Duisburg. . Sportler schlagen Salti in den Straßen - und überwinden Grenzen auch im Kopf: Bei den “Ruhr Games“ geht es im Juni um actionreiche Randsportarten.

Schon mal gesehen? Wie sie hüpfen zwischen Häuserzeilen, springen, rennen, sich überschlagen, (an-)mutig, als seien sie Katzen in den Straßen der Stadt. Im Film natürlich, aber auch in Duisburg und Essen. Nicht erschrecken, die wollen nur spielen! Die Jungs vom „Parkour“ sind die neuen Coolen.

Diese Idee im Kopf, so fangen viele an mit dieser Sportart, „sieht cool aus“, muss also cool sein, und einen Purzelbaum hat schließlich jeder schon hingekriegt. Aber dann sagt Marcel Parcharidis, der auch erst mal cool aussieht mit seiner Mütze, darum gehe es gar nicht. „Ist was ganz anderes als vor Leuten anzugeben.“ Der 22-jährige Duisburger gilt als einer der Besten, bei den „Ruhr Games“ ist er Botschafter seines Sports, als „Mazzel“ hat er einen Namen in der Szene: Wenn der irgendwo in Europa über Tische und Bänke geht, sehen die Menschen zu mit offenem Mund und meistens atemlos. Er aber behauptet, es sei „voll egal, was die denken“.

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Zäune, Baugerüste oder Industrie – alles Hindernisse

Dabei denken sie viel. Und sagen es auch: dass „die Jugend“ nichts gelernt hat und nichts zu tun und sowieso alles kaputt macht. Das allerdings, sagt Mazzel, sei nicht nur falsch, sondern wäre auch gefährlich. „Ich will ja nichts zerstören“, man stelle sich vor, es bricht etwas ab, wo er gerade klettert oder gar abspringt! Zäune, Kunstwerke, Baugerüste, Industrie, was so im Weg steht im urbanen Raum, sie sind Hindernisse, die es gilt, kreativ zu überwinden – Spielgeräte also. Parkour ist die Kunst der behänden Bewegung zwischen den Mauern der Stadt, kraftvoll, artistisch – und für Mazzels inzwischen vierköpfiges Team „Zarrio“ ein „Lebensgefühl“.

Denn „Kann ich nicht“, gibt’s nicht. Wer Parkour ernsthaft betreibt und trainiert, also über Jahre „unterwegs“ ist, lernt seine Grenzen kennen, physisch wie psychisch, sagt Parcharidis – und sie zu meistern. „Ich weiß, was mein Körper kann“, sagt der 22-Jährige, er weiß aber auch: Wenn er vor Hürden steht im Alltag des Lebens, „gibt es immer einen Weg. Ich muss mich nur anstrengen“. Früher war die Sportart, die in sozial schwierigen Ecken Frankreichs entstand, auch eine Fluchtmöglichkeit. „Aber vor wem sollte ich hier abhauen?“ Es geht nicht mehr um den Weg von A nach B, sondern darum, Körper und Geist zu beherrschen und die Stadt.

Sie sind Stadt-Akrobaten

Das hat auch mit Freiheit zu tun, weshalb mancher die Sportler auch „Freerunner“ nennt, Freiläufer. Die sich Orte als Spielplätze erobern, dabei aber auch neue Perspektiven gewinnen: Die Stadt-Akrobaten brechen aus der „Ich-guck-nur-auf-mein-Handy-Welt“ aus, sagt der Student, „ich interessiere mich für das, was um mich rum ist“. Sie nehmen Dinge wahr, die andere gar nicht sehen. Und Menschen, denen man sonst mit Vorurteilen begegnet. Vorurteile gebe es nicht in der Welt des Parkour, versichert die Szene.

Was es gibt, sind mittlerweile Stadtväter, die die jungen Leute toben lassen. Aber auch immer noch Verbote. Über die Dächer der Stadt etwa reden die Sportler nicht gern. Wer aber fragt, hört von der Freiheit ganz oben, von Rückzug, schönen Aussichten und der Zeit, die dort langsamer wird und stiller. „Man blickt hinunter, fühlt Ruhe und weiß, was los ist.“ Parkour ist also auch – Turnen für Denker.

