Essen . Seine Karriere begann spät – aber dafür richtig. Mit seinen 60 Jahren ist Herbert Grönemeyer der vielleicht größte deutsche Pop-Star.

Da war er im Februar also zum ersten Mal seit 2006 wieder bei einem Heimspiel des VfL, dessen Mitglied er ist – natürlich mit der Nummer 4630 – , und dann musste Herbert Grönemeyer gleich eine glatte Niederlage seines Vereins mitansehen. Bochum 0, Bayern München 3. Tausende von Fans stimmten sein Lied an, „Bochum“. Das tun sie immer, schon seit vielen Jahren. Außer dem Vereinslied läuft bei jedem Heimspiel des Zweitligisten VfL Bochum Herberts Hymne – und alle singen mit: „Bochum ich komm‘ aus dir/ Bochum ich häng‘ an dir/ Glück auf.“

Streng genommen ist er gar kein Bochumer

Dabei ist dieser Herbert Arthur Wiglav Clamor Grönemeyer, der auch mit 60 Jahren lieber ein „Herbert“ sein will, streng genommen gar kein Bochumer. In Clausthal-Zellerfeld lebten die Eltern, Herbert kam als jüngster von drei Brüdern in Göttingen zur Welt, doch noch bevor er laufen lernte, zogen die Grönemeyers nach Bochum. „Ich bin ein Kind des Ruhrgebiets“, sagt er heute, „immer gewesen, immer geblieben.“

