Berlin. Es begann als Nischenprodukt, jetzt ist es in aller Munde: Craft Beer mischt die Bierszene auf. Eine Bierologie für Bierliebhaber.
Alle reden darüber, alle wollen es trinken und viele brauen es jetzt einfach selbst: Craft Beer. Was als Nischenprodukt begann, hat inzwischen die Herzen der deutschen Biertrinker erobert.
Craft Beer ist cool, rebellisch und in aller Munde. In Braukursen lernen begeisterte Fans die Zubereitung ihres eigenen Craft Beers. Es gibt eigene Festivals, auf denen Brauereien ihre Biersorten anbieten. Und sogar die etablierten großen Brauereien haben den Biertrend erkannt und wagen sich an IPAs oder Pale Ales. Doch was genau steckt hinter dem Trend Craft Beer? Und wieso finden Craft-Beer-Anhänger das Reinheitsgebot überflüssig?
Eine Bierologie zum Angeben beim abendlichen Kneipenbesuch:
Herkunft: Der Begriff Craft Beer kommt aus dem Amerikanischen und bedeutet „handwerklich gebrautes Bier“. In den USA gibt es eine feste Definition des Begriffs, in Deutschland allerdings nicht. Was klar ist: Hinter Craft Beer steckt das Wiederbeleben alter Brau-Traditionen, die Liebe zum Detail. Die Brauereien nutzen hochwertige Zutaten, um unkonventionelle Geschmacksrichtungen kreieren zu können: Gewürze, Kaffee oder Früchte – keine Seltenheit in den Handwerksbieren. Es geht aber auch um Unabhängigkeit. In den USA – inzwischen aber auch in Deutschland – wird das Craft Beer als Gegenpol zu den Konzernbieren gesehen, die oft eher geschmacksarm sind.
Die Craft-Beer-Revolution startete in den 1970er Jahren in den USA. Da es damals eher schlechte Industriebiere gab, begannen einige Kreative selbst zu brauen. Das Bier sollte besser und anders schmecken. So entstanden die ersten Mikrobrauereien, die ihre Biere in der Gegend verkauften. Heute gibt es in den USA mehr als 4000 Craft Beer Brauereien. Vor einigen Jahren schwappte der Trend dann nach Europa – zuerst nach England, dann Skandinavien und irgendwann auch nach Deutschland.
Microbrewery: Eine Mikrobrauerei ist eine Brauereien mit einer geringen Herstellungsmenge an Bier. Denn werden weniger als 200.000 Hektolitern erzeugt, werden Brauereien in Deutschland durch eine geringere Biersteuer begünstigt. Die kleinen Brauereien brauen nicht für den Massengeschmack, sondern versuchen sich an natürlichen Aromen und Zusätzen, die vom klassischen Reinheitsgebot abweichen.
Szene: Die Craft-Beer-Szene in Deutschland wird immer größer. Verbreitete sich das Handwerksbier zunächst in Großstädten wie Berlin, München oder Hamburg, ist es inzwischen auch in kleineren Städten oder ländlichen Gebieten zu bekommen. Die Brauer-Szene ist jung, kreativ und bereit, sich an immer neuen Geschmacksrichtungen auszuprobieren. Und die Szene wächst: In ganz Deutschland gibt immer mehr Neugründungen – Heidenpeters und Rollberger in Berlin, Ratsherrn und Kehrwieder in Hamburg, Crew Republic in München. Dazu kommen Craft-Beer-Festivals und Braukurse, in denen der Gerstensaftliebhaber lernt, wie er in der heimischen Küche braut.
Hopfen: Der Hopfen ist ein wichtiger Bestandteil des Biers. Es gibt Hunderte verschiedene Hopfen-Sorten. Im Brauprozess sorgt der klassische Hopfen für den typischen, leicht bitteren Biergeschmack sowie das Aromaprofil. Er hat auch eine konservierende Wirkung. Mit der Craft-Beer-Revolution stieg das Interesse an Aromahopfen wie Cascade, Tettnanger oder Mandarina Bavaria.
Geschmacksrichtungen: Grundsätzlich kann jede Sorte ein Craft Beer sein. Wichtig ist nur, es geht um Kreativität, um die handwerkliche Umsetzung und um den Geschmack. Viele Craft Beere spielen mit Extremen: Über besonders starke Hopfenbeigaben oder Malznoten erreichen die Brauereien unterschiedlichste Geschmacksrichtungen. Die Biere können fruchtig, malzig-röstig, bitter, gewürzbetont oder gar blumig sein.
