Düsseldorf/Hannover. Zehntausende Abiturienten warten derzeit in NRW auf ihr Zeugnis. Die meisten dürften es bald in den Händen halten. Aber wie geht es dann weiter?
Rund 86.000 Abiturienten werden in den nächsten Wochen in Nordrhein-Westfalen die allgemeinbildenden Schulen verlassen. Trotz "Reife-Zeugnis" fehlt vielen jungen Erwachsenen der Durchblick, wie es jetzt weiter geht. Einige Antworten auf zentrale Fragen:
Wie finde ich das passende Studium?
Erste Orientierung bietet der "Studifinder" - ein Angebot der öffentlich-rechtlichen Hochschulen und des Wissenschaftsministeriums. Der Online-Fragebogen hilft, eigene Stärken zu identifizieren und mit dem Studienangebot abzugleichen.
Wie groß ist das Angebot in NRW?
NRW weist mit 72 Hochschulen die dichteste Hochschullandschaft Europas aus. Dazu zählen neben den öffentlich-rechtlichen auch 30 anerkannte private und kirchliche Hochschulen. Sie bieten insgesamt fast 3000 Studiengänge an.
Wie ist es mit dem Numerus clausus?
Zum kommenden Studienjahr 2015/16 sinkt die Zahl der NC-Schikanen: Rund 52 Prozent der Studiengänge in NRW werden dann zulassungsfrei sein.
Macht es Sinn, sich mit einem mittelmäßigen Abitur auf ein NC-Fach zu bewerben?
Ja, denn viele kommen noch als Nachrücker, über Losverfahren oder Eignungstests zu ihrem Wunschstudium.
Wie läuft die Studienplatzvergabe ab?
Zum kommenden Wintersemester wird für die öffentlich-rechtlichen Hochschulen in NRW ein Online-Vergabeverfahren für die Fächer Betriebswirtschaft, Rechtswissenschaft und Psychologie Pflicht. Das System speichert alle Studienplatzwünsche und -zuteilungen zentral. Damit sollen Mehrfachzulassungen vermieden und das Nachrückverfahren beschleunigt werden.
Was kostet das Studium?
Studiengebühren an staatlichen Hochschulen sind in NRW 2011 abgeschafft worden. Private Hochschulen verlangen allerdings Gebühren. Die Höhe ist sehr unterschiedlich und liegt meist zwischen rund 400 und über 700 Euro monatlich. Hinzu kommt - auch an den staatlichen Hochschulen - der Semesterbeitrag für ein NRW-Ticket und die Allgemeinen Studierendenausschüsse. Auch hier ist die Höhe von Hochschule zu Hochschule unterschiedlich - einige verlangen um 160 Euro pro Semester, andere gut 100 Euro mehr.
Wie klappt es mit der Finanzierung?
Nach Zahlen der Studentenwerke werden 85 Prozent der Studierenden von ihren Eltern unterstützt. Mehr als zwei Drittel jobben neben dem Studium. Fast jeder fünfte Studierende in NRW erhält BAfÖG. Zudem gibt es die Möglichkeit, sich um ein Stipendium zu bewerben - die sich keineswegs alle an Überflieger richten - oder einen Studienkredit bei einer Bank aufzunehmen.
Wie steht es mit Studentenbuden?
Bezahlbare Studentenwohnungen sind Mangelware. Zwar gibt es in NRW rund 50.000 staatlich geförderte Plätze - das reicht aber nur für einen kleinen Teil der über 710.000 Studierenden in NRW. Gut jeder vierte wohnt preisgünstig bei den Eltern.
Welche Alternative gibt es zum Studium?
Zum Beispiel die fast 188.000 Handwerksunternehmen in NRW, die hoffen, unter den rund 211.000 Schulabgängern Interessenten für Lehrstellen zu finden. Vor allem Nachwuchs, der zur Führungskraft entwickelt werden kann, ist stark gefragt. Immerhin sollen in NRW rund 200 000 Handwerksbetriebe in den nächsten zehn Jahren übergeben werden. "Schneller wird man nirgends Chef", meint der Westdeutsche Handwerkskammertag.
Bietet das Handwerk denn attraktive Aussichten für Abiturienten?
