Wismar/Stralsund/Lübeck. Zwei Delfine sorgen an der Ostsee für Aufsehen. Sie haben sich in das kalte Gewässer verirrt. Ihre Überlebenschancen seien aber „gut“.
Ein ungewöhnliches Naturschauspiel: Zwei Delfine haben sich in die Ostsee verirrt und wurden vor der deutschen Küste gesichtet. Fischereikontrolleure hatten die Meeressäuger am Dienstag bei Wismar auf einer Kontrollfahrt in der Wismarbucht gefilmt. „Die beiden Tiere haben uns begleitet, schwammen unter dem Boot durch und sprangen aus dem Wasser“, sagte Christian Schmiedeberg, einer der Kontrolleure. Mehrfach seien die Kontrolleure mit ihrem Boot „Graubutt“ hin- und hergefahren – die Tiere immer neben oder unter sich in Begleitung. „Nach rund 15 Minuten haben wir angelegt, dann schwammen die Tiere weiter.“
Die Aufnahmen gingen an das Deutsche Meeresmuseum in Stralsund, wo Experten die Delfine als „Große Tümmler“ (lat. Tursiops truncatus) identifizierten. Große Tümmler, die eine Größe von zwei bis vier Meter erreichen können, gehören wie andere Delfinarten zu den Zahnwalen. „Die Tiere sind als Irrgast in die Ostsee gelangt“, sagte der Direktor des Deutschen Meeresmuseums, Harald Benke. Sie waren in den vergangenen Tagen in der Lübecker Bucht bei Scharbeutz und Neustadt gesichtet worden.
Tiere wurden an Schwedens Ostküste gesichtet
Davor – zwischen September und November – hatten offenbar dieselben Tiere an Schwedens Ostküste für Aufsehen gesorgt. Sie wurden dort liebevoll „Selfie“ und „Delfine“ getauft. Über Facebook organisierte sich eine Gruppe mit 1400 Mitgliedern, die ihre Beobachtungen teilten. Letzmalig wurden die Tiere dort am 27. November gesehen. Möglicherweise handele es sich sogar um die Tiere, die im Juni bei Fehmarn gesehen worden waren, wie Benke sagte. Das Geschlecht der Tiere konnten die Forscher bislang nicht identifizieren. Sie machten aber einen wohlgenährten Eindruck, sagte Benke.
„Der natürliche Lebensraum der Großen Tümmler sind die Nordsee und der Atlantik.“ Auf der Jagd nach Nahrung dringen sie gelegentlich in die Ostsee vor. Während vor der dänischen Ostseeküste häufiger Tümmler beobachtet würden, seien vor der deutschen Ostseeküste bislang nur fünf Beobachtungen beschrieben worden, sagte Benke. Ganz selten schwämmen die Tiere bis in den baltischen Raum vor Finnland oder Lettland.
Die erste Beobachtung in der deutschen Ostsee ist demnach für den 6. Mai 1842 vor Stralsund verzeichnet. Zehn Jahre später verirrte sich gar eine „Schule“ – also eine Gruppe – in den Greifswalder Bodden. Weitere Beobachtungen sind 1870 vor Kiel und 1882 für Lübeck verzeichnet. Zuletzt war 2007 ein totes, in der Ostsee treibendes Tier von einem Schiff auf der Fahrt nach Eckernförde in Schlepptau genommen worden.
Überlebenschancen schätzen Meeresbiologen als gut ein
Nun hoffen die Mitarbeiter der Wismarer Fischereiaufsicht wie auch die Meeresbiologen, dass die Delfine nicht das gleiche Schicksal ereilt wie einen verirrten Schnabelwal vor zwei Monaten. Das seltene Tier hielt sich über drei Wochen in der Wohlenberger Wiek bei Wismar auf und war später tot an Schwedens Südküste angespült worden.
Die Überlebenschancen für die Tümmler bezeichnete Benke als „gut“. Die Tiere seien in der Lage, große Strecken zurückzulegen. Mit den Heringen gebe es auch genügend Nahrung für die Delfine in der Ostsee. Auch seien die Tiere kalte Temperaturen gewohnt. Schwierig sei es nur, wenn in strengen Wintern Teile der Ostsee zufrieren. „Das ist für alle Lungenatmer ein Problem“, sagte Benke.
Bei den beiden Besuchern handelt es sich möglicherweise um „friendly dolphins“, also Tiere, die die Nähe des Menschen suchten. Schon in der Antike wurden diese Tiere beschrieben. Überliefert ist die Geschichte des Lyrikers Arion, der sein Leben rettete, in dem er auf einem Delfinrücken schwamm. Große Tümmler können aber auch aggressiv werden. „Von der Population der Tümmler in der schottischen Nordsee bei Moray Firth wissen wir, dass sie Schweinswale attackieren und in die Luft werfen.“ Menschen sollten deshalb auch zu den beiden Irrgästen – mögen sie noch so neugierig und aufgeweckt wirken – eine respektvollen Abstand wahren, so die Empfehlung des Meeresbiologen. (dpa)