Berlin. Am Valentinstag dreht sich alles um die Liebe. Doch ist der Tag wirklich wichtig für Beziehungen? Psychiater Josef Aldenhoff klärt auf.

Jedes Jahr rückt der Termin näher und näher: der Valentinstag. Am Sonntag ist es wieder soweit. Dann bekunden Männer und Frauen ihre Liebe zum Partner, zur Mama oder zur besten Freundin. Doch ist dieser Tag wichtig für Beziehungen? Und was müssen Partner tun, um eine gute Beziehung zu führen? Antworten hat Josef Aldenhoff. Er ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und arbeitet als Therapeut. In seinem Buch „Ich und Du – Warum?“ schreibt er über Liebe und Leidenschaft. Unserer Redaktion hat er erklärt, ob es eine Gebrauchsanweisung für die Liebe gibt.

Wir Menschen wünschen uns romantische Liebe, tollen Sex, gemeinsames Altwerden – und das mit nur einer Person. Aber Monogamie kommt in der Evolution nicht vor. Das klingt nach einer großen Herausforderung.

Josef Aldenhoff: Es ist ja nicht nur die Monogamie nicht vorhanden. Unsere Vorfahren haben viel kürzer gelebt, auch noch vor 100 Jahren war die Lebenserwartung geringer – es gab Krankheiten und Kriege. Die Chance auf ein langes gemeinsames Leben zusammen ist also neu. Doch unsere psychologisch-biologische Ausstattung entspricht dem nicht. Wir sind gut, um uns zu verlieben, um Kinder zu machen, aber dann wird es schwieriger.

Das heißt?

Aldenhoff: Wenn Sie eine lange Beziehung wollen, die schön ist, leidenschaftlich ist und hält, dann müssen Sie was dafür tun.

Gibt es eine Gebrauchsanweisung für die Liebe?

Aldenhoff: Man sollte nicht den Anspruch haben: „Es muss werden, wie ich mir das jetzt gerade vorstelle.“ Man muss in der Lage sein, sich auf den anderen Menschen einzulassen und aus Gemeinsamkeiten etwas zu schaffen, das Stand hält. Wichtig ist es auch, mit Nähe und Distanz richtig umgehen zu können. Hinzu kommt: Unser Gehirn findet das richtig toll, was neu ist. Es wäre gut, wenn man in Beziehungen diesen nichtbekannten Teil beibehalten könnte – das man nicht alles direkt auspackt, neue Dinge ausprobiert, die Aufregung beibehält.

Haben die Menschen in unserer modernen Welt keine Lust mehr auf die „Arbeit“, die eine Beziehung mit sich bringt? Oder ist es nur einfacher geworden, sich zu trennen?

Aldenhoff: Es ist einfacher geworden. Und das ist gut so. Schade ist, dass es in vielen Fällen aber auch dazu führt, dass Menschen die Ausdauer nicht mehr aufbringen, für eine Beziehung zu kämpfen.

„Ich und Du – Warum?“ – das neue Buch von Josef Aldenhoff.
„Ich und Du – Warum?“ – das neue Buch von Josef Aldenhoff. © C. Bertelsmann Verlag

Weil Menschen faul sind?

Aldenhoff: Ja, und weil man Angst vor Auseinandersetzungen hat. Weil man nicht gelernt hat, miteinander zu reden.

Wie würden Sie Liebe definieren?

Aldenhoff: Das klingt jetzt vielleicht altmodisch oder romantisch, aber Liebe ist immer ein Geschenk. Es ist nicht etwas, was ich aktiv steuern oder kontrollieren kann. Und ich kann es nicht käuflich erwerben. Das spielt in unserer Gesellschaft eine ganz zentrale Rolle, weil wir uns sonst alles kaufen können. Aber dem entzieht sich Liebe. Kleine Geschenke erleichtern die Sache zwar manchmal, aber Liebe ist nicht zu kaufen. Dadurch ist sie etwas einmalig Kostbares.

Wann man Liebe nicht aktiv steuern kann, woran merke ich denn, dass ich verliebt bin?

Aldenhoff: Wenn Sie nicht mehr so richtig rational denken können. Sie merken, dass Ihr ganzes Denken nur noch um diese eine Person kreist. Sie wollen nur mit dieser Person zusammen sein.

Kann ich auch in zwei Personen gleichzeitig verliebt sein?

