Köln.. Keiner spielt so brillant mit Fernsehgenres und Medienfiguren wie der Komiker. Neuester Streich: „Schorsch Aigner – Der Mann, der Franz Beckenbauer war“.
Wir haben es ja immer geahnt. Spätestens 2005, ein Jahr vor der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland, verdichteten sich die Indizien. Franz Beckenbauer in Korea, Franz Beckenbauer in Paraguay, Franz Beckenbauer in Tunesien, in Saudi-Arabien, in Costa Rica. Heute Afrika, morgen Asien, übermorgen Amerika – wie, bitteschön, sollte ein Mann allein eine solche Willkommenstour durch sämtliche Gastländer bewältigen können?
Ein Jahrzehnt später erfahren wir: Unsere Vermutungen waren berechtigt. Die ARD präsentiert uns an diesem Donnerstag in einer „History Story“ eine sensationelle Enthüllung: Der Kaiser hatte 50 Jahre lang ein Double! Die aufwühlende Reportage „Schorsch Aigner – der Mann, der Franz Beckenbauer war“ beweist: Es gab eine Nichtgestalt im Schatten der Lichtgestalt.
Gedankenverloren im Garten
Im Interview in seinem Haus in den Bergen packt der Doppelgänger nun aus. Er verrät, schon in den 60er-Jahren erstmals den vielbeschäftigten Star vertreten zu haben. Die Suppenwerbung („Krrraft auf den Teller, Knorrr auf den Tisch“) – gesprochen von Aigner. Die Kultschnulze „Gute Frrreunde kann niemand trrrennen“ – geträllert von Aigner. Und wer schrieb die Autogramme bei der WM 1970 in Mexiko? Natürlich auch Aigner, denn der richtige Franz war ja gegen Italien auf die Schulter gefallen und konnte, wie Mitspieler Uwe Seeler als einer der prominenten Kronzeugen in dem halbstündigen Film versichert, „nicht einmal einen Kugelschreiber halten“.
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Eine wunderbare Geschichte, ein großer Spaß. Nachdem der Hamburger Verwandlungskünstler Olli Dittrich bereits das „Frühstücksfernsehen“ mit seinen gekünstelt lustigen Moderatoren parodistisch aufs Korn nahm und in einer fingierten Talk-Show alle Gast-Rollen selbst spielte, hat er sich nun das Doku-Genre vorgenommen. Schorsch Aigner ist eine weitere Paraderolle für den vielseitigen Humoristen, der schon 2006 auf bewundernswerte Art bewies, dass er den Beckenbauer drauf hat: Damals ließ sich Dittrich als Kaiser Franz von Harald Schmidt staatstragend in einer Hamburger Hotel-Suite interviewen – zum Schreien komisch, zum Verneigen gut.
„Wosweißichäh“
Auf die Nummer mit Hans-Georg „Schorsch“ Aigner, der so herrlich oft „Wosweißichäh“ sagt und gedankenverloren über das Grün des eigenen Gartens schreitet (wie 1990 nach dem WM-Sieg über den Rasen von Rom), muss man aber erst mal kommen. Diese Variante verfeinert und veredelt jede bisherige Beckenbauer-Parodie. Olli Dittrich nennt sein neues Meisterwerk eine „investigative Dokumentation“ – als Bademantel-Philosoph Dittsche würde er sagen: eine reine Weltidee!
Der WDR ist dafür zu loben, dass er solche Perlen der Fernseh-Unterhaltung produziert. Warum nur wird dieses an Originalität kaum zu übertreffende Stück dann doch verschämt im Nachtprogramm des Ersten versteckt?
Fazit: Programmperle. Lohnt sich nicht nur für hartnäckige Fußballfans.
ARD, 4. Juni, Donnerstag 23.30 Uhr