Berlin. Er war der ewige Schimanski – und doch war Götz George so viel mehr. Unbestritten war George einer der größten deutschen Schauspieler.
Götz George liebte es, er selbst zu sein. Eigen, manchmal ruppig und meist unbequem, begegnete er seinem Gegenüber. Seien es nun Film- und Fernsehjournalisten, Fans oder Kollegen. Kurz vor seinem 75. Geburtstag – vor fast drei Jahren – gab es auch so einen dieser besonderen George-Momente voller Schnodderigkeit. Als er in Berlin den Film „George“ über seinen Vater Heinrich vorstellte, ließ er sich zwar aufs Podium bitten, schmetterte vor dem gespannten Premierenpublikum aber jede Frage gnadenlos ab. Sie sei falsch gestellt, dazu könne er nichts sagen und überhaupt sei er nicht der richtige Ansprechpartner. Punkt und Rumms.
Götz George durfte das, musste es zuweilen sogar. Vielleicht war es sein Schicksal. Der Ausnahmeschauspieler pflegte stets sein Image als Raubein – und das Publikum liebte ihn dafür. Klar, wer 32 Jahre lang mit abgewetztem Parka als Ruhrpottkommissar Horst Schimanski vor der Kamera stand, musste einfach ein krasser Typ sein und möglichst oft „Scheiße“ sagen. So einem verzeiht man das.
Mit dem gebrochenen Draufgänger aus Duisburg hat der gebürtige Berliner George Fernsehgeschichte geschrieben. Anders als die distinguierten, abgeklärten Herren, die vor und neben ihm in deutschen Krimis ermittelten, verkörperte er 1981 erstmals einen schnodderigen Cop, der mit lockeren Sprüchen, harten Prügeleien und reichlich Bier auf Verbrecherjagd geht. „Was quatschst du mich so blöd an, du Spießer, nur weil ich 'ne Fahne habe?“, raunzte der attraktive Kommissar sein Gegenüber einmal an.
2013 war Schluss mit „Schimanski“
29 „Schimmi“-Folgen liefen zwischen 1981 und 1991 im Rahmen der ARD-Krimireihe „Tatort“. Zweimal war er im Kino sehen und 1997 widmete das Erste seinem erfolgreichen Helden eine eigene Reihe mit dem Kult-Logo „Schimanski“. Der war zwar inzwischen Rentner und hatte einen Gang zurückgeschaltet, aber immer noch ein Straßenfeger. Allein die erste Folge „Die Schwadron“ sahen fast 13 Millionen Menschen. Im Jahr 2013 war dann Schluss damit, nach 48 Folgen.
Trotzdem hat sich George nie gern in die Krimischublade stecken lassen. Mit Ehrgeiz, Spielfreude und unglaublicher Vitalität profilierte er sich in seiner langen Karriere als einer der vielseitigsten deutschen Schauspieler.
Er spielte den KZ-Arzt Josef Mengele („Nichts als die Wahrheit“) und einen an Alzheimer erkrankten Busfahrer („Mein Vater“), einen Taschendieb („Das Trio“) und einen blinden Klavierlehrer („Der Novembermann“), einen Öko-Aktivisten („Lüg weiter, Liebling“) und einen todgeweihten Staatsanwalt („Nacht ohne Morgen“).
Eine seiner berühmtesten Rollen hatte er als homosexueller Massenmörder Fritz Haarmann in „Der Totmacher“, der 1995 das Filmfestival von Venedig eröffnete. Zugleich bewies er in Satiren wie „Schtonk!“ oder „Rossini“ auch sein komödiantisches Talent. 2007 wurde er für sein Lebenswerk mit dem Deutschen Fernsehpreis geehrt, 2014 erhielt er das Bundesverdienstkreuz.
Erst „George“, der Film über seinen legendären, wegen seiner Karriere in der Nazi-Zeit aber auch umstrittenen Schauspieler-Vater Heinrich George (1893-1946), aber machte deutlich, wie sehr der Sohn zeitlebens von dem „Übervater“ geprägt war – und getrieben
„Du warst halt immer besser“
„Du hast mich halt immer überholt. Du warst halt immer besser, besessener“, sagte George in einer ARD-Dokumentation anlässlich seines 75. Geburtstages im Jahr 2013 an die Adresse seines toten Vaters. Von der Lieblingsrolle des Vaters, Goethes „Götz von Berlichingen“, hatte er übrigens auch seinen Vornamen.
Der kleine Götz ist acht, als der Vater in sowjetischer Gefangenschaft stirbt. Für ihn und den älteren Bruder Jan wird die Mutter Berta Drews zur zentralen Bezugsperson. Selbst Schauspielerin, weckt sie auch in ihrem „Putzi“, wie sie den Sohn bis an ihr Lebensende nennt, die Liebe zum Theater. Mit elf steht er erstmals auf der Bühne, mit 15 hat er neben Romy Schneider seinen ersten Filmauftritt in der Romanze „Wenn der weiße Flieder wieder blüht“.
40 Hauptrollen auf der Bühne und 120 Kino- und Fernsehfilme folgen – angefangen von den Karl-May-Abenteuern in den 1960er Jahren bis zum ARD-Krimidrama „Böse Wetter“, das noch nicht ausgestrahlt ist. Seine physische und psychische Präsenz, seine Wandlungsfähigkeit und sein Rollenverständnis trugen ihm immer wieder gute Kritiken ein. „Ich muss die Figuren inhalieren, anders kann man es gar nicht sagen, ich inhaliere sie, ohne intellektuell darüber nachzudenken“, verriet er einmal.
George wollte nach 65 arbeitsreichen Jahren Feierabend machen
Zu den Medien hatte George trotz seines Erfolgs ein gespanntes Verhältnis; dem Fernsehen warf er mal vor, „nur noch auf Kohle und Quote“ zu schauen. Legendär sein Zoff mit Thomas Gottschalk in der ZDF-Sendung „Wetten, dass..?“ 1998. Der 1a-Mime warf dem 1a-Moderator Unwissenheit vor und bezeichnete ihn als „Oberlehrer“, die Zuschauer pfiffen. Echte Emotionen oder Inszenierung? Fast egal, auf jeden Fall war es George pur. Auch wenn es fünf Jahre später eine medienwirksame Versöhnung gab, Georges Kritik war durchaus ernst gemeint.
Er sei in Deutschland nur mehr zum Arbeiten und Steuern zahlen, wie er einmal sagte. Ansonsten zog er sich mit seiner gut 20 Jahre jüngeren Lebensgefährtin Marika Ullrich in sein Refugium auf Sardinien zurück. Schlagzeilen machten ein schwerer Badeunfall 1996 und eine Herzoperation 2007.
Vor knapp zwei Jahren verkündete George, er wolle sich weitgehend aus dem Filmgeschäft zurückziehen. „Ich möchte gerne nach 65 arbeitsreichen Jahren Feierabend machen“, sagte der damals 76-Jährige der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“. Es sei einfach zu viel Stress. So machte er sich in den Öffentlichkeit rar, drehte nur noch wenig und erfüllte sich selbst einen Wunsch: „Auf der Bühne, wie es bei Schauspielern immer heißt, will ich sicher nicht sterben.“ Götz George starb am 19. Juni im Alter von 77 Jahren. (dpa)