Herbert Grönemeyer feiert 60. Geburtstag

Sein Erfolg kam spät, aber mit voller Wucht. Herbert Grönemeyer gilt für viele als der Sänger, der den Deutschen aus der Seele spricht. Am 12. April wird der Künstler 60 Jahre alt.
Sein Erfolg kam spät, aber mit voller Wucht. Herbert Grönemeyer gilt für viele als der Sänger, der den Deutschen aus der Seele spricht. Am 12. April wird der Künstler 60 Jahre alt. © Getty Images
Autosammler, Fußballfan, Unternehmer, Schauspieler und vor allem: die Stimme der Nation. Kaum ein Sänger berührt die Deutschen so sehr wie Herbert Grönemeyer. Seit mehr als 30 Jahren landet jedes seiner deutschsprachigen Studioalben auf Platz eins der Charts.
Autosammler, Fußballfan, Unternehmer, Schauspieler und vor allem: die Stimme der Nation. Kaum ein Sänger berührt die Deutschen so sehr wie Herbert Grönemeyer. Seit mehr als 30 Jahren landet jedes seiner deutschsprachigen Studioalben auf Platz eins der Charts. © imago
Dabei wollte Grönemeyer gar nicht Sänger werden. „Ich dachte, vielleicht werde ich Fußballer oder Gebrauchtwagenhändler“, sagte er einmal. Doch bekanntermaßen kam es anders.
Dabei wollte Grönemeyer gar nicht Sänger werden. „Ich dachte, vielleicht werde ich Fußballer oder Gebrauchtwagenhändler“, sagte er einmal. Doch bekanntermaßen kam es anders. © dpa
Am 12. April 1956 wird Herbert Arthur Wiglev Clamor Grönemeyer als jüngster von drei Brüdern geboren. Er wächst in Bochum auf. Nach dem Abitur wird er musikalischer Leiter am dortigen Schauspielhaus unter Intendant Peter Zadek. In den nächsten Jahren steht er als Schauspieler auf der Bühne und vor der Kamera.
Am 12. April 1956 wird Herbert Arthur Wiglev Clamor Grönemeyer als jüngster von drei Brüdern geboren. Er wächst in Bochum auf. Nach dem Abitur wird er musikalischer Leiter am dortigen Schauspielhaus unter Intendant Peter Zadek. In den nächsten Jahren steht er als Schauspieler auf der Bühne und vor der Kamera. © Getty Images
Bei gemeinsamen Dreharbeiten lernt er die Schauspielerin Anna Henkel († 1998) – seine große Liebe und Mutter seiner Kinder – kennen .
Bei gemeinsamen Dreharbeiten lernt er die Schauspielerin Anna Henkel († 1998) – seine große Liebe und Mutter seiner Kinder – kennen . © dpa
1981 wird ein Millionenpublikum auf ihn aufmerksam, als er in Wolfgang Petersens Kinoepos „Das Boot“ den Leutnant Werner gibt. Hier zu sehen mit Filmpartner Jürgen Prochnow, ...
1981 wird ein Millionenpublikum auf ihn aufmerksam, als er in Wolfgang Petersens Kinoepos „Das Boot“ den Leutnant Werner gibt. Hier zu sehen mit Filmpartner Jürgen Prochnow, ... © © epd-bild / Keystone
... Martin Semmelrogge und Rita Cadillac.
... Martin Semmelrogge und Rita Cadillac. © imago stock&people
Parallel versucht sich Grönemeyer als Sänger, allerdings ohne Erfolg. Er bringt vier Alben heraus, die allesamt floppen. Doch dann kommt „4630 Bochum“.
Parallel versucht sich Grönemeyer als Sänger, allerdings ohne Erfolg. Er bringt vier Alben heraus, die allesamt floppen. Doch dann kommt „4630 Bochum“. © imago stock&people
Die Platte mit Hits wie „Männer“, „Flugzeuge im Bauch“ oder der Lokal-Hymne „Bochum“ – die bis heute bei den Fußball-Heimspielen des VfL ertönt – wird 1984 in Deutschland das erfolgreichste Album des Jahres. Neben Peter Maffay, Udo Lindenberg und Marius Müller-Westernhagen zählt er in den Folgejahren zu den großen Stars des deutschen Rock.
Die Platte mit Hits wie „Männer“, „Flugzeuge im Bauch“ oder der Lokal-Hymne „Bochum“ – die bis heute bei den Fußball-Heimspielen des VfL ertönt – wird 1984 in Deutschland das erfolgreichste Album des Jahres. Neben Peter Maffay, Udo Lindenberg und Marius Müller-Westernhagen zählt er in den Folgejahren zu den großen Stars des deutschen Rock. © imago stock&people
Drei Jahrzehnte nach „Bochum“ hören sich Grönemeyers Stücke komplexer und vielschichtiger an. „Der Spaß und der Sport dahinter ist, sich weiterzuentwickeln. Ob es besser wird, ist eine andere Frage“, sagte er anlässlich seines letzten Werks „Dauernd Jetzt“ (2014).
Drei Jahrzehnte nach „Bochum“ hören sich Grönemeyers Stücke komplexer und vielschichtiger an. „Der Spaß und der Sport dahinter ist, sich weiterzuentwickeln. Ob es besser wird, ist eine andere Frage“, sagte er anlässlich seines letzten Werks „Dauernd Jetzt“ (2014). © dpa
Nach wie vor gehe er ohne Konzept an ein Album, das entstehe eher aus einem Chaos. Er klimpere vor sich hin und wenn er fünf, sechs sinnvolle Stücke zusammen habe, merke er: „Jetzt hast Du wieder Hunger, jetzt könntest Du wieder eine Platte machen.“
Nach wie vor gehe er ohne Konzept an ein Album, das entstehe eher aus einem Chaos. Er klimpere vor sich hin und wenn er fünf, sechs sinnvolle Stücke zusammen habe, merke er: „Jetzt hast Du wieder Hunger, jetzt könntest Du wieder eine Platte machen.“ © Getty Images
Und er scheint wieder Hunger bekommen zu haben. Medienberichten zufolge arbeitet er gerade an einem neuen Album. Die Hälfte der Songs habe er bereits.
Und er scheint wieder Hunger bekommen zu haben. Medienberichten zufolge arbeitet er gerade an einem neuen Album. Die Hälfte der Songs habe er bereits. © Funke Foto Services
Immer wieder setzt sich der Künstler mit gesellschaftspolitischen Themen auseinander. In der aktuellen Flüchtlingskrise macht er sich für die Helfer und gegen Fremdenfeindlichkeit stark.
Immer wieder setzt sich der Künstler mit gesellschaftspolitischen Themen auseinander. In der aktuellen Flüchtlingskrise macht er sich für die Helfer und gegen Fremdenfeindlichkeit stark. © Getty Images Europe
Beim G8-Gipfel 2007 erhebt er gemeinsam mit U2-Sänger Bono die Stimme gegen Armut.
