Paris/Nizza. Der Attentäter sei Zick-Zack gefahren, sagt ein Zeuge. Um viele Menschen zu treffen. Nizza hat eine Nacht des Horrors hinter sich.

„Es war wie in einem Horrorfilm“, sagt Leila R. Die 22-jährige Verkäuferin befindet sich am späten Donnerstagabend mit einer Freundin auf der Uferpromenade von Nizza, als kurz vor 23 Uhr ein schwerer Lkw auf die dort versammelte Menschenmenge zurast. „Wir starrten gerade nach oben, auf das Feuerwerk, als wir auf einmal Schreie hörten und kurz darauf Schüsse, die ich zuerst für Böller hielt. Dann begannen die Menschen in alle Richtungen auseinanderzulaufen, wie eine Welle kam die Menge auf uns zu. Meine Freundin hat mich vom Bürgersteig herunter in ein Restaurant gezerrt, sonst wären wir wohl niedergetrampelt worden.“

Das „absolute Grauen“, von dem zahlreiche Augenzeugen später berichten, platzte mitten in das fröhliche Fest, mit der in Nizza auf der weltbekannten Promenade des Anglais der französische Nationalfeiertag gefeiert wurde. Tausende Einheimische und Touristen hatten sich auf der für diesen Anlass eigens in eine Fußgängerzone verwandelten Flaniermeile versammelt, um das große Feuerwerk zu sehen, mit dem der 14. Juli in den meisten Städten des Landes traditionell ausklingt.

Einige springen über die Brüstung und stürzen tief

Weder die Absperrungen noch die Sicherheitskräfte jedoch vermögen einen weißen Kühltransporter daran zu hindern, auf die Uferpromenade einzubiegen und erst langsam, dann immer schneller im Zick-Zack durch die Menschenmassen zu pflügen.

„Wie Puppen“, so erzählt ein spanischer Tourist, werden Männer, Frauen und Kinder, die nicht mehr rechtzeitig ausweichen können, von dem schweren Fahrzeug durch die Gegend gewirbelt. In Panik versuchen die Menschen, davonzulaufen oder sich in die Bars, Restaurants und Hotels auf der Landseite der Promenade zu flüchten. Andere springen im letzten Augenblick über die Brüstung des Boulevards und stürzen zweieinhalb Meter tiefer auf den an dieser Stelle mit großen Steinen übersäten Stadtstrand.

Zehn Minuten der Panik und Verwirrung

Erst nach zwei Kilometern kommt der Lkw auf der Höhe des bekannten Nobelhotels Negresco im Feuer schwerbewaffneter Ordnungshüter zum Stillstand. Der Kugelhagel durchsiebt Front und Windschutzscheibe des Lasters und tötet seinen Fahrer, der laut Augenzeugen bis zum letzten Atemzug mit einem Revolver in die Menge und auf die Beamten geschossen hat.

Leila R. meint, dass „es bestimmt zehn Minuten gedauert hat“, bevor die ersten Rettungswagen eintreffen. Zehn Minuten der Panik und Verwirrung. In der Zwischenzeit leert sich die Uferpromenade und gibt den Blick frei auf die Toten und Verletzten, die auf dem Fahrdamm und auf dem breiten Bürgersteigen liegen.

