dreh- und Angelpunkt der Ermittlungen. Zudem liegen medizinische Gutachten vor.
Kind brach im Bereich der Kasse zusammen
Es sollen offenbar unfachmännisch durchgeführte Arbeiten gewesen sein, die zur Folge hatten, dass im Bereich einer Kasse Metallteile zeitweise unter Strom gestanden hätten. Für den kleinen Jonathan, der am 31. Mai kurz nach 18 Uhr mit seinem Vater in dem Supermarkt einkaufen war, könnte es nach jetzigem Stand der Ermittlungen das gewesen sein, was fatal war. Das Kind war plötzlich im Bereich einer Kasse zusammengebrochen und leblos liegengeblieben. Ein kurz darauf alarmierter Notarzt versorgte das Kind, holte es ins Leben zurück. Am Abend des 1. Juni starb der Junge dennoch im Krankenhaus.
Zunächst war man von einer plötzlichen Erkrankung ausgegangen. Der Vater konnte nicht gleich vom Kriminaldauerdienst, der zu dem Supermarkt ausgerückt war, befragt werden. Später sagte der Vater des toten Jungen aus, dass er an dem Abend, als er an der Kasse angekommen war, seine Lebensmittel auf das Kassenband gelegt habe. Sein Sohn wollte ihm, wie so oft, dabei helfen.
Junge erlitt wohl beim Griff an eine Stange Stromschlag
Als der Junge um den Einkaufswagen ging, griff er nach einer Stange, die parallel am Gang als Abgrenzung diente. Der Vater sagte bei der Polizei aus, dass die Augen des kleinen Jungen plötzlich weit geöffnet gewesen waren und Jonathan keinen Laut von sich gegeben habe. Er habe dann auch selbst an die Stange gegriffen und dabei ebenfalls einen Stromschlag erlitten, so der Vater.
Die Mordkommission übernahm am 1. Juni den Fall, leitete ein Todesermittlungsverfahren ein und informierte die Staatsanwaltschaft. Am 2. Juni durchsuchte die Polizei den Supermarkt. Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft einen Durchsuchungsbeschluss erwirkt. Bei der Aktion wurden auch Bilder aus Überwachungskameras sichergestellt. Bilder, die den Kassenbereich im entscheidenden Moment zeigten, konnte die Polizei jedoch nicht mehr finden.
Verdacht der fahrlässigen Tötung
Jetzt stand nach Angaben der Polizei der Verdacht der fahrlässigen Tötung im Raum. Bei den Ermittlungen nahmen die Behörden gleich mehrere Personen ins Visier. „Es gibt verschiedene Verantwortlichkeiten“, sagte ein Behördenmitarbeiter.
Die Ermittlungen zogen sich nach der Übernahme des Falls durch die Mordkommission hin. Bei der Obduktion des Vierjährigen sollen zwar bereits Stellen am Körper entdeckt worden sein, die darauf hinwiesen, dass Strom geflossen sein kann. Genauen Aufschluss sollten aber feingewebliche Untersuchungen geben, die Wochen in Anspruch nahmen. Ähnlich umfangreich sollen auch die technischen Gutachten gewesen sein, die durch Sachverständige durchgeführt wurden.
Nach Bekanntwerden des Falls hatte sich auch die Politik mit dem Tod des kleinen Jungen beschäftigt. Durch eine Kleine Anfrage hatte der Bürgerschaftsabgeordnete David Erkalp (CDU) die Rolle des zuständigen Ordnungsamts unter die Lupe nehmen wollen. In der Antwort des Senats wurden die Termine der Lebensmittelkontrollen aufgelistet, die zweimal im Jahr durchgeführt wurden. Danach gab es seit Januar 2013 sieben routinemäßige Überprüfungen, bei denen es in fünf Fällen zu Beanstandungen kam. In vier Fällen gab es Nachkontrollen.
Vorher keine Hinweise auf technische Mängel
Auch bei der letzten Kontrolle Anfang Mai hatten die Prüfer etwas zu bemängeln. Es ging um Beanstandungen bei der Betriebshygiene. Die Nachkontrolle, bei der die Beseitigung der Mängel überprüft werden sollte, hatte bis zu dem Vorfall am 31. Mai nicht stattgefunden. Kontrollen, bei denen es um die Überprüfung der eingebauten Technik ging, sind in der Antwort nicht aufgeführt.
Laut Senat hatten die Behörden vor dem 31. Mai auch keine Hinweise auf mögliche technische Mängel in dem Markt erhalten, durch die Kunden einen Stromschlag erlitten hätten. Mittlerweile habe sich, so hieß es aus der Polizei, eine Frau gemeldet, die dort auch einen Stromschlag erlitten haben will. Die Staatsanwaltschaft wird jetzt die Ermittlungsakte auswerten. Dann wird entschieden, ob und gegen wen Anklage wegen des Todes des kleinen Jonathan erhoben wird.
Dieser Artikel ist zuerst auf www.abendblatt.de erschienen.