Beim G8-Gipfel 2007 erhebt er gemeinsam mit U2-Sänger Bono die Stimme gegen Armut. © Getty Images
Anlässlich der Pressekonferenz zur Veröffentlichung des DATA-Berichtes 2007 im Vorfeld des G8-Gipfels in Berlin, v.l.n.r.: Grönemeyer, Bono Vox, Ngozi Okonjo-Iweala (nigerianische Politikerin) und Sänger Bob Geldof.
Anlässlich der Pressekonferenz zur Veröffentlichung des DATA-Berichtes 2007 im Vorfeld des G8-Gipfels in Berlin, v.l.n.r.: Grönemeyer, Bono Vox, Ngozi Okonjo-Iweala (nigerianische Politikerin) und Sänger Bob Geldof. © imago
Grönemeyer sei „lebensfroh, wütend, glücklich, traurig, entschlossen, charmant –  und sehr lustig“, sagt Bono im ARD-Porträt „Deutschland, Deine Künstler – Herbert Grönemeyer“ über seinen Kumpel aus Deutschland.
Grönemeyer sei „lebensfroh, wütend, glücklich, traurig, entschlossen, charmant – und sehr lustig“, sagt Bono im ARD-Porträt „Deutschland, Deine Künstler – Herbert Grönemeyer“ über seinen Kumpel aus Deutschland. © Radio Bremen-Universal Music - F
So facettenreich wie diese Charakterisierung kommt auch seine Musik daher. Sie erzählt von Euphorie und Glück, ...
So facettenreich wie diese Charakterisierung kommt auch seine Musik daher. Sie erzählt von Euphorie und Glück, ... © Getty Images
... aber auch von Melancholie und Trauer.
... aber auch von Melancholie und Trauer. © Getty Images Europe
Einen doppelten Schicksalsschlag erlebt der Sänger 1998, als innerhalb weniger Tage erst der Bruder und dann seine Frau Anna an Krebs sterben.
Einen doppelten Schicksalsschlag erlebt der Sänger 1998, als innerhalb weniger Tage erst der Bruder und dann seine Frau Anna an Krebs sterben. © imago stock&people
Grönemeyer zieht sich zurück.
Grönemeyer zieht sich zurück. © imago
Er verarbeitet seine Trauer auf dem Erfolgswerk „Mensch“, mit mehr als drei Millionen verkauften Einheiten das erfolgreichste Album in Deutschland seit 1975.
Er verarbeitet seine Trauer auf dem Erfolgswerk „Mensch“, mit mehr als drei Millionen verkauften Einheiten das erfolgreichste Album in Deutschland seit 1975. © dpa
Doch so sehr er sich in seinen Liedern öffnet, sein Privatleben hält der Künstler möglichst privat. Weitgehend unbehelligt wohnt er in den Folgejahren mit Sohn Felix und Tochter Marie in London. Inzwischen hat er wieder einen Wohnsitz in Berlin, ...
Doch so sehr er sich in seinen Liedern öffnet, sein Privatleben hält der Künstler möglichst privat. Weitgehend unbehelligt wohnt er in den Folgejahren mit Sohn Felix und Tochter Marie in London. Inzwischen hat er wieder einen Wohnsitz in Berlin, ... © dpa
... wo auch sein Plattenlabel „Grönland Records“ sitzt. Er wolle seinen Künstlern vermitteln: „Arbeite in Ruhe, setze dich nicht unter Druck, wenn der Erfolg mal ausbleibt.“ Grönemeyer selbst macht die Erfahrung mit seinem englischsprachigen Album „I Walk“, das 2012 im Ausland erscheint und sich nicht durchsetzen kann.
... wo auch sein Plattenlabel „Grönland Records“ sitzt. Er wolle seinen Künstlern vermitteln: „Arbeite in Ruhe, setze dich nicht unter Druck, wenn der Erfolg mal ausbleibt.“ Grönemeyer selbst macht die Erfahrung mit seinem englischsprachigen Album „I Walk“, das 2012 im Ausland erscheint und sich nicht durchsetzen kann. © dpa
Für seinen Freund, den Fotografen und Regisseur Anton Corbijn, schreibt er den Soundtrack für dessen Filme „The American“ mit George Clooney und „A Most Wanted Man“ mit Philip Seymour Hoffman.
Für seinen Freund, den Fotografen und Regisseur Anton Corbijn, schreibt er den Soundtrack für dessen Filme „The American“ mit George Clooney und „A Most Wanted Man“ mit Philip Seymour Hoffman. © imago stock&people
Grönemeyer selbst bezeichnet sich als „ziemliche Frohnatur“. Er habe immer versucht, von Tag zu Tag zu leben, „das mache ich, glaub’ ich, auch heute noch“.
Grönemeyer selbst bezeichnet sich als „ziemliche Frohnatur“. Er habe immer versucht, von Tag zu Tag zu leben, „das mache ich, glaub’ ich, auch heute noch“. © imago stock&people
Das Leben finde jetzt statt. „Das ist die Schönheit des Lebens und das macht es auch aus. Genauso gemein ist es, wenn es Dir von jetzt auf gleich Mist beschert.“
Das Leben finde jetzt statt. „Das ist die Schönheit des Lebens und das macht es auch aus. Genauso gemein ist es, wenn es Dir von jetzt auf gleich Mist beschert.“ © dpa
Seit einigen Jahren ist der Sänger auch wieder glücklich verliebt. „Meine Traumfrau ist da“, sagte er im Januar in der ORF-Sendung „Frühstück bei mir“. Mit ihr wolle er den Rest des Lebens verbringen: „Der Wunsch ist, gemeinsam alt zu werden, und das sieht gut aus.“
Seit einigen Jahren ist der Sänger auch wieder glücklich verliebt. „Meine Traumfrau ist da“, sagte er im Januar in der ORF-Sendung „Frühstück bei mir“. Mit ihr wolle er den Rest des Lebens verbringen: „Der Wunsch ist, gemeinsam alt zu werden, und das sieht gut aus.“ © Getty Images
Alles Gute zum 60. Geburtstag, „Herbie“!
Alles Gute zum 60. Geburtstag, „Herbie“! © imago
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1984 erschien das Album, das diesen immer etwas tapsig wirkenden Mann wohlhabend und berühmt machte. „4630 Bochum“ verkaufte sich mehr als zweieinhalb Millionen Mal, den heiter-melancholischen Hit „Männer“ kennt bis heute jedes Kind, und mit dem Quasi-Titelsong „Bochum“ setzte er sich mit 28 sein eigenes Denkmal. Weshalb dieses Lied so übermenschlich groß wurde, das weiß er auch nicht. „Ich hatte damals bloß nach Themen gesucht, über die ich singen konnte“, erklärte Grönemeyer dem „Stern“, „und in Bochum kannte ich mich eben aus.“ Hauptberuflich hatte er bis dahin als Schauspieler gegolten, er drehte mit Wolfgang Petersen „Das Boot“, spielte Theater unter Peter Zadek und tanzte – jawoll! – unter Pina Bausch.

