Berlin. Eine Frau ist aus Kamerun nach Brandenburg geflohen und bekam dort einen Sohn. Den benannte sie nach Jesus und der Bundeskanzlerin.
Auf den Schultern des kleinen Babys ruhen schier unerfüllbare Erwartungen: „Christ Merkel“ heißt der drei Wochen alte Sohn einer Kamerunerin im brandenburgischen Eberswalde, die zuständige Kreisverwaltung bestätigte das. Wenn er groß sei, solle er genauso vielen Menschen helfen wie Kanzlerin Angela Merkel und Jesus Christus, sagt die 32-jährige Georgette Mbaha der „Märkischen Oderzeitung“. „Angela Merkel ist eine wirklich starke Frau. Sie besitzt eine Menge Durchsetzungskraft und hat bereits so vielen geflüchteten Menschen geholfen.“
Eigentlich habe sie den Jungen auch Angela nennen wollen, doch Bekannte hätten von dem Mädchennamen abgeraten, sagte Mbaha, die nach eigenen Angaben wegen politischer und familiärer Probleme aus Kamerun geflohen ist, der Zeitung. Seit zwei Jahren lebe sie in Deutschland.
Vorbilder als Kindernamen ist in vielen Kulturen üblich
Ganz neu ist diese Art von Verehrung nicht, aber in Deutschland höchst selten. Vor einigen Monaten hatte eine ghanaische Asylbewerberin in Hannover ihrer Tochter den Vornamen Angela Merkel gegeben. Vollständig heißt das Kind Angela Merkel Adé.
Kinder nach Vorbildern zu benennen, sei in vielen Kulturen üblich, sagt Gabriele Rodríguez, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Namenkundlichen Zentrum der Universität Leipzig – auch in Deutschland: „Das sind vor allem die Vornamen von Familienmitgliedern. Heute bringen die Medien aber auch andere Vorbilder aus Film, Fernsehen, Musik und Sport zu uns“. Nach Fußball-Großereignissen wie Welt- oder Europameisterschaften seien auch bei deutschen Eltern Namen wie Ronaldinho oder Figo beliebt. Politiker spielten aber kaum eine Rolle.
In vielen afrikanischen Sprachen und Kulturen sei es sogar üblich, Kinder nach Geschehnissen während oder vor der Geburt zu benennen. „Das Neugeborene kann zum Beispiel „Das Kind ist geboren während der Vater auf dem Markt war“ heißen“, sagt Rodriguez. Auch religiöse Bezüge, die sich in Namen wie „Gottesgeschenk“ äußerten, kämen häufig vor. „Glaube spielt in Afrika bei der Namensgebung eine größere Rolle als in Deutschland.“ Auch Vorbilder seien dabei wichtiger. So gebe es etwa Kinder, die Obama hießen. Meist sei das Namensvorbild aber ein Mensch, mit dem die Familie eng verbunden sei.
In Deutschland entscheiden die Standesbeamten
Doch in Deutschland ist längst nicht alles erlaubt, was Eltern gefällt: Standesbeamte entscheiden nach eigenem Ermessen darüber, ob sie einen Vornamen zulassen. Dabei orientieren sie sich daran, ob ein Name Vornamenscharakter hat, das Geschlecht eindeutig benennt und das Wohl des Kindes nicht beeinträchtigt.
Die Richtlinien würden aber mit der Zeit weniger streng: „Es gibt keine neuen rechtlichen Regelungen. Standesbeamte und Gerichte legen die bestehenden Richtlinien aber großzügiger aus als noch vor zehn oder zwanzig Jahren“, sagt Jürgen Rast, Präsident des Bundesverbandes der deutschen Standesbeamtinnen und Standesbeamten. Mit ein Grund dafür sei, dass Migranten ihren Kindern gerne ausländische Vornamen geben würden, so dass sie in Deutschland gebräuchlicher würden – mit Bestätigung vom Standesamt.
Merkel ist eine altdeutsche Koseform
„Auch wenn sie die Sprache des Herkunftslandes zu Hause nicht sprechen, wollen Eltern ihren Kindern die Kultur über Vornamen vermitteln“, sagt Rodriguez. Die Anfragen nach Gutachten von Standesbeamten und Richtern seien seit 1994 von 100 jährlich auf 2000 bis 3000 im vergangenen Jahr gestiegen. Derzeit würde das Institut in Leipzig fast einmal in der Woche einen Vornamen bestätigen, den es vorher in Deutschland offiziell nicht gegeben hat.
Der Vorname Christ Merkel dürfte für deutsche Behörden allerdings ohnehin kein Problem darstellen: „Beide Namen stehen in den Verzeichnissen der Standesämter“, sagt Rodríguez. Christ war im Mittelalter ein gebräuchlicher Vorname. Und Merkel ist eine altdeutsche Koseform für Namen, die mit Mark- oder Merk- beginnen, etwa Markward. (dpa)