Berlin. Fieber nach der Chemo, genug Kraft fürs Radfahren – im Netz erzählen Krebsblogger vom Leben mit der Krankheit. Viola aus Hamburg ist eine davon.
Auf den meisten Fotos strahlt Viola in die Kamera wie die Frühlingssonne. Voller Lebensfreude posiert sie mit ihrem Hund Kira, schneidet Grimassen, knutscht einen Kakadu, prostet dem Betrachter zu oder gibt das „Moormonster“ und streckt – mit grüner Pflegemaske im Gesicht und bis zum Hals im Schaumbad – ihren Facebook-Fans die Zunge heraus.
Doch es gibt auch die anderen Fotos, die davon zeugen, dass Viola harte Zeiten durchmacht: tieftraurige Augen, erschöpfter, nachdenklicher Blick, Krankenhausbett, Narben und die Infusionskanüle für die Chemotherapie. Denn Viola hat metastasierenden Hautkrebs, eine aggressive Form, die streut und ihre Organe angreift. In ihrem Blog berichtet die heute 29-Jährige seit März 2014 von ihrer Krankheit. Mehr als 28.000 Menschen verfolgen ihren Blog auf Facebook.
Unter dem Titel „Diagnose Krebs – und der Kampf um mein Leben“ berichtet Viola von ihrer Krankheitsgeschichte, von ihrem Alltag, von außergewöhnlichen Ereignissen, die sie erleben darf. Fotos von sich in allen möglichen Situationen, ein paar geschriebene Worte, Video-Streams, in denen sie erzählt, wie die letzte Chemo verlaufen ist, wie es ihr geht, was als nächstes kommen wird – und in denen sie direkt mit ihren Fans interagiert und live auf Kommentare antwortet.
Im September 2012, so erfährt der Leser dort, hat Viola die Diagnose erhalten: schwarzer Hautkrebs. Da war sie 26. Die Krankheit stellte ihr Leben auf den Kopf. Chemotherapie, Operationen, Metastasen in der Lunge, im Kopf. Freunde und auch einige Familienmitglieder wenden sich von ihr ab, wussten nicht, mit Violas Erkrankung umzugehen, hat sie mal der Tageszeitung „taz“ erzählt. Der Blog sei so quasi zur Ersatzfamilie geworden.
Mut, Zuspruch und tröstende Worte
Ihre Fans schöpfen aus Violas Worten nicht nur selbst Kraft, sondern spenden auch der Bloggerin tröstende Worte. Sie geben ihr Mut, Zuspruch. Hoffen und bangen gemeinsam mit ihr. „Freu mich, wenn’s dir wieder besser geht. Hoffe, dich bald wieder live zu sehen“, schreibt eine Nutzerin in Vorfreude auf ein neues Video. Als Viola von heftigen Nebenwirkungen der Chemo berichtet, kommentiert ein Fan namens Ronald: „Ich kann mich nur wiederholen: Meinen allergrößten Respekt! Unglaublich, wie du damit umgehst.“ Und eine Heike wünscht ihr: „Ich denke viel an dich und schick dir meine Kraft ... dass deine niemals endet.“
So viel Viola auch von sich preisgeben mag, nicht alles erfährt der Leser ihres Blogs. Die dunkelsten Schattenseiten der Krankheit bleiben verborgen. Von den psychischen Problemen gerade in der Anfangszeit ihrer Krankheit ist ihr – zumindest öffentlich – heute nichts mehr anzumerken. Dass das Morphium sie aggressiv gemacht und dass sie bereits einen Morphium-Entzug hinter sich habe, erzählte sie aber vor gut einem Jahr der „taz“. Und dem „Stern“ sagte sie: „Ich brauche keine Psychotherapie. Ich habe meine eigene, und das ist mein Blog.“
Viele Krebsblogger berichten über ihren Alltag mit der Krankheit
Viola ist bei weitem nicht die einzige Krebspatientin, die über ihre Krankheit bloggt. „Marie gegen Krebs“, „Mein BRUST krebs“, „Kein Weg zu weit: Cancelling Cancer“, „Fuck off Henry“, „Berit hat den Krebs geknackt“ heißen sie – nur ein winziger Ausschnitt der Vielzahl an Blogs, die sich in Windeseile über Suchmaschinen im Internet finden lassen. Manche von den Bloggern haben den Kampf mittlerweile verloren. „Meine Liebste, du bis nicht mehr da. Nun liegt es an mir, deinen Blog zu Ende zu schreiben“, lautet etwa der Eintrag, mit dem Irenes Blog beginnt. Am 9. Mai 2012 ist sie gestorben.
Einer der vielleicht prominentesten deutschen Krebsblogger war der Schriftsteller Wolfgang Herrndorf („Tschick“). Unter dem Titel „Arbeit und Struktur“ führte er seit der Diagnose 2010 bis zu seinem Tod ein digitales Tagebuch über sein Leben mit der tödlichen Krankheit. Anders als viele andere Krebsblogger konnte er aus seinem Blog jedoch keine Kraft schöpfen, um zu leben. Sein Tagebuch endet, als Herrndorf seinem Leben im August 2013 selbst ein Ende setzte. Es ist inzwischen als Buch erschienen.