Lkw fährt in Menschenmenge in Nizza

Der Ausschnitt aus Google Earth zeigt den Abschnitt der Promenade des Anglais in Nizza. Hier versammelten sich am Donnerstagabend Tausende Besucher zum Bestaunen des Feuerwerks anlässlich des französischen Nationalfeiertages, als ein Lkw auf einer Strecke von zwei Kilometern durch die Menschenmenge fuhr.
Der Ausschnitt aus Google Earth zeigt den Abschnitt der Promenade des Anglais in Nizza. Hier versammelten sich am Donnerstagabend Tausende Besucher zum Bestaunen des Feuerwerks anlässlich des französischen Nationalfeiertages, als ein Lkw auf einer Strecke von zwei Kilometern durch die Menschenmenge fuhr. © dpa
Mindestens 80 Menschen wurden bei dem Anschlag getötet. Mehr als 100 weitere sollen zum Teil schwer verletzt worden sein.
Mindestens 80 Menschen wurden bei dem Anschlag getötet. Mehr als 100 weitere sollen zum Teil schwer verletzt worden sein. © dpa
Das Wrack des Lastwagens, dessen Frontscheibe durchlöchert von Einschüssen ist. Der Täter war der Zeitung „Nice Matin“ zufolge ein 31-jähriger aus der Region, der tunesische Wurzeln hatte. Er wurde von der Polizei erschossen.
Das Wrack des Lastwagens, dessen Frontscheibe durchlöchert von Einschüssen ist. Der Täter war der Zeitung „Nice Matin“ zufolge ein 31-jähriger aus der Region, der tunesische Wurzeln hatte. Er wurde von der Polizei erschossen. © dpa
Verwundete Opfer des Anschlags werden von den Rettungskräften versorgt und in ein Krankenhaus gebracht.
Verwundete Opfer des Anschlags werden von den Rettungskräften versorgt und in ein Krankenhaus gebracht. © dpa
Mit Hubschraubern wurden die Verletzten in umliegende Krankenhäuser gebracht.
Mit Hubschraubern wurden die Verletzten in umliegende Krankenhäuser gebracht. © REUTERS
Nach dem Anschlag patrouillierten Soldaten auf den Straßen von Nizza.
Nach dem Anschlag patrouillierten Soldaten auf den Straßen von Nizza. © REUTERS
In dem Lkw der nach dem Anschlag von Forensikern und Polizisten untersucht wurde, sind nach Angaben eines Abgeordneten Schusswaffen, Granaten und die Ausweispapiere des Täters gefunden worden.
In dem Lkw der nach dem Anschlag von Forensikern und Polizisten untersucht wurde, sind nach Angaben eines Abgeordneten Schusswaffen, Granaten und die Ausweispapiere des Täters gefunden worden. © REUTERS
In der Lobby des weltbekannten Luxushotels Negresco ist nach der Attacke ein Lazarett eingerichtet worden. Wie die Zeitung „Le Figaro“ berichtete, wurden dort Verletzte vorsorgt. Auch Menschen, die sich in Sicherheit gebracht hatten, hielten sich dort in der Nacht auf. Zudem befragte die Polizei Zeugen zum Tathergang.
In der Lobby des weltbekannten Luxushotels Negresco ist nach der Attacke ein Lazarett eingerichtet worden. Wie die Zeitung „Le Figaro“ berichtete, wurden dort Verletzte vorsorgt. Auch Menschen, die sich in Sicherheit gebracht hatten, hielten sich dort in der Nacht auf. Zudem befragte die Polizei Zeugen zum Tathergang. © REUTERS
Auch am Tag danach sind Kriminaltechniker im Einsatz, die Spuren des Attentats entlang der Promenade zu sichern.
Auch am Tag danach sind Kriminaltechniker im Einsatz, die Spuren des Attentats entlang der Promenade zu sichern. © REUTERS
Im Hellen sind die Einschusslöcher auf der Frontscheibe des Lkws noch deutlicher zu sehen.
Im Hellen sind die Einschusslöcher auf der Frontscheibe des Lkws noch deutlicher zu sehen. © REUTERS
Nachdem der Attentäter in die Menschenmenge raste, lieferte er sich einen Schusswechsel mit der Polizei.
Nachdem der Attentäter in die Menschenmenge raste, lieferte er sich einen Schusswechsel mit der Polizei. © dpa
In der Innenstadt von Nizza sollen eine weiße und rote Rose an die Opfer des Attentates erinnern.
In der Innenstadt von Nizza sollen eine weiße und rote Rose an die Opfer des Attentates erinnern. © dpa
Die französische Regierung hat eine dreitägige Staatstrauer angeordnet.
Die französische Regierung hat eine dreitägige Staatstrauer angeordnet. © dpa
Polizisten und Kriminaltechniker versuchen das Attentat zu rekonstruieren.
Polizisten und Kriminaltechniker versuchen das Attentat zu rekonstruieren. © dpa
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Durch die Fensterfront des Restaurants beobachten Leila, ihre Freundin und rund 80 weitere Anwesenden fassungslos die gespenstische Szenerie. Niemand kommt auf den Gedanken, nach draußen oder nach Hause zu gehen. Aus Angst, aber auch, weil die Sicherheitskräfte vor Ort und wenig später die Behörden über die Medien die Bevölkerung auffordern, möglichst an ihren Zufluchtsorten oder in ihren Wohnungen zu bleiben. Es gilt, die Versorgung der zahlreichen Verletzten nicht zu behindern.