Aldenhoff: Das ist eine schwierige Frage. Es gibt den Film „Her“ mit Joaquin Phoenix. Da verliebt er sich in sein Computer-Betriebssystem. Irgendwann kommt er auf den Trichter, die hat noch mehrere Beziehungen und fragt sie: „Hast du noch andere Kontakte?“ Sie antwortet: „Ja, du weißt doch, man kann mehrere Personen gleichzeitig lieben.“ Bei ihr sind es dann eben 600, weil ein modernes Betriebssystem das kann. Menschen können nicht die gleiche Erfüllung von Liebe gleichzeitig zu zwei verschiedenen Personen empfinden. Aber es gibt unterschiedliche Formen der Zuneigung: Man kann in den einen leidenschaftlich verliebt sein und trotzdem Zuneigung zu jemand anderem empfinden.

Wie findet man die Liebe?

Aldenhoff: Man sollte nicht krampfhaft suchen. Wenn Sie verzweifelt suchen, dann merkt man Ihnen das an. Aber wenn Sie offen sind, dann ist das schon mal ganz gut. Ich glaube, dass Internetportale wie „Parship“ oder „ElitePartner“, eine gute Voraussetzung dafür sind, um Menschen kennenzulernen, die auch an einer Beziehung interessiert sind. Aber Sie müssen sich dann auch treffen, sich in die Augen sehen und langsam herantasten – das bleibt Ihnen nie erspart. Aber das ist auch das Schöne daran.

Und im hohen Alter? Wie lerne ich da jemanden kennen?

Aldenhoff: Genauso. Ich bin jetzt auch 67 und habe vor einem Jahr jemanden kennengelernt. Wenn man älter wird, wird man empfindlicher, sensibler. Es ist dann nicht so leicht, sich auf etwas Neues einzulassen, weil man an den Gewohnheiten festhält. Ich habe mal mit einem 85-jährigen Pärchen zu tun gehabt, die furchtbar unglücklich waren, weil sich der Mann in eine andere Frau verliebt hatte – und zwar heftig. Die Intensität hat mit dem Alter nichts zu tun.

Die große Liebe finden: Was halten Sie von Dating-Apps wie Tinder?

Aldenhoff: Für den aktuellen Kick ist es natürlich auch ein Weg, um in Kontakt zu kommen. Aber ich glaube, da müssen Sie schon sehr genau gucken. Bei den klassischen Partnerportalen erfahren Sie viel mehr – über Hobbys, aktuelle Kinderzahl. Bei Tinder erfahren Sie ja im Zweifelsfall nicht mal, ob die Person in einer Beziehung ist oder nur einen Zeitvertreib sucht.

Wenn Menschen jahrelang alleine sind, wird es dann irgendwann schwierig, jemanden kennenzulernen?

„LIebe ist immer ein Geschenk“, sagt Josef Aldenhoff.
„LIebe ist immer ein Geschenk“, sagt Josef Aldenhoff. © C. Bertelsmann Verlag

Aldenhoff: Es kann sein. Aber ich glaube, Alleinsein muss man können und es ist gut, wenn man alleine sein kann. Ich würde sogar sagen, das ist eine Voraussetzung für Beziehungen, weil Sie sich nur dann richtig einbringen können. Aber natürlich wird es irgendwann nervig. Und wenn Sie gerne eine Beziehung hätten und das klappt nicht, dann kommen Sie schon in einen Sehnsuchtszustand. Aber man sollte sich nicht entmutigen lassen. Warum und wie lange man alleine ist, hat nichts mit der eigenen Attraktivität zu tun – davon sollte man wegkommen.

Man ist verliebt – doch der andere erwidert die Liebe nicht. Was tun?

Aldenhoff: Dann muss man werben. Da sollte man nicht zu schüchtern sein. Wenn Sie jemanden finden, der frei ist und nur noch nicht begriffen hat, wie toll Sie sind, dann muss man ihm das eben klarmachen.

Wie werbe ich denn am besten?

Aldenhoff: Sie sollten von sich selbst überzeugt sein, Selbstbewusstsein haben. Nichts schlägt eine Person, die selbstbewusst auftritt. Und dann müssen Sie sich kennenlernen, Sie müssen Dinge gemeinsam machen. Vielleicht bin ich altmodisch, aber ich finde, man sollte sich mit dem Sex ein bisschen Zeit lassen. Aber allgemeine Regeln gibt es da nicht.

