Essen. . Raststätten werden zur Falle, weil es zu wenig Lkw-Parkplätze gibt und Laster die Fahrbahnen blockieren. Jährlich kostet das viele Menschen das Leben.

A 6 bei Heilbronn in Fahrtrichtung Nürnberg. Auf der Höhe des Rastplatzes Sulmtal rast an diesem Juniabend gegen 20 Uhr ein Kleintransporter ungebremst in einen parkenden 40-Tonner, der auf der Beschleunigungsspur abgestellt war. Der Motor des Kleinlastwagens wird durch die Wucht des Aufpralls in den Fahrerraum gedrückt. Der Fahrer ist sofort tot. Die Beifahrerin wird schwer verletzt. Die Feuerwehr kann sie nur mit schwerstem Gerät befreien.

Was jetzt vor gerade einem Jahr passiert ist, ist fast Alltag für die Rettungskräfte auf Deutschlands Schnellstraßen – und derzeit eine Horrorvorstellung für viele Ferienfahrer. Bei Rosenheim starben 2011 drei Menschen, weil ihr Pkw unter einen falsch parkenden Lastwagen geriet. Zwei Tote gibt es, als 2013 ein Kleinlaster auf der A 3 in Hessen erst in verbotenerweise auf dem Standstreifen stehende Schwer-Lkw kracht und anschließend in einem mit vier Personen besetzten Pkw.

Pro Jahr in Europa dutzende Todesfälle auf den Autobahnen

Durchschnittlich kommen jedes Jahr auf Europas Straßen 44 Menschen durch solche Unfälle um. Die Ursache ist klar: Es gibt zu wenig Lkw-Parkplätze an den Autobahnraststätten, obwohl die Trucker gesetzlich zur Einhaltung der Ruhezeiten verpflichtet sind. Nach viereinhalb Stunden am Steuer sind 45 Minuten Stopp vorgeschrieben. Eine Zählung des Bundesverkehrsministeriums in einer Stichtags-Nacht hat ergeben: Bundesweit stehen 60 000 Parkplätze zur Verfügung. Aber 71 000 Lkw werden abgestellt. 11 000 haben also im Umfeld der Raststätten wild geparkt – dort, wo eigentlich Freiraum für Pkw sein müsste. Gerade nachts ist das ein klassisches Unfall-Szenario.

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Die Polizei fährt dann verstärkt Streife. Aber die Beamten räumen auch ein: „Die Fernfahrer müssen ihre Ruhezeiten zwingend einhalten, wissen nicht wohin und bringen sich und andere durch ihr Parkverhalten in Gefahr“. Manchmal, so sind die Erfahrungen, stehen sie bis hinein in die Fahrbahnen der Autobahnen. Heftige Diskussionen gebe es da oft, sagte eine Heilbronner Polizeisprecherin nach dem Crash im Juni 2014.

6000 Parkplätze in Planung, aber Lkw-Verkehr nimmt noch schneller zu

Zwar investiert der Bund im Eiltempo in neue Parkplätze. 6000 sind in der Planung. Aber auch das reicht nicht, denn der Lkw-Verkehr nimmt noch schneller zu. Der Siemens-Konzern testet deshalb mit Unterstützung aus der Staatskasse derzeit auf 21 Rastanlagen der A 9 in Bayern ein HighTech-Informationssystem, das im Erfolgsfall auf alle deutschen Rastplätze ausgeweitet werden soll.

Dabei erheben Laserscanner und Sensoren live die Lage auf den Außenflächen der Anlagen. Das System kann die Abmessungen speichern, so Pkw von Lkw unterscheiden, es zählt die unterschiedlichen Fahrzeugklassen und errechnet den Park-Bedarf und die Differenz zu den vorhandenen freien Plätzen. Eine Verkehrsleitzentrale übermittelt die Ergebnisse via Smartphone-App, Navis, Internet oder Radio oder auch über zwei Meter große Info-Säulen an die Fernfahrer, deren erlaubte Lenkzeit kurz vor dem Ablauf ist. Sie können können die Lage auf einer Karte mit grünen (freie Plätze) und roten (besetzt) Signalen erfassen und sich einen geeigneten Rastplatz aussuchen. Der Vorteil: Zumindest das gefährliche Umherirren und riskantes Rangieren der Fahrzeuggiganten entfällt.

Doch noch ist unklar, ob das Parkplatz-Problem damit vollständig zu lösen ist. Denn nicht nur der Schwerverkehr soll in den nächsten Jahren um hohe zweistellige Prozentraten wachsen. Auch testen in sieben Bundesländern derzeit 42 Speditionen mit dem Segen des Bundesverkehrsministeriums 25 Meter lange Gigaliner. Nach einer Untersuchung der Bundesanstalt für Straßenwesen würde ihr flächendeckender Einsatz ohne zusätzliche Bauinvestitionen das Ruhezeiten-Dilemma verschärfen.

Die Bundesländer denken deswegen auch über neue gesetzliche Maßnahmen nach. Den Lkw-Fahrern soll untersagt werden, in ihren Kabinen die vorgeschriebenen langen Wochen-Pausen - meist an Samstagen und Sonntagen - zu verbringen und dort zu schlafen, fordert der Bundesrat die Berliner Regierung auf. Die Folge: Vor allem ausländische Trucker müssten dann ins Hotel oder in eine andere „feste Unterkunft“. Offen: Ob die Bundesregierung im Alleingang handelt, wenn sich dem Verbot nicht weitere europäische Länder anschließen.