Düsseldorf. Anwälte der Hinterbliebenen des Germanwings-Absturzes bereiten eine Klage in den USA vor. Doch die Fluggesellschaft stellt sich quer.
Im Streit um Entschädigungszahlungen an die Angehörigen der Opfer des Germanwings-Unglücks will die Fluggesellschaft nicht mit US-Anwälten verhandeln. „Germanwings wird keine Verhandlungen mit US-amerikanischen Anwälten führen, da weder amerikanisches Recht Anwendung findet noch sich ein Gerichtsstand in den USA begründen lässt“, hieß es in einer am Freitag in Köln veröffentlichten Stellungnahme der Gesellschaft.
Der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Christof Wellens, der einen großen Teil der Betroffenen vertritt, hatte zuvor mitgeteilt, dass eine beauftragte US-Kanzlei voraussichtlich noch im März Klage bei einem US-Gericht einreichen werde.
Klage soll sich gegen Flugschule in USA richten
Die millionenschwere Zivilklage werd sich gegen die Flugschule der Lufthansa in Arizona/USA richten, so Anwalt Wellens. In Goodyear nahe Phoenix sitzt die Flugschule für die angehenden Lufthansa-Piloten. Dort sei auch Kopilot Andreas Lubitz ausgebildet worden, der den Ermittlern zufolge die Maschine absichtlich zum Absturz gebracht hat.
„Lubitz hat seine Pilotenausbildung 2009 wegen psychischer Probleme unterbrochen. Aus unserer Sicht hätte er danach keine Fluglizenz bekommen dürfen“, sagte Wellens. Lubitz stammte aus Montabaur im Westerwald. Vom Anwalt Elmar Giemulla, der auch zahlreiche Hinterbliebene vertritt, erfuhr unsere Redaktion, dass es durchaus möglich ist, dass auch Vertreter der amerikanischen Flugsicherheitsbehörde FAA vorgeladen würden. Die FAA hatte Lubitz nach dessen Ausbildung eine Fluglizenz für den amerikanischen Luftraum und die Arbeit bei amerikanischen Fluglinien ausgestellt.
In den USA könnten pro Absturzopfer bis zu fünf Millionen Dollar geltend gemacht werden. Die Ansprüche müssten aber individuell begründet und errechnet werden, sagte Wellens. Es gehe um Schmerzensgeld, wirtschaftliche Verluste, Unterhaltsansprüche, Kosten für die Reisen zu den Gräbern sowie die Kosten für die psychologische Betreuung. Eine Gesamthöhe der Ansprüche nannte Wellens nicht.
Germanwings: Anwälte verzögern Zahlungen
Laut Germanwings verlaufen die Entschädigungsgespräche mit den meisten Hinterbliebenen-Anwälten „positiv und vertrauensvoll“. „Leider werden durch eine geringe Anzahl von deutschen Anwälten, die aber relativ viele Hinterbliebene vertreten, erforderliche Informationen zur Berechnung der materiellen Ansprüche, insbesondere zu Unterhaltsansprüchen, trotz wiederholter Bitten bisher nicht erteilt“, hieß es seitens der Fluggesellschaft am Freitag.
Dieses Vorgehen verzögere die Klärung offener Fragen und habe für die Angehörigen keine Vorteile, so die Fluggesellschaft. „Germanwings und Lufthansa haben größtes Interesse daran, den Angehörigen die Ihnen zustehenden Schadensersatzzahlungen so schnell wie nur irgendwie möglich zukommen zu lassen“, hieß es weiter.
Erstes Angebot der Lufthansa als zu niedrig abgelehnt
Auch Wellens und der Berliner Rechtsanwalt Elmar Giemulla vertreten Angehörige von Opfern des Unglücks vom 24. März 2015. Entschädigungsangebote des Germanwings-Mutterkonzerns Lufthansa hatten sie als zu niedrig abgelehnt. In den USA sei teilweise mit dem 20- oder 30-fachen Entschädigungsbetrag des deutschen Schadenersatzrechts zu rechnen. Die Klage in den USA betreut die New Yorker Anwaltskanzlei Kreindler&Kreindler. Die Kanzlei ist nach eigenen Angaben auf Luftfahrtrecht und Schadenersatzklagen spezialisiert.
In einem Verfahren, das im April 2015 beendet wurde, hatten Anwälte der Kanzlei Schadenersatz von der Football-Liga NFL erstritten. Spieler hatten wegen bleiben Gehirnschäden durch Sportverletzungen geklagt. Die Vorgeschichte zu dieser Rechtsstreitigkeit wird in dem Kinofilm „Erschütternde Wahrheit“ mit Will Smith in der Hauptrolle thematisiert.
Maschine zerschellte – 150 Menschen starben
Für jedes Opfer war nach Angaben von Germanwings eine Soforthilfe von 50.000 Euro gezahlt worden. Dazu sollen 25.000 Schmerzensgeld für jeden Toten gezahlt werden. Nächste Angehörige sollten ohne weitere Prüfung 10.000 Euro bekommen. Dies lehnten die Anwälte als zu niedrig ab.
Die Germanwings-Maschine war bei dem Flug 4U9525 von Barcelona nach Düsseldorf an einem Berg zerschellt. Die Ermittler halten es für erwiesen, dass der Kopilot das Flugzeug absichtlich auf Crashkurs steuerte. Alle 150 Menschen an Bord starben. (dpa/ac)
Der Germanwings-Absturz – eine Chronik