Düsseldorf. Ein halbes Jahr nach dem Attentat auf Kölns Oberbürgermeisterin beginnt der Prozess in Düsseldorf. Reker selbst sagt als Zeugin aus.
Das dürfte kein leichter Gang für Henriette Reker werden. Im Hochsicherheitstrakt des Düsseldorfer Oberlandesgerichts soll sie ihrem Peiniger gegenübertreten. An diesem Freitag beginnt der Prozess gegen Frank S., der sie vor einem halben Jahr am Tag vor ihrer Wahl zur Oberbürgermeisterin an einem Wahlkampfstand in Köln niederstach und lebensgefährlich verletzte. Reker ist in dem Verfahren als Zeugin vorgesehen, so wie die weiteren Verletzten des Anschlags.
Aus Sicht der Bundesanwaltschaft hat der 44-jährige Angeklagte, der sich früher im Umfeld der 1995 verbotenen rechtsextremen Neonazi-Partei FAP („Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei“) bewegt haben soll, einen Mordversuch begangen. Damit droht ihm als Höchststrafe lebenslange Haft.
Anwalt kündigt Aussage des Täters an
Mit 15 Seiten nimmt sich die Anklageschrift ungewöhnlich schlank aus. Der Arbeitslose, der seine Ausbildung zum Maler und Lackierer nicht beendet hatte, soll als Einzeltäter gehandelt haben – heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen.
Sein Mandant werde zu der Tat Stellung nehmen, wenn auch nicht zu Beginn des Prozesses, kündigt sein Rechtsanwalt Christof Miseré an. An der Täterschaft gibt es nicht viel zu rütteln, das sieht auch der Verteidiger so. S. hatte am Tatort auf die Polizei gewartet und sich widerstandslos festnehmen lassen.
Danach soll er die Tat gestanden haben. Er habe „ein Zeichen setzen“ wollen gegen die aus seiner Sicht falsche Flüchtlingspolitik – und Rekers Wahl zur Oberbürgermeisterin verhindern wollen. Reker war vor ihrer Wahl in Köln als Sozialdezernentin für die Flüchtlinge in der Großstadt zuständig.
Reker leidet noch heute unter den Folgen des Attentats
Frank S. hatte ihr laut Anklage vor zahlreichen Zeugen ein sogenanntes Bowiemesser mit 30 Zentimeter langer Klinge in den Hals gerammt. Die Klinge drang zehn Zentimeter tief ein, erreichte Rekers Wirbelsäule und durchtrennte ihre Luftröhre. Die 59-Jährige beschrieb die Tat später so: Der Mann habe sie nach einer Rose gefragt: „Er hat mich dabei auch freundlich angeguckt“ – und dann zugestochen.
Die Oberbürgermeisterin leidet noch heute unter dem Attentat vom 17. Oktober und ist nach wie vor in ärztlicher Behandlung. Möglicherweise werde sie sich einer weiteren Operation unterziehen müssen, heißt es aus ihrem Umfeld.
Strittig ist die rechtliche Einordnung der Tat: Nach Ansicht des Verteidigers Miseré könnte die Attacke auch als gefährliche Körperverletzung gewertet werden. Schließlich habe sein Mandant nach nur einem Stich von Reker abgelassen. Dies spreche nicht für jenen Tötungsvorsatz, den die Bundesanwaltschaft sehe. „Da kommt auch ein Rücktritt vom Versuch in Betracht“, sagt Miseré.
Reker will ein persönliches Gespräch mit dem Täter führen
Der Angeklagte hatte vor der Tat in seiner Wohnung gründlich „aufgeräumt“. Die Festplatte seines Computers etwa war verschwunden. „Er wollte einfach niemanden mit reinziehen“, sagt sein Verteidiger.
Reker lag während der Wahl im künstlichen Koma, erfuhr erst nach dem Aufwachen von ihrem Sieg und nahm die Wahl noch im Krankenhaus an. Etwa einen Monat nach dem Messerangriff übernahm sie die Amtsgeschäfte. Sie tritt im Prozess als Nebenklägerin auf – vertreten durch Anwalt Christoph Meertens.
Zum Geisteszustand und zur Schuldfähigkeit des Angeklagten soll der renommierte Psychiater Norbert Leygraf Stellung nehmen. Wenn alles vorbei ist, nach dem Prozess, will Reker ein persönliches Gespräch mit ihrem Attentäter führen. „Das hängt aber auch von dessen Verhalten im Verfahren ab“, sagt ihr Sprecher. (dpa)