Was Grönemeyer durchlebt, durchleben fast alle früher oder später, in dieser Hinsicht ist er nicht speziell. Seine Einzigartigkeit liegt darin, diese Erlebnisse, Erfahrungen und Beobachtungen in Musik und Texte zu kleiden, die den Menschen viel bedeuten. Grönemeyers Lieder sind weder perfekt noch jedermanns Sache, aber eins sind sie nie gewesen: belanglos. Im Gegensatz zu vielen Kollegen schafft er es zudem, bei jeder Platte an seinen kreativen Schräubchen zu drehen: „Ich will im Alter nicht das Gefühl haben, ich hätte mich ausgeruht“ sagt er.

Sein größter Verlust war der Tod seiner Frau

Grönemeyer war seit 1978 mit der Schauspielerin Anna Henkel zusammen, wurde Vater zweier Kinder. Die Familie zog 1998 nach London, es hätte so weitergehen können. Kam aber alles anders. Anna starb im November 1998 an Brustkrebs. Tage zuvor war bereits sein Bruder der Leukämie zum Opfer gefallen. Plötzlich war Herbert Grönemeyer nicht mehr die kritische Frohnatur, sondern ein trauernder, alleinerziehender Vater. Er habe sich der Frage stellen müssen, wie man es schafft, „sich nach so einem Trauma wieder dem Leben zuzuwenden“.

Er hat es geschafft, aber es hat gedauert. Erst 2002 kam er zurück und brachte mit seinem Album „Mensch“ ein ganzes Land zum Weinen. „Mensch“ verkaufte sich noch häufiger als „4630 Bochum“, es ist sein erfolgreichstes Album.

Seit Jahren klingt jedes neue Album trotziger, beherzter, optimistischer als das vorherige. Seit dreieinhalb Jahren ist er wieder liiert, Josha heißt die Dame.

Klar, dass dieser Mann noch einiges vorhat. Ein Album mit den Berlinern Philharmonikern und ein Musical sind in Planung. Das nächste reguläre Album soll in zwei Jahren rauskommen. „Popmusik ist nach wie vor ein Jugendgeschäft“, so Grönemeyer zur Schweizer Zeitung „Blick“. „Ich denke, ich habe noch zehn gute Jahre.“ Seinem runden Geburtstag will Herbert Grönemeyer keineswegs aus dem Weg gehen. Der Mann flüchtet nicht, er stellt sich. Und das mit einiger Vorfreude. „Ich feiere ja generell gerne meinen Geburtstag.“