London/Bangkok. Lara Casalotti brauchte für eine Knochenmarkspende einen genetischen Zwilling. Ein Wunder musste her. Im Internet wurde es wahr.

Die Beschwerden kamen schleichend. Erst schmerzte Lara Casalottis Bein, dann die Hüfte. Als die 24-jährige Londoner Studentin im vergangenen Dezember schließlich einen Arzt aufsuchte, kam die niederschmetternde Diagnose: Lara litt an einer aggressiven Form von Blutkrebs, der akuten myeloischen Leukämie (AML). Um zu überleben, brauche sie binnen vier Monaten eine Knochenmarktransplantation, prognostizierten die Mediziner damals. „Das war ein großer Schock“, sagt Lara.

Die Übertragung von Knochenmark ist oft die einzige Chance, die gefährliche Erkrankung zu heilen. Doch für die Transplantation brauchen Patienten Zellen eines Menschen mit übereinstimmenden Gewebemerkmalen, eines sogenannten genetischen Zwillings.

Eltern haben thailändisch-chinesische und italienische Wurzeln

Die Erfolgsaussicht ist unter Menschen gleicher Herkunft höher. Doch Laras Eltern haben thailändisch-chinesische und italienische Wurzeln. Dieser ethnische Mix erschwerte die Suche nach einem passenden Stammzellenspender deutlich. Weltweit gibt es zwar mehr als 25 Millionen registrierte Spender, aber nur wenige von ihnen haben einen ähnlichen genetischen Hintergrund wie Lara.

Ein Drittel der Kranken, unter denen viele Kinder und Jugendliche sind, findet einen Spender in der eigenen Familie. Lara hatte dieses Glück nicht, auch ihr einziger Bruder Seb kam als Spender nicht infrage. Die junge Frau war – wie der Großteil der Patienten – auf Hilfe von Fremden angewiesen. Die Aussicht auf einen passenden Spender ist nach Angaben der Deutsche Knochenmarkspenderdatei (DKMS) nicht allzu hoch: Generell findet demnach jeder fünfte Patient keinen Spender. Für Lara mit ihrem besonderen genetischen Hintergrund standen die Chancen auf Rettung nach Angaben ihrer Angehörigen äußerst schlecht.

David Cameron setzte sich ein

Doch Familie und Freunde ließen sich nicht entmutigen und nahmen die Fahndung nach einem Retter selbst in die Hand. Es begann die sprichwörtliche Suche nach der Nadel im Heuhaufen: In einer großen Kampagne „Match4Lara“ (Treffer für Lara) riefen sie via Videobotschaften, Facebook und Twitter Menschen in aller Welt auf, sich als Stammzellenspender zu registrieren. Sogar Harry Potter-Autorin J.K. Rowling und der britische Premier David Cameron machten sich für Lara stark – mit Erfolg.

Lara Casalotti vor ihrer Krebserkrankung.
Lara Casalotti vor ihrer Krebserkrankung. © match4lara.com

Allein in Großbritannien meldeten sich binnen Wochen mehr als 20 000 neue Spender, wie die Blutkrebsstiftung „Anthony Nolan“ mitteilt. Der Anstieg sei „beispiellos“, erklären die Organisatoren. Die Registrierung ist simpel: Wangenabstrich oder Blutprobe reichen. Selbst die Transplantation erfolgt meist ohne OP, und Spender bleiben nach DKMS-Angaben anonym.

Selbst im weit entfernten Thailand trieb Laras Verwandtschaft die Kampagne voran: Mönche, Soldaten und Studenten standen Schlange, um in Datenbanken aufgenommen zu werden - und möglicherweise ein Leben zu retten. „Die Resonanz war phänomenal“, erzählt Lara und ihre Augen leuchten. Aus aller Welt hätten ihr Menschen geschrieben und ihre eigenen Schicksale geteilt. „Es war sehr berührend“, sagt sie.

Einsatz für Knochenmarkspenden geht weiter

Anfang Februar kam endlich die Erlösung: Lara fand einen passenden Spender. „Es ist unglaublich und wunderbar, dass diese Person eine unter 25 Millionen ist“, freut sich die junge Frau in einer Videobotschaft auf Youtube. „Wenn alles nach Plan läuft, kann ich mich bald der Transplantation unterziehen“, fügt sie hinzu.

Doch bei dem einen Treffer soll es nicht bleiben. Lara will weiter auf die Knochenmarkspende aufmerksam machen und vor allem genetische Zwillinge ethnischer Minderheiten vermitteln. „Es ist wirklich wichtig, dass die Leute sich als Spender registrieren lassen“, betont sie: „Sie könnten jemanden retten, der in einer ähnlichen Situation ist wie ich.“

Dass die bedrückende Situation zur lebensbejahenden Mission wurde, erleichtert auch ihren Bruder Seb. „Es ist ein gemeinsamer Erfolg, die Menschen haben für Lara und Tausende andere da draußen etwas bewirkt“, sagt der 20-Jährige und ermutigt jeden, sich registrieren zu lassen. In diesem Fall sei helfen so einfach, betont Seb, „wie in einen Becher zu spucken“. (dpa)