Wien. Das geht zu weit. “Ich verkleide mich nicht als Ketchupflasche“, sagt die Ginsterkatze alias Caroline Peters (“Mord mit Aussicht“). Die Würde des Menschen und des Schauspielers ist antastbar - er sollte sich nicht alles gefallen lassen.

So hadern der Löwe, das Zebra, die Antilope, der Marabu und eben die Ginsterkatze mit dem Schicksal, in einem neuen Stück als Toastbrot, Pfeffermühle, Ketchupflasche und Spiegelei enden zu sollen. Existenzangst macht sich breit.

Siebeneinhalb Jahre nach der Uraufführung in Berlin hat "Das Reich der Tiere" von Erfolgsdramatiker Roland Schimmelpfennig am Samstagabend im Wiener Akademietheater seine erst zweite Inszenierung im deutschen Sprachraum erlebt - diesmal in der Regie des Autors. Das Publikum quittierte die österreichische Erstaufführung mit langem, lebhaftem Applaus.

In der tierischen Parabel über das Scheitern, über die Eitelkeit im Kulturbetrieb und das Zerfallen von Gemeinschaft steht am Anfang die Maskierung. Der Löwe (Johann Adam Oest) beschmiert sich mit lehmig-sandigem Matsch, das Zebra (Oliver Stokowski) malt sich auf seine weiße Haut schwarze Streifen, der Marabu (Peter Knaack) übergießt sich mit frisch aufgeschlagenen Eiern und klebt sich Federn auf die Haut. Das Publikum lacht, doch das Ganze ist nicht lustig. Denn seit nicht weniger als sechs Jahren spielt das tierische Quintett in identischer Besetzung das Stück über den Machtkampf im Tierreich - mindestens sechsmal die Woche. Da stellt sich schon mal die Frage nach Sinn und Perspektive.

In die Routine bricht die Aussicht auf ein neues Stück. "Der Garten der Dinge", preisgekrönt, aber noch bitterer für jeden Akteur: Es droht ein wortloser Auftritt als Toastbrot oder anderes Tisch- und Tellerutensil. Die Ausbruchsversuche der Schauspieler bleiben zaghaft. "Mal was Eigenes machen", empfiehlt das Zebra. "Vielleicht müssen wir umschulen", bemerkt der Löwe. Letztlich geht es in Schimmelpfennigs zweitem Teil der "Trilogie der Tiere" (1. Teil "Besuch beim Vater", 3. Teil "Ende und Anfang") um die Angst aller, in einer Mühle zu stecken, alles zu geben, aber ohne Anerkennung zu bleiben - egal auf welcher Ebene.

Auf der genauso kargen wie stimmigen Bühne (Wilfried Minks), die einem hübschen Industrie-Loft ähnelt, agiert das Burgtheater-Ensemble in feiner Form. Der 43-jährigen Peters, die seit mehr als zehn Jahren Mitglied der renommierten Bühne ist, bleibt die Verwandlung in eine Ketchupflasche erspart - sie muss am Ende vielmehr als Pfeffermühle wie alle anderen zu Walzerklängen tanzen. Das gut zweistündige Stück ist ein frischer, teils wenig subtiler böser Spaß mit merkwürdigen Bildern. Und ein weiterer Beleg für die Überzeugung von Regisseur Schimmelpfennig: "Theater ist ähnlich unausrottbar wie die Kakerlake."