Sorten: Geschätzt gibt es weltweit mehr als 150 Bierstile. Mit der Craft-Beer-Bewegung kommen längst vergessene Sorten zurück. Das hier sind einige der beliebten Sorten:
Pale Ale: Ein helles Bier, das mit obergäriger Hefe hergestellt wird und sehr hopfenbetont sind. Das Pale Ale wird aus hellem Malz hergestellt.
India Pale Ale (IPA): Das IPA ist der Klassiker des Craft Beers. Ein obergäriges Bier, stärker gehopft als das Pale Ale. Fast immer hat das IPA eine blumig-zitrusfruchtige Aromatik, die durch die sogenannte Kalthopfung erzielt wird. Aber auch Schoko- oder Kaffeenoten werden über bestimmte Mälzvorgänge erreicht. Im 19. Jahrhundert fertigten die Brauer in England für die damaligen Kolonien, insbesondere Indien, ihre klassischen obergärigen Pale Ales auf eine Weise an, die ihr Bier für die lange Seereise wappnen sollte. Das heißt: eine extra starke Hopfung und ein höherer Alkoholgehalt. Neben dem klassischen IPA gibt es inzwischen auch West Coast IPA, California IPA, East Coast IPA, North Coast IPA, North Sea IPA.
Lager: Der Gegenspieler des obergärigen Ales ist diese untergärige Biersorte. Ein helles oder dunkles Vollbier mit etwa 12 Prozent Stammwürze. Lager haben einen süffig, leicht malzigen Charakter.
Stout: Ein Stout ist ein tiefdunkles, obergäriges Bier mit festem Schaum. Gebraut werden Stouts mit stark geröstetem Malz, woher das Bier nicht nur seine Farbe bekommt. Stouts erinnern mit ihren Röstaromen oft an Kaffee. Es gibt aber auch Stouts mit Schokoladen- oder Toffeegeschmack. Stark alkoholhaltige Stouts werden Imperial Stout oder Russian Imperial Stout genannt.
Porter: Ein obergäriges Bier mit dunkler, meist tiefschwarzer Farbe. Der Geschmack ist leicht malzig, karamellartig. Ein Porter hat weniger Hopfenbittere und weniger Alkoholgehalt als ein Stout.
Rauchbier: Der Name verrät es. Rauchbier schmeckt dank des geräucherten Malz rauchig und gerne mal nach gut gereiftem Schinken. Die Bier haben eine braune bis bernsteinfarbene, oder sogar schwarze Farbe.
Obergärig versus untergärig: Beim obergärigen Bier schwimmt die Hefe oben auf dem Sud. Beim untergärigen Bier sammelt sich die Hefe unten im Kessel. Obergärige Hefe, die für Weißbier, Kölsch oder Alt verwendet wird, gärt bei warmen Temperaturen, untergärige Hefe, die zum Beispiel für Pils verwendet wird, nur bei kühleren Temperaturen.
Reinheitsgebot: Der Deutsche Brauer-Bund betont, dass sich knapp 98 Prozent der deutschen Craft-Brauer an das Reinheitsgebot halten. Auch so können Biere mit gutem Geschmack gebraut werden. Das älteste Lebensmittelgesetz der Welt wurde 1516 von Herzog Wilhelm IV. von Bayern verfügt und besagt, dass nur Wasser, Hopfen und Malz ins Bier dürfen.
Denn in Deutschland kommen eindeutig mehr Stoffe mit Bier in Verbindung. Gesetzliche Grundlage ist das Vorläufige Biergesetz von 1993. So sind in der Praxis zahlreiche chemische Filtrierungsprozesse und Ausnahmen zugelassen, mit der Bedingung, dass diese keine chemische Reaktion im Bier hervorrufen und „bis auf gesundheitlich und geschmacklich (...) unvermeidbare Anteile wieder ausgeschieden werden“. Holzspäne oder das viel diskutierte Kunststoffgranulat PVPP werden da auch mal zur Filtration eingesetzt.
In den Augen vieler Craft-Brauer ist das Reinheitsgebot ein Relikt aus alten Zeiten und gehört abgeschafft. Es stehe der kreativen Braukultur im Weg. Gefordert wird daher ein Umdenken. Warum nicht einfach natürliche Aromen in den Brauprozess einbauen – Kräuter, Kaffee oder Früchte nutzen?