Oscars: Leo hat ihn endlich – Chris Rock ist Held des Abends
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Los Angeles. Leo bekam endlich seinen Oscar und „Spotlight“ ist bester Film des Jahres – alles unwichtig. Der Star des Abends ist der Moderator.
Eigentlich geht es ja nur immer um die Öffnung der magischen Kuverts. Und die Frage, an wen der Goldbube geht. Nicht so bei der 88. Oscar-Verleihung, die in der Nacht zu Montag im Dolby Theatre in Los Angeles zelebriert wurde. Da war zum ersten Mal die Verpackung wichtiger als der Inhalt. Denn nachdem einmal mehr keine schwarzen Schauspieler nominiert waren, Jada Pinkett-Smith darauf zu einem Boykott aufrief und auch Spike Lee, Ehrenoscar-Träger des Jahres, demonstrativ fernblieb, stürzte die Oscar-Academy in die vielleicht tiefste Krise, die sie je erlebt hat. Eine Sinnkrise nicht von außen, sondern aus dem Inneren heraus. Die Academy hat schlagfertig reagiert, indem sie Chris Rock als Moderator aus dem Ärmel zückte. Die Frage war nur, wie sich der afroamerikanische Comedian schlagen und wie er auf den Boykott-Aufruf reagieren würde. Diese Nacht war deshalb seine große Stunde. Chris Rock hat den Oscar gerockt. Und dessen Ehre gerettet.
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Keine Höflichkeitsfloskeln. Kein langsam drauf hinarbeiten. Rock kam gleich zur Sache. Er hieß die Gäste erst mal – in, jawohl, weißer Smoking-Jacke – zur „White People’s Choice Award“ willkommen. Beantwortete die Frage, ob der Oscar rassistisch sei, mit einem klaren Ja. Aber das sei schließlich nichts Neues, das habe es Jahrzehnte lang gegeben. Warum habe man nicht früher schon gegen den Oscar protestiert? Weil man damit beschäftigt war, nicht vergewaltigt oder gelyncht zu werden. Sein Gegenvorschlag, wie man das wiedergutmachen könne: Bei der Gedenkminute für die Toten des Jahres sollte man nur Schwarzen gedenken. Dener, die auf dem Weg zum Kino von Polizisten erschossen wurden. Rocks Kommentare waren so bissig und böse, dass einem das Lachen im Hals stecken blieb.
Chris Rocks schwierige Aufgabe
Es war ein Riesenspagat, den der 51-Jährige da vollbringen musste. Die Academy versöhnen und vereinen. Und doch die Black Community nicht verprellen. Es stimmt schon, man mochte an diesem Abend nicht in der Haut von Jada Pinkett Smith stecken. Rock ging sie hart an. Aber es gelang ihm doch, die Misstöne im Vorfeld gehörig aufs Korn zu nehmen, um trotzdem am Ende ein Plädoyer für mehr Vielfalt zu halten. Diversity war das Zauberwort des Abends.
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Fast krampfhaft suchte die Kamera auch im Saal immer wieder Menschen mit dunkler Hautfarbe. Wie um zu beweisen: Sie sind doch gekommen. Und noch nie standen so viele Afroamerikaner als Präsentatoren auf der Bühne. Eine einzige Solidaritätsbekundung. Und nie ließ Rock locker, immer wieder kam er auf das Thema zurück. Etwa wenn er die großen Filme des Jahres in einem herrlichen Einspielfilm noch mal mit Schwarzen besetzen ließ und sich dabei die Unterstützung von Whoopi Goldberg holte, die als Putzfrau durch diese Filme wischte. Später zelebrierte er eine „Black History Month Minute“, um nicht Will Smith zu huldigen, sondern – Jack Black. Oder er machte eine Umfrage vor einem Kino in einem schwarzen Vorort von Los Angeles, wo keiner die Oscar-Favoriten des Jahres gesehen hatte, alle aber den Schwarzenfilm „Straight Outta Compton“, der nur einmal nominiert war – und leer ausging. Mit derlei Späßen und Einfällen rettete Chris Rock den Abend.