Ausnahmezustand um drei Monate verlängert

Noch vor Mitternacht ruft die Präfektur den Notstand in Nizza aus, in den Krankenhäusern und Kliniken der Stadt werden alle Kräfte mobilisiert und im Foyer des Nobelhotels Negresco ein Notlazarett eingerichtet. In einer ersten Bilanz ist von 60 Todesopfern und mehr als einhundert Verletzten die Rede. Doch die Schreckenszahlen erhöhen sich in den folgen Stunden auf 84 Tote und deutlich mehr als 200 Verletzte, von denen 15 am Freitag noch in Lebensgefahr schweben.

Offizielle Stellen vermeiden es zunächst, von einem terroristischen Anschlag zu sprechen. Doch noch in der Nacht wendet sich Präsident Francois Hollande in einer kurzen Fernsehansprache an die Nation. An dem „terroristischen Charakter dieses Angriffs“ gibt es ihm zufolge keine Zweifel. Und bevor am Freitagmorgen das Sicherheitskabinett im Elysée-Palast zu einer Krisensitzung zusammentritt, zieht das Staatsoberhaupt Konsequenzen. Eine Intensivierung des Kampfs gegen den Islamischen Staat (IS) im Irak und in Syrien verspricht Hollande und kündigt an, dass der im November verhängte Ausnahmezustand erneut um drei Monate verlängert wird.

Mobilisierung der „operationellen Reserve“

Aber Hollande muss der Tatsache Rechnung tragen, dass die sich seit November im Dauereinsatz befindenden Sicherheitskräfte schon längst an ihre Belastungsgrenzen stoßen. Deswegen ordnet er zudem die Mobilisierung der sogenannten „operationellen Reserve“ an, sprich die umgehende Reaktivierung von Soldaten und Ordnungskräften, die in den letzten fünf Jahren aus dem Dienst ausgeschieden sind. Sie sollen in ihren ehemaligen Dienststellen oder Einsatzgruppen für Entlastung sorgen.

Ebenfalls noch in der Nacht auf Freitag werden die Ermittlungen an die für terroristische Anschläge und Umtriebe zuständige Pariser Staatsanwaltschaft übergeben. Vor Ort hat die Polizei in der Kabine des vor wenigen Tagen angemieteten Kühltransporters neben mehreren Waffenattrappen und einer nicht funktionstüchtigen Granate auch einen Führerschein sichergestellt. Er ist auf einen 31-jährigen Mann tunesischer Abstammung ausgestellt, der in Nizza lebte.