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Sie haben ein Sofa auf eine Duisburger Brücke gehievt

Und trotzdem hat nicht alles für die Typen von „Zarrio“ einen tieferen Sinn. In der Nacht zum 1. April hievten sie in Duisburg ein Sofa hoch oben auf den Bogen einer Brücke. Sie dachten, das merkt keiner, oder mindestens: dass es keinen interessiert. Es interessierte aber das Ordnungsamt und die Feuerwehr und bald das halbe Internet. Und alle wollten wissen, was sie sollte, diese Aktion. Mazzel wundert sich immer noch: „Ist doch ganz einfach. Wir haben eine Couch auf eine Brücke gebracht.“ Doch nur ein Spiel.

Übersicht: Das sind die Ruhr Games

Live zu erleben ist Parkour auch bei den Ruhr Games. Den Veranstaltern der Ruhr Games 2015 liegt besonders das interkulturelle und tolerante Miteinander am Herzen, wenn mehr als 10 000 Jugendliche aus ganz Europa in sportlichen Wettkämpfen gegeneinander antreten. Von Mittwoch, 3. Juni, bis Samstag, 6. Juni 2015, verschmelzen klassische olympische Disziplinen mit Actionsport, Kultur und Unterhaltung.

Die Eröffnungsfeier findet am Mittwoch um 20 Uhr an der Essener Zeche Zollverein statt. Sport und Musik gibt’s an den vier Veranstaltungstagen auch am Baldeneysee in Essen, am Centro Oberhausen, im Sportpark Bottrop, im Stadion Gladbeck und rund um das Schalke-Areal in Gelsenkirchen. Die Shuttle-Busse, die im 30-Minuten-Takt zwischen den Veranstaltungsorten pendeln, sind ebenso kostenlos wie die Workshops, Open-Air-Konzerte und Sportangebote. Als Abschlussact ist Jan Delay eingeladen, ebenfalls an der Zeche Zollverein.

Sprintende Kanus und Zweirad-Akrobatik 

Wir stellen ein paar der actionreichen Randsportarten vor:

Kanu-Sprint

Der Kanu-Sprint zählt zu den Sportarten des Kanu-Rennsports und ist ein klassisches Wettrennen. Die ersten Kanus wurden etwa um 4000 vor Christus gebaut. Die Indianer des nördlichen amerikanischen Kontinents benutzten das (kanadische) Kanu, die Eskimos den Kajak. Zu sehen sind die Kanuten am 4. Juni auf dem Essener Baldeneysee.

Kanu-Polo

Die zweite Kanu-Disziplin ist Kanu-Polo (4. und 5. Juni, Baldeneysee). Hier versuchen zwei Teams mit je fünf Spielern, den Ball in das gegnerische Tor zu bringen. Weil der Kanu-Sport in den 1920er-Jahren vor allem von schnellen Rennen geprägt war, suchten die Kanuten nach Alternativen. In Anlehnung an den immer populärer werdenden Fußball entstand so in einer Wasser-Variante Kanu-Polo.

Mountainbike

Beim Mountainbike-Sprint (Freitag, 5. Juni, Gesamtschule Berger Feld, Gelsenkirchen) geht es darum, möglichst schnell einen vorgegebenen Kurs zu absolvieren. Noch mehr Action gibt es beim Slopestyle (4. bis 6. Juni, Zeche Zollverein, Essen). Hier geht es entlang eines Hindernisparcours. Hügel müssen genutzt werden, um mit Sprüngen und Überschlägen zu punkten.

BMX

Wer BMX-Künste sehen möchte, kann sich vom 4. bis zum 6. Juni im Bottroper Jahnstadion und auf Zeche Zollverein einfinden. Hier treten die Teilnehmer in der Kategorie Flatland (Akrobatik am Rad auf flachem Boden) und Spine Ramp (auf Rampen) an. Erfunden wurden die Geländefahrräder in den 1970er-Jahren in den USA.

Der Unterschied zum Mountainbike: Ein BMX-Rad ist besser für Akrobatik geeignet, das Mountainbike ist auf schnelle Geländefahrten ausgelegt.

Skateboard

Um den Titel „Deutscher Meister“ und einem Nachwuchspreis kämpfen die Skateboarder vom 4. bis zum 6. Juni in der Gelsenkirchener Emscher-Lippe-Halle. Von den Surfern hatten sich die Erfinder das Skateboard abgeschaut. 1959 erschien es auf dem Markt. Heute ist das „Boarden“ eine Trendsportart, bei der es keine Ligen und Verbände gibt.