Zwölffach nominierter Film „The Revenant“ holt drei Oscars
Ach ja, die Preise. Die gab es natürlich auch. Und auch da schien die Academy beweisen zu wollen, dass sie alles richtig macht. Zwar schien der Abend zunächst ausgerechnet „Mad Max: Fury Road“ zu gehören, der nicht nur den großen Favoriten „The Revenant“, sondern auch den anderen Special-Effekt-Film, „Star Wars“, alt aussehen ließ. In so ziemlich jeder Nebensparte gewann das Actionspektakel, so dass sogar beim besten Dokumentarkurzfilm zunächst ironisch „Mad Max“ als Sieger genannt wurde. Mit insgesamt sechs Preisen ist George Millers Alterswerk ganz klar der Sieger nach Punkten. „The Revenant“, der mit zwölf Nominierungen als klarer Favorit ins Rennen ging, kam dagegen nur auf drei Auszeichnungen. Aber in den wichtigeren Sektionen Kamera, Regie und Hauptdarsteller. Als bester Film indes wurde am Ende „Spotlight“ ausgezeichnet, Tom McCarthys aufrüttelnder Film über die Aufdeckung von sexuellen Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche. Schon merkwürdig: Den Hauptpreis bekam ein Film, der sonst nur noch in der Kategorie Drehbuch siegte, nicht aber bei den Schauspielern, nicht bei der Kamera, nicht beim Schnitt. Aber damit siegte am Ende weder das pure Spektakel noch ein reiner Überlebenskampf, sondern ein politisches Thema.
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Einige Überraschungen gab es doch an diesem Abend. Dass Mark Rylance, der einen russischen Spion in den USA spielte, Sylvester Stallone als Alt-Rocky als bester Nebendarsteller schlug. Es war der einzige Oscar, der an Spielbergs Berlin-Thriller „Bridge of Spies“ ging. Und damit an einen von Babelsberg koproduzierten Film. Production Designer Bernhard Henrich ging dagegen ebenso leer aus wie der deutsche Kurzfilmregisseur Patrick Vollrath. Sam Smith siegte tatsächlich beim besten Filmsong, obwohl sein Bond-Song „Writing’s on the Wall“ der schlechteste der Annalen ist. Und der eine Altmeister Ennio Morricone stach überraschend den anderen Altmeister John Williams als Komponist aus. Es ist wohl das erste Mal, das jemand zu-erst einen Ehren-Oscar gewinnt und dann Jahre später noch mal einen regulären.
DiCaprio holt langersehnten Oscar
Die meisten Preise aber waren genauso erwartet und prophezeit worden. Die noch weithin unbekannte Brie Larson stach für den Thriller „Der Raum“, der in Deutschland erst am 17. März startet, die großen Stars als beste Schauspielerin aus, worauf alle Wettbüros vorab getippt hatten. Und ja, auch Leonardo DiCaprio bekam schließlich seinen Oscar, im fünften Anlauf, und der ganze Saal stand auf, um zu applaudieren, wie um wiedergutzumachen, dass er so oft leer ausgegangen war.
Leo dankte mit zunächst recht belanglosen Worten, bis er sich zu einer flammenden Rede für die Rettung dieser Welt steigerte, seit langem ein großes Anliegen des Muster-Grünen von Hollywood. Plötzlich ging es auch um andere relevante Themen an diesem Abend. Auch als die Produzenten von „Spotlight“ ganz zuletzt den Missbrauch von Kindern geißelten, wofür zuvor schon kein Geringerer als Joe Biden, der Vizepräsident der Vereinigten Staaten, als Sprachrohr auf die Bühne gekommen war.
Das Versöhnlichste zu dem großen Thema Rassismus kam schließlich von dem Mexikaner Alejandro González Iñárritu, der wie im Vorjahr den Regie-Preis gewann, als er der Hoffnung Ausdruck verlieh, dass die Farbe deiner Haut einmal so unwichtig werden könnte wie die Länge deines Haars. So politisch, so provokativ, so politisch unkorrekt ist der Oscar lange nicht gewesen. Es ist, als hätte ihn der „SoWhite“-Vorwurf aus einem Dornröschenschlaf gerissen.
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