London. Der Musiker wurde wegen Missbrauchs Minderjähriger verurteilt - Glitter ist Teil eines gigantischen Skandals, der England erschüttert.
Der frühere Rock- und Popstar Gary Glitter ist wegen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger zu 16 Jahren Haft verurteilt worden. Die Jury eines Gerichtes in London hatte den 70 Jahren alten Glitter bereits am 5. Februar für schuldig befunden, in den 1970er Jahren mehrere Mädchen missbraucht zu haben. Eines der Opfer soll jünger als zehn Jahre gewesen sein. Der Richter am Southwark Crown Court warf Glitter, der mit bürgerlichem Namen Paul Gadd heißt, bei der Urteilsverkündung vor, er habe kaum Reue gezeigt.
Glitter war 2006 in Vietnam zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden, weil er zwei elf- und zwölfjährige Mädchen missbraucht haben soll. Glitter hatte die Tat stets abgestritten. Nach seiner Entlassung 2008 musste er sich zurück in London in ein Register von Sexualstraftätern eintragen und die Polizei über seine Aufenthaltsorte informieren.
Mehr als 20 Millionen verkaufte Alben
Glitter trat als Glam-Rocker in extravaganten Outfits auf und verkaufte mehr als 20 Millionen Alben. Zu seinen größten Hits zählen Lieder wie "I'm The Leader Of The Gang (I Am)" und "Rock and Roll (Parts 1 and 2)".
Großbritannien wird seit längerer Zeit von einer riesigen Missbrauchsaffäre erschüttert, der bis in die Spitze der gesellschaft reicht: Kürzlich wurden neue Vorwürfe erhoben, dass Beamte und Politiker Fälle von Kindesmissbrauch vertuscht haben; dass es im Unterhaus einen Ring von Pädophilen gab; dass das Innenministerium selbst einschlägige Akten verschwinden ließ.
Erst nach Jahrzehnten kommt allmählich ans Licht, was anscheinend unter den Teppich gekehrt werden sollte. In den 80er- und 90er-Jahren erhielt das Londoner Innenministerium Hinweise auf pädophile Straftaten seitens prominenter Persönlichkeiten. Der Abgeordnete Geoffrey Dickens stellte ein Dossier zusammen, das Fälle von Kindesmissbrauch durch Mitglieder des Unter- wie des Oberhauses belegen sollte. Mindestens acht „wirklich wichtige öffentliche Figuren“, brüstete sich der konservative Abgeordnete damals, werde er mit diesem Material bloßstellen. Er übergab das Dossier dem damaligen Innenminister Leon Brittann. Seither hat man nie wieder davon gehört.
Wie jetzt herauskam, ist das Dossier ebenso wie 113 weitere Akten über pädophile Straftaten entweder vernichtet worden oder nicht mehr auffindbar. Damit steht der Verdacht der Vertuschung im Raum. Premier David Cameron kündigte nun an, es werde „kein Stein auf dem anderen bleiben“. Die Wahrheit zu erfahren sei „lebenswichtig“.
Verschwundenes Dossier
Das verschwundene Dossier ist nur ein Teil eines Skandals, der Großbritannien seit 2012 in Atem hält. Damals kam heraus, dass der TV-Moderator Jimmy Savile ein „raubtierhafter Sexualstraftäter“ war, wie ihn Scotland Yard nannte. In den 60er-Jahren moderierte Savile „Top of the Pops“, die englische Hitparade, und wurde zu einem der populärsten Musikmoderatoren im Königreich. Später präsentierte eine Show, in der Savile die Traumwünsche von Kindern wahr machte. Jetzt weiß man, dass er, wenn die Sendung vorbei war, die Kinder in seine Garderobe bat und sich an ihnen verging. Es sollen hunderte gewesen sein.
Dies führte dazu, dass auch andere Prominente unter die Lupe gerieten. Der Publizist Max Clifford wurde kürzlich wegen sexueller Übergriffe, die bis in die 70er-Jahre zurückreichen, schuldig gesprochen. Letzten Freitag wurde der Entertainer Rolf Harris wegen Missbrauchs an zwölf minderjährigen Mädchen zu mehr als fünf Jahren Gefängnis verurteilt. (dpa)