Berlin. Zwischen Plausch und Effekthascherei, zwischen Anerkennung und Unverständnis: Die werdende Vierlingsmutter Annegret Raunigk (65) bei “RTL Extra“.

Annegret Raunigk (65) sitzt auf der Treppe ihres Hauses. Erschöpft, mit müden Augen und hängenden Mundwinkeln. Als „biologisches Wunder“ wird die Grundschullehrerin gefeiert. Und als „älteste werdende Vierlingsmutter der Welt“. RTL-Extra hat die Berlinerin zwei Wochen lang begleitet.

In dem 30-minütigen Beitrag von Montagabend spricht Moderatorin Birgit Schrowange mit Raunigk über Belastungen der Schwangerschaft, über Zustimmung und Vorurteile, die der Alleinerziehenden begegnen.

Schrowange kommentiert mit effekthascherischem Ton

Bis zur Szene auf der Treppe hatte die Schwangere stets lächelnd und fröhlich in die Kamera geblickt. Das Bild der müde dreinblickenden Mutter, die schon jetzt 13 Kinder hat, kommentiert Schrowange mit effekthascherischem Unterton: „Tough oder grob fahrlässig? Unverantwortlich oder beeindruckend?“

In den meisten Szenen ist die jüngste Tochter Lelia (9) zu sehen. Die Kamera fängt die innige Beziehung zwischen Mutter und Tocher ein. Sie knuddeln und plauschen über die kommenden Geschwisterkinder: „Ich wollte nur eins haben“, sagt Lelia.

Es soll Lelias Wunsch nach einem Geschwisterchen gewesen sein, woraufhin sich Raunigk in der Ukraine vier Eizellen einpflanzen ließ. In Deutschland wäre das gesetzlich nicht möglich gewesen.

Schrowange scheint sich nicht auf ein Urteil festlegen zu können, oder nicht festlegen zu wollen. „Ich ziehe auch den Hut“, sagt sie in einer Szene im Großmarkt, wo die werdende Mutter vergeblich einen Kinderwagen für Vierlinge gesucht hatte.

Aber die Sendung listet auch Bedenken auf: Hausarzt Dr. Kai Hertwig kommt ebenso zu Wort wie Evi Jäger, Lelias Patentante und Freundin der Schwangeren. Beide stehen der Schwangerschaft kritisch gegenüber, unterstützen sie aber.

Lelia (9) schlingt besorgt die Arme um ihre Mutter

Als der Arzt die körperlichen Risiken anspricht (Herz-Kreislauf-Probleme, Thrombose, Gefäßerkrankungen), kommt es zu einer unerwarteten Reaktion der kleinen Lelia: Die 65-Jährige müsse vielleicht im Krankenhaus bleiben, wenn die Belastung für die Gebärmutter zu groß werde – und sichtlich überrascht von dieser Nachricht schlingt die Neunjährige besorgt die Arme um ihre Mutter.

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Lelia ist das einzige der 13 Kinder, das noch zu Hause lebt. Vor neun Jahren war die ganze Familie noch bei Günther Jauchs Menschen, Bilder, Emotionen zu Gast. Damals war Annegret Raunigk mit gerade 55 Jahren zum dreizehnten Mal Mutter geworden. Aber jetzt ziehen sich alle Kinder (bis auf Lelia) ins Private zurück. Die Fotos, die RTL abfilmt, zeigen die erwachsenen Kinder mit unkenntlich gemachten Gesichtern.

Die Sendung zeigt zwar auch ein Gegenbeispiel, bewertet es aber nicht: Familie Schindler schildert ihre Erfahrung mit Vierlingen. Sonja Schindler hat ihre Töchter mit Anfang 30 bekommen und hat die Unterstützung ihres Mannes. Wie soll das die Alleinerziehende Annegret Raunigk das mit 65 Jahren schaffen? Das soll sich der Zuschauer anscheinend selbst denken – eingeordnet wird der Vergleich nicht.

RTL-Extra bedient Klischees und Vorurteile

Denn obwohl die Sendung Klischees kritisch ansprechen wollte (Wie soll sich eine 65-Jährige verhalten? Würden einem 65-jährigem Vater ähnliche Kommentare begegnen?), hat sie eher Klischees bedient: „Es verfestigt sich der Eindruck, dass sie das allein stemmen möchte", so der Kommentar. "Von Männern hält sie nicht viel. Sie lebt nach dem Motto: Das wird schon alles.“

Mehrmals betont Schrowange: Ganz Deutschland diskutiert die Geschichte. Auf der Facebook-Seite von RTL Extra sind die Meinungen gespalten. Nelly Efimova schreibt: „Kann mir noch gut vorstellen das die Dame auch mit 85 noch ganz fit ist es ist ihr Leben und solange sie das beste für ihre Kinder macht…“

Dagegen meint Sarah Bänder: „Einfach nur unmöglich! Wer kümmert sich um die Kinder wenn Sie gerade in die Pubertät kommen. Sie werden kaum was von ihrer Mutter haben…“.

Bei der telefonischen Abstimmung unter den RTL-Zuschauern ergab, dass eine Mehrheit von 79 Prozent gegen eine Schwangerschaft in diesem Alter ist.