Welche Erwartungen darf ich an die Liebe stellen?

Aldenhoff: Es ist schwierig mit konkreten Erwartungen. Das ist oft ein Problem. Wichtig ist Offenheit. Man muss in der Lage sein, den anderen so wahrzunehmen, wie er wirklich ist. Und dann muss ich gucken, ob seine Art und Weise mit meinen Bedürfnissen aufeinander passt.

Also muss ich meinen Partner so akzeptieren, wie er ist?

Aldenhoff: Ja, unbedingt. Sie können erwachsene Menschen nicht mehr ändern. Man kann über bestimmte Dinge reden und wenn man zusammenzieht, muss man bestimmte Dinge absprechen – wie geht man mit dem Geld um, wer macht die Wäsche. Aber wenn Sie jemanden kennengelernt haben und feststellen, der hat bestimmte nervige Eigenschaften, vergessen Sie es! Glauben Sie nicht, dass Sie das ändern können.

Reden ist also wichtig. Aber was ist mit Sex? Und was ist, wenn der schlecht ist?

Aldenhoff: Ja, Sie können natürlich viel reden, aber die körperliche Attraktion spielt eine große Rolle. Wenn der Sex schlecht ist, hat das oft mit der eigenen Anspruchshaltung zu tun. Das sehe ich auch bei meinen Klienten. Die Ansprüche sind oft sehr abstrakt, die kommen aus Filmen oder der Presse. Viele denken, Sex muss so und so sein, aber das ist natürlich Quatsch. Sex ist immer dann gut, wenn man sich auf den anderen einlässt, experimentiert und sich anziehend findet.

Kann sich aus Freundschaft Liebe und aus Liebe wieder Freundschaft entwickeln?

Aldenhoff: Schwierig. Ich glaube, Freundschaft ist eine andere Art von Beziehung. Aus Freundschaften können sich Liebesbeziehungen entwickeln, das gibt es. Aber wenn Beziehungen auseinandergehen und dann wollen beide Freunde bleiben – das halte ich für eine schlechte Idee. So etwas kann sich nach ein paar Jahren entwickeln. Aber wenn eine Liebesbeziehung, die Ihnen wichtig war, auseinandergeht, dann müssen Sie sich distanzieren. Sie müssen trauern. Und das geht nicht, wenn der andere dann ständig zum Kaffee vorbeikommt und was von seiner neuen Freundin erzählt. Eine Katastrophe.

Für viele Menschen wird der Valentinstag immer wichtiger. Sollte man Wert auf diesen Tag legen?

Aldenhoff: Ich bin da sehr skeptisch. Ich finde, Geschenke sind toll. Aber der eigentliche Kick ist doch die Überraschung – wenn ich etwas bekomme, womit ich nicht gerechnet habe. Und wenn ich einen festen Tag habe, machen sich an diesem Tag ganz viele Erwartungen fest. Man darf es nicht zu Ernst angehen. Vielleicht ist der Valentinstag eine gute Erinnerung für viele Beziehungen – „Ach, ich könnte ja mal wieder einen Blumenstrauß mitbringen“ – und das ist dann ganz nett. Aber es darf sich kein Zwang entwickeln.

Wie können Paare die Liebe frisch halten und verhindern, dass es auseinandergeht?

Aldenhoff: Wenn es an Konflikten liegt, über die Sie nicht reden können oder mögen, ist das gefährlich für eine Beziehung. Man sollte Konflikte nicht chronisch werden lassen und unter den Teppich kehren. Wenn andere Dinge in den Vordergrund rücken, kann das normal sein. Wenn Sie vielleicht kleine Kinder haben, ist ziemlich klar, dass Ihre Liebesbeziehung nicht mit der gleichen Intensität weiterläuft wie bisher. Das muss aber beiden klar sein. Trotzdem muss man sich auch in diesen Phasen aktiv Zeit füreinander nehmen und versuchen einen Babysitter zu engagieren.

Wenn es wirklich vorbei ist, wie trennt man sich richtig?

Aldenhoff: In der Regel wäre es richtig, festzustellen, dass es nicht die Schuld oder Gemeinheit des Partners ist. Meist hat die Beziehung einfach das, was das Leben so mit sich gebracht hat, nicht ausgehalten. Und es wäre gut, offen darüber zu reden und den anderen nicht für den eigenen Frust büßen zu lassen. Aber das Allerwichtigste ist, die Kinder nicht einzubeziehen.