Washington. .
Lust auf einen untypischen Fernseh-Schalk nach den „Tagesthemen“ und vor dem Schlafengehen? Interesse an lockerer Plauderei, 1a-Gästen, absurden Spielchen und exzellenter Musik? Heute kommt mit Jimmy Fallon Amerikas quotenträchtigster Spätnachtmoderator in die deutschen Wohnzimmer. Seine „Tonight Show“ läuft montags bis freitags ab 23 Uhr auf dem ARD-Digitalsender Einsfestival im amerikanischen Original mit deutschen Untertiteln. Keine Bange: Mit sarkastischer Gesellschaftskritik à la David Letterman, die einst Harald „Dirty Harry“ Schmidt kopierte, nach Deutschland importierte und bis ins Dadaistische verformte, hat der erfolgreichste Absacker auf dem umkämpften US-Fernsehmarkt nichts gemein. Fallon will nur spielen, bevor er sein Publikum in die Nacht entlässt. Und das macht er verdammt gut.
Seit er die Show vor zwei Jahren vom legendären Jay Leno übernommen und von Los Angeles nach New York verfrachtet hat, ist aus dem angejahrten Mutterschiff der Spätabendunterhaltung (Fallon ist der sechste Gastgeber) ein wendiger Unterhaltungsdampfer geworden. Slapstick, Ganzkörperkomik und Stegreifbrillanz dominieren. Tiefschürfende Ironie ist ausgemustert. Dafür ist Musikalität Pflicht.
Für Michelle Obama schmiss sich Jimmy Fallon in ein Haushaltskleid
Wenn es gilt, Prominente zu imitieren, den neuesten Tanz zu persiflieren oder improvisatorisch einen Hit nachzusingen, stellt der Vater zweier Mädchen, der mit seiner Frau Nancy weit vor den Toren Manhattans lebt, nicht selten seine Gäste in den Schatten. Legendär ist bis heute das Meisterwerk, in dem sich Jimmy Fallon mit Popstar Justin Timberlake in wenigen Minuten genialisch und stilsicher durch die Geschichte des Rap singt. Ebenso populär war Fallons „Mama“-Tanz zusammen mit First Lady Michelle Obama. Fallon verkleidete sich als Hausfrau und ließ sich von der Präsidentengattin zeigen, wie Frauen mittleren Alters zu R&B-Klängen schwofen. Immer dabei mit von der Partie: die exquisite Hip Hop-Band „The Roots“ um den Trommler Questlove. Sie geben der Show das musikalische Rückgrat und sind auch als Soloband jeden Eintrittspreis wert. Fallon, Jahrgang 1974, in Bay Ridge, Brooklyn, geboren, Schulabbrecher, entwickelte schon als Knirps die Fähigkeiten, die ihn heute herausheben aus der Zunft derer, die Amerika wochentags mit einer launigen Reprise des Tages, gut verdaulichen Witzen und Musik in die Federn quasselt. Er kann ungemein charmant und witzig sein. Er kann atemverschlagend gut Stars nachmachen. Und er ist, anders als etwa der von Ehrgeiz zerfressene Stefan Raab, eine angenehme Spielernatur, die keine Scheu kennt, sich mit Albernheiten vor laufender Kamera selbst zum Heiopei zu machen.
Fallon startete bei „Saturday Night Live“, der US-Talentschmiede
Dass er regelmäßig die Creme des Showgeschäfts auf sein Studio-Sofas gelotst kriegt, liegt an einer Nahbarkeit und Empathie, die selten ist. Fallon will niemanden zum Depp machen. Es reicht ihm, wenn er selbst der größte Depp ist, über den man am meisten lacht. Sicheres Indiz fürs Gelingen: Wenn sein Mitstreiter Steve Higgins, ein Mann mit Brille, Bauchansatz und kieksiger Stimme, der unregelmäßig von der Seite reinraunzt, vor Lachen keine Luft mehr bekommt.
Jimmy Fallon ist ein Produkt aus der Talentschmiede „Saturday Night Live“. Sechs Jahre gehörte er zum festen Ensemble der Show, die noch immer den Goldstandard im Unterhaltsgewerbe hält. Hier hat Fallon sich den Ruf des musikalischen Wunderkindes erworben, der aus dem Stegreif binnen 60 Sekunden Bruce Springsteen und Michael Jackson so hinlegt, dass es selbst den Originalen eine Wonne war – und ist.
Was Fallon veranstaltet, hat Mehrwert. Oft schon am nächsten Tag sind Videos von Segmenten der Show vom Vorabend auf YouTube Gesprächsstoff am Arbeitsplatz. Es ist diese Präsenz in den sozialen Netzwerken, die ihn zum Goldesel für den Sender NBC macht und im Publikumsspektrum 18 bis 49 Jahre Quote bringt. Davon abgesehen: Man schläft nach Fallon verdächtig oft mit einem Schmunzeln ein. Und das soll ja bekanntlich gesund sein.