Die Welt trauert um die Opfer von Nizza

Am Tag nach dem verheerenden Anschlag auf die Feier des französischen Nationalfeiertags in Nizza zeigten Menschen in der ganzen Welt ihre Solidarität mit den Opfern. Dieses Mädchen etwa hielt ein Schild mit der Aufschrift „Frieden für Nizza“. Mit einer großen Schülergruppe trauerte sie am Freitagmorgen im indischen Ahmedabad.
Am Tag nach dem verheerenden Anschlag auf die Feier des französischen Nationalfeiertags in Nizza zeigten Menschen in der ganzen Welt ihre Solidarität mit den Opfern. Dieses Mädchen etwa hielt ein Schild mit der Aufschrift „Frieden für Nizza“. Mit einer großen Schülergruppe trauerte sie am Freitagmorgen im indischen Ahmedabad. © REUTERS
Rumäniens Staatspräsident Klaus Iohannis (rechts) trug sich vor der französischen Botschaft in Bukarest in ein Kondolenzbuch ein.
Rumäniens Staatspräsident Klaus Iohannis (rechts) trug sich vor der französischen Botschaft in Bukarest in ein Kondolenzbuch ein. © dpa
Währenddessen herrschte in Nizza immer noch Fassungslosigkeit. Diese Frau kann in der Nähe des Anschlagsorts die Tränen nicht zurückhalten.
Währenddessen herrschte in Nizza immer noch Fassungslosigkeit. Diese Frau kann in der Nähe des Anschlagsorts die Tränen nicht zurückhalten. © REUTERS
Überall in Nizza legten Menschen Blumen und Botschaften nieder. Auf einem Zettel am Hals dieses Kuscheltieres ist zu lesen: „Unsere Gedanken sind bei den Opfern.“
Überall in Nizza legten Menschen Blumen und Botschaften nieder. Auf einem Zettel am Hals dieses Kuscheltieres ist zu lesen: „Unsere Gedanken sind bei den Opfern.“ © REUTERS
Spaniens König Felipe und Königin Letizia besuchten die französische Botschaft in Madrid und drückten dort ihre Trauer aus.
Spaniens König Felipe und Königin Letizia besuchten die französische Botschaft in Madrid und drückten dort ihre Trauer aus. © REUTERS
„Vive la France“ – Es lebe Frankreich. Auch in Rom zeigten Menschen überall in der Stadt ihre Solidarität mit Botschaften und Blumen.
„Vive la France“ – Es lebe Frankreich. Auch in Rom zeigten Menschen überall in der Stadt ihre Solidarität mit Botschaften und Blumen. © REUTERS
In Mexiko City wurde in der Nacht zum Freitag unter anderem das Friedensengel-Monument in den Nationalfarben Frankreichs angestrahlt.
In Mexiko City wurde in der Nacht zum Freitag unter anderem das Friedensengel-Monument in den Nationalfarben Frankreichs angestrahlt. © REUTERS
Beim 22. Przystanek Woodstock Festival im polnischen Kostrzyn kamen die Menschen vor der Bühne zusammen und hielten Papierblätter in die Höhe, die zusammen die französischen Flagge ergaben.
Beim 22. Przystanek Woodstock Festival im polnischen Kostrzyn kamen die Menschen vor der Bühne zusammen und hielten Papierblätter in die Höhe, die zusammen die französischen Flagge ergaben. © dpa
Der Staatspräsident der Ukraine, Petro Poroschenko, legte Blumen vor der französischen Botschaft in Kiew nieder.
Der Staatspräsident der Ukraine, Petro Poroschenko, legte Blumen vor der französischen Botschaft in Kiew nieder. © REUTERS
„Je suis Nice“ – Ich bin Nizza. Diesen an den Trauerspruch der Anschläge von Paris angelehnten Satz ließen die Verantwortlichen am Gebäude des EU-Parlaments in Brüssel erscheinen.
„Je suis Nice“ – Ich bin Nizza. Diesen an den Trauerspruch der Anschläge von Paris angelehnten Satz ließen die Verantwortlichen am Gebäude des EU-Parlaments in Brüssel erscheinen. © REUTERS
In Nizza fanden sich am frühen Nachmittag Hunderte Menschen nahe des Anschlagsorts an der Promenade des Anglais ein, um gemeinsam zu trauern.
In Nizza fanden sich am frühen Nachmittag Hunderte Menschen nahe des Anschlagsorts an der Promenade des Anglais ein, um gemeinsam zu trauern. © REUTERS
Laura Boldini, die Chefin des italienischen Abgeordnetenhauses, nahm die französische Botschafterin in Rom, Catherine Colonna, in den Arm.
Laura Boldini, die Chefin des italienischen Abgeordnetenhauses, nahm die französische Botschafterin in Rom, Catherine Colonna, in den Arm. © REUTERS
Auch in Polen wurde vor der französischen Botschaft in der Landeshauptstadt kondoliert: Der polnische Verteidigungsminister Antoni Macierewicz legte Blumen vor dem Botschaftsgebäude in Warschau nieder.
Auch in Polen wurde vor der französischen Botschaft in der Landeshauptstadt kondoliert: Der polnische Verteidigungsminister Antoni Macierewicz legte Blumen vor dem Botschaftsgebäude in Warschau nieder. © dpa
Vor der französischen Botschaft in Wien drückten die Menschen mit Blumen ihre Solidarität aus.
Vor der französischen Botschaft in Wien drückten die Menschen mit Blumen ihre Solidarität aus. © REUTERS
Russlands Präsident Wladimir Putin wandte sich in einer Ansprache an den französischen Präsidenten Francois Hollande: „Russland weiß, was Terror ist und welche Gefahr er für uns alle darstellt. Unser Volk ist mit ähnlichen Tragödien nicht nur einmal konfrontiert gewesen. Wir können den Terrorismus nur mit vereinten Kräften besiegen.“
Russlands Präsident Wladimir Putin wandte sich in einer Ansprache an den französischen Präsidenten Francois Hollande: „Russland weiß, was Terror ist und welche Gefahr er für uns alle darstellt. Unser Volk ist mit ähnlichen Tragödien nicht nur einmal konfrontiert gewesen. Wir können den Terrorismus nur mit vereinten Kräften besiegen.“ © dpa
In Bangkok wurde der Opfer mit Kerzen und Stille gedacht.
In Bangkok wurde der Opfer mit Kerzen und Stille gedacht. © Getty Images
Mitten in Sydney fanden sich Trauernde in der Nacht zum Freitag ein und entzündeten Dutzende Kerzen.
Mitten in Sydney fanden sich Trauernde in der Nacht zum Freitag ein und entzündeten Dutzende Kerzen. © REUTERS
Auch zwei Tage nach dem Anschlag kamen Menschen an der Unglücksstelle zusammen, ...
Auch zwei Tage nach dem Anschlag kamen Menschen an der Unglücksstelle zusammen, ... © Getty Images
... um zu trauern ...
... um zu trauern ... © Getty Images
und Blumen niederzulegen.
und Blumen niederzulegen. © Getty Images
Der Strand und die Promenade waren einen Tag nach dem Anschlag noch menschenleer. Nur vereinzelt saßen Menschen fassungslos und trauernd am Meer.
Der Strand und die Promenade waren einen Tag nach dem Anschlag noch menschenleer. Nur vereinzelt saßen Menschen fassungslos und trauernd am Meer. © Getty Images
Die französischen Flaggen hingen an der Promenade in Nizza auf Halbmast.
Die französischen Flaggen hingen an der Promenade in Nizza auf Halbmast. © Getty Images
Auch bei der Toure de France zeigten sich Rad-Fans solidarisch mit den Opfern von Nizza.
Auch bei der Toure de France zeigten sich Rad-Fans solidarisch mit den Opfern von Nizza. © dpa
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Dank seiner Fingerabdrücke kann die Identität des Täters, der für die Polizei keineswegs ein Unbekannter ist, wenig später bestätigt werden. Er war wegen mehrfachen Diebstahls sowie eines bewaffneten Raubes vorbestraft und befand sich nur unter Bewährungsauflagen auf freiem Fuß. Der Radikalisierung oder des Kontakts mit islamistischen Kreisen wurde er hingegen nie verdächtigt.