Bislang haben in NRW erst 16 Prozent der Auszubildenden in den 120 Ausbildungsberufen des Handwerks Fachhochschulreife oder Abitur. In einigen Bereichen sind die Abiturienten allerdings schon in der Überzahl: etwa bei Fotografen, Maßschneidern oder Goldschmieden. Außerdem kann eine Berufsausbildung mit einem dualen Studium verbunden werden und weitere Karrierechancen eröffnen. Ein Meister oder Profi mit vergleichbaren Qualifikationen kann sogar ohne Abitur berufsverwandte Fächer studieren.
Von Medizin bis Mathematik: Welche Studiengänge sich bezahlt machen
"Geld ist mir nicht so wichtig": So denken viele Erstsemester. Beim Berufseinstieg staunt mancher dann nicht schlecht, dass der Schulfreund in seinem Job ein Drittel mehr verdient. Plötzlich ist Geld doch wichtig. Bei der Studienwahl ist für viele das Interesse am Thema entscheidend, sagt Kolja Briedis. Er ist Mitarbeiter am Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW). Doch was wäre, wenn Studenten sich einzig an den Verdienstmöglichkeiten orientieren würden?
"Ginge es ausschließlich nach dem Gehalt, sollte man sich für ein Studium der Ingenieurwissenschaften, Medizin oder für Naturwissenschaften entscheiden", sagt Kerstin Koose. Sie ist Beraterin bei der Gehaltsdatenbank Personalmarkt. So kommen Absolventen der Ingenieurwissenschaften im Durchschnitt auf rund 51.000 Euro brutto pro Jahr, Mediziner auf 50.000 und Naturwissenschaftler auf rund 49.000 Einstiegsgehalt.
Bedarf an Informatikern sehr hoch
Juristen können ebenfalls mit hohen Einstiegsgehältern rechnen, so lange sie nicht bei einer sehr kleinen Firma oder Kanzlei anfangen. Bei Jura-Absolventen ist die Note entscheidend, erläutert Kolja Briedis. "Mit einem Prädikatsexamen kann man in den Staatsdienst oder in die großen Kanzleien mit entsprechenden Karrieremöglichkeiten einsteigen." Wer mit einem durchschnittlichen oder unterdurchschnittlichen Examen abschließt, hat diese Möglichkeit nicht.
Informatik und Mathematik seien ebenfalls erfolgsversprechende Studiengänge, zählt Kerstin Koose auf: "Der Bedarf an Informatikern ist sehr hoch und der Studienabschluss oft weniger ausschlaggebend als spezielle Programmierkenntnisse." Lohnenswert ist nach wie vor außerdem ein Doktortitel: "Promovierte verdienen in fast allen Fächern im Durchschnitt besser", erklärt Kolja Briedis.
Geht es nur nach dem Einstiegsgehalt, ist auch klar, für welche Branche sich Absolventen entscheiden müssen. Top-Branchen sind Chemie und Verfahrenstechnik, die Autoindustrie, Banken, Luftfahrt sowie die Pharmaindustrie. Hier liegen die durchschnittlichen Einstiegsgehälter zwischen rund 50.000 und 54.000 Euro pro Jahr. In diesen Bereichen bekommen Absolventen studienfachübergreifend mehr Geld als in anderen, erklärt Kerstin Koose.
Geringe Gehaltsaussichten für Geisteswissenschaftler
Schließlich spielt die Unternehmensgröße bei der Höhe des Einstiegsgehalts eine Rolle, erläutert Karrierecoach und Buchautor Martin Wehrle. "Die Gehälter fallen umso höher aus, je größer ein Unternehmen ist."
Geistes- und Gesellschaftswissenschaftler müssen sich auf geringere Gehaltsaussichten einstellen. Ein Sprach- und Kulturwissenschaftler kommt auf durchschnittlich rund 33.000 Euro brutto Einstiegsgehalt.
Auch wenn diese Zahlen gut zu wissen sind: Wer sich für ein Studium entscheidet, sollte die Gehaltsaussichten generell nicht in den Mittelpunkt seiner Studienwahl stellen. Wer mit Leidenschaft arbeitet, wird früher oder später finanziell erfolgreich sein. (dpa)