Berlin. Die Heiligsprechung Mutter Teresas wirft ein Schlaglicht auf einen umstrittenen Ritus. So mancher Irrtum sorgt für Missverständnisse.
Es ist eines der wohl größten Ereignisse in der bisherigen Amtszeit von Papst Franziskus: Auf dem Petersplatz in Rom wird am Sonntag Mutter Teresa heiliggesprochen. Hunderttausende Menschen werden erwartet, um der kleinen Nonne mit dem weiß-blauen Ordensgewand fast zwanzig Jahre nach ihrem Tod die Ehre zu geben.
Die Heiligsprechung liegt ganz auf einer Linie mit dem Heiligen Jahr, das Papst Franziskus für dieses Jahr ausgerufen hatte. Das Thema: Barmherzigkeit. Denn Mutter Teresa steht wie kaum jemand anderes für das Engagement für die Armen.
Doch was bedeutet „heilig“? Warum muss kein der oder die neue Heilige kein Wunder vorweisen können? Und warum sind nicht alle Päpste heilig? Wir räumen an dieser Stelle auf mit den fünf verbreitetsten Irrtümern in Sachen Heiligsprechung.
• Irrtum 1: Katholiken beten die Heiligen an
Das ist nicht der Fall. Katholiken sind zwar davon überzeugt, dass Heilige ihnen nicht „nur“ als Vorbilder vorangehen und sie so im Glauben ermutigen, angebetet werden sie aber nicht. Gläubige wenden sich im Gebet an sie und bitten um Fürsprache vor Gott für ihre Sorgen und Anliegen. Daran erinnert der Feiertag Allerheiligen am 1. November. In der evangelischen Theologie wird die Heiligenverehrung der katholischen und orthodoxen Kirche dagegen als unbiblisch abgelehnt: Dadurch würden die Verehrung von Menschen und die Anbetung Gottes auf unzulässige Weise vermischt, sagt die protestantische Sicht.
• Irrtum 2: Die Heiligen drei Könige
Heilig konnten die drei Reisenden aus dem Morgenland, die den neugeborenen Jesus im Stall von Bethlehem besuchten, schon deshalb nicht sein, weil sie dazu einfach zu früh gelebt haben. Die erste verbriefte Heiligsprechung durch einen Papst datiert auf das Jahr 993 und betraf den Heiligen Ulrich von Augsburg. Übrigens: Ob es wirklich Caspar, Melchior und Balthasar waren in Bethlehem, oder vielleicht vier oder fünf oder noch mehr und ob es sich wirklich um Könige handelte, oder vielmehr um Magier oder Zauberer –darüber streiten bis heute die Glaubensforscher.
• Irrtum 3: Der Papst ist von Amts wegen heilig
Könnte man meinen. Immerhin lautet die korrekte Anrede für den Papst „Heiliger Vater“. Das diplomatische Protokoll sieht sogar die Anrede „Eure Heiligkeit“ vor. Trotzdem: Die Heiligsprechung muss sich auch das Oberhaupt der Katholischen Kirche verdienen. Von den 266 bisherigen Päpsten wurden 81, also nicht einmal ein Drittel, heiliggesprochen. Zuletzt 2014 Johannes XXIII. Und Johannes Paul II.
• Irrtum 4: Ohne Wunder keine Heiligsprechung
Auch das stimmt nicht. Denn neben den amtskirchlich nachgewiesenen zwei Wundern führt auch ein zweiter Weg zur Heiligkeit: man muss als Märtyrer gestorben sein. Als solch ein Märtyrer gilt den Katholiken beispielsweise der Heilige Sebastian, den der Legende nach der römische Kaiser Diokletian im dritten Jahrhundert für seinen Glauben töten ließ, oder der franziskanische Priester Maximilian Kolbe, der 1941 von den Nazis in Auschwitz ermordet wurde, als er anstelle eines Mithäftling in den berüchtigten „Hungerbunker“ des Lagers ging. Wunder werden beiden von der Kirche nicht zugeordnet.
• Irrtum 5: Nur Einzelpersonen können heiliggesprochen werden
Auch das entspricht nicht den Tatsachen, wie auch der aktuelle Papst auf eindrucksvolle Weise deutlich machte. Franziskus sprach im Mai 2013 gleich 800 Männer auf einen Schlag heilig. Die „Märtyrer von Otranto“ waren im Jahr 1480 in der süditalienischen Stadt von osmanischen Eroberern geköpft worden, weil sie nicht zum Islam konvertieren wollten. Von ihrem Anführer Antonio Von Primaldo ist zudem überliefert, dass sein Körper bei seiner Enthauptung nicht zusammensackte – was als Wunder anerkannt wurde.
Es geht aber auch kleiner als 800. Im Oktober 2015 sprach Franziskus erstmals ein Ehepaar heilig: Louis und Zélie Martin aus Frankreich wurden aufgrund ihres vorbildlichen Lebens als Eheleute zu Heiligen ernannt. Damit entstand gewissermaßen eine „heilige Familie“ aus Vater, Mutter und Tochter. Denn die Tochter des Paares, die Ordensfrau Thérèse von Lisieux (1873-1897), war schon 1925 von Papst Pius X. in den Heiligenstand erhoben worden.