„Wie konnte so etwas geschehen?“

Die Auswertung der städtischen Überwachungskameras hat seitdem den Verdacht erhärtet, dass es sich nicht um einen Amoklauf, sondern um einen geplanten Anschlag handeln muss. So soll der gemietete Kühltransporter bereits am Mittwoch im Zentrum von Nizza innerhalb der Zone geparkt worden sein, die dann am nächsten Tag in Vorbereitung der Feiern zum Nationaltag für den Verkehr gesperrt wurde.

Am Freitagvormittag ist die Promenade des Anglais immer noch abgesperrt, doch nun sieht man außer Sicherheitskräften und Journalisten so gut wie keine Passanten mehr. Leila sitzt in ihrem kleinen Appartement im Norden der Stadt, trinkt Tee und telefoniert alle Bekannten ab, die sie erreichen kann, um zu erfahren, ob sie wohlauf sind. Erst gegen vier Uhr ist die junge Frau nach Hause gekommen und sie hat seitdem kein Auge zugetan. Immer wieder stehen ihr die Bilder der letzten Nacht vor Augen. „Wie konnte so etwas geschehen?“, will sie wissen. Eine Frage, die zahlreiche Bewohner von Nizza am Freitag stellen, sehr oft ungleich schärfer formuliert, weil sie den Sicherheitsbehörden Versagen vorwerfen.

Die terroristische Bedrohung, die Angst vor weiteren Anschlägen ist zurückgekehrt, nicht nur an der Côte d´Azur. Dabei war die Bedrückung, die seit den Anschlägen im November wie Mehltau über dem Land lag, gerade erst gewichen – dank dem Beginn der großen Ferien und weil bei der Fußball-Europameisterschaft allen Befürchtungen zum Trotz nichts passiert ist.