Köln. Der Stopp des “Charlie-Hebdo“-Wagens wird den Kölner Narren wohl lange nachhängen. Dabei gab es reichlich Sternstunden der unerschrockenen Satire.
"Wir sind nicht in erster Linie Satiriker, sondern Karnevalisten", sagte der Leiter des Kölner Rosenmontagszuges, Christoph Kuckelkorn, nach dem Rückzug des "Charlie-Hebdo"-Wagens. Das war einmal anders. Der bissigste Karnevalist wurde sogar zum Tode verurteilt:
Revolutionärer Karneval: Die größte Stunde des Kölner Karnevals schlug im Revolutionsjahr 1848. Viele Narren standen damals an der Spitze der Bewegung für Rechtsstaat und Demokratie. So stieg zu Beginn des Rosenmontagszugs ein mit Gas gefüllter Ballon in den Farben Schwarz-Rot-Gold in den Himmel - den verbotenen Farben der Demokraten.
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Viele Karnevalisten wurden damals ständig von der preußischen Polizei überwacht. "Es vergeht nicht eine (Karnevals-)Versammlung, wo nicht Regierungs-Maßregeln einer strengen scharfen Kritik unterworfen werden", notierte ein Beobachter. Am Tag nach Weiberfastnacht erlebte Köln eine riesige Demonstration für Demokratie, Pressefreiheit und kostenlose Schulbildung für alle.
Alternativer Rosenmontagszug: Das gab es in Köln nur ein einziges Mal, im Jahr 1845. Damals schlängelten sich zwei konkurrierende Züge durch die schmalen Straßen der Innenstadt. Den einen hatte die konservative Große Carnevalsgesellschaft ausgerüstet, den anderen die progressive Allgemeine Carnevalsgesellschaft.
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Deren Ziel war es, die "Verkehrtheiten der Zeit, insbesondere aus dem Gebiet der vaterländischen Politik" anzuprangern. Ihr Initiator, der Zigarrenhändler Franz Raveaux, wurde Kölns erster demokratischer Abgeordneter - in der Frankfurter Nationalversammlung. Nach dem Scheitern der Revolution musste er fliehen und wurde zum Tode verurteilt. Er starb im Exil.
Kirchensatire: Im Mittelalter und in der frühen Neuzeit hatte der Kölner Karneval etwas sehr Aufrührerisches. Er kam tief aus dem Volk. Der Leitgedanke war: Die Welt steht kopf - alles ist falsch herum, Autoritäten gelten nichts mehr. Im Jahr 1441 machten sich einige Narren sogar über die Kirche lustig: Sie karikierten eine Heiligenprozession, indem sie eine "große schamlose Figur" in einen selbst gebastelten Reliquienschrein setzten und durch die Stadt trugen. Dafür wurden sie nach Aschermittwoch an den Pranger gestellt und aus der Stadt verbannt.
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Travestie: Zur kopfstehenden Welt des Karnevals gehörte auch, dass sich Frauen als Männer verkleideten. Manchen gefiel dies so gut, dass sie nach Aschermittwoch weiter in Männerkleidern durchs Leben gingen - obschon dies bei Strafe verboten war. Es hatte jedoch den großen Vorteil, dass sie so viel leichter Arbeit fanden, etwa als Soldat oder Seemann. Eine englische Närrin schrieb: "Ich liebe es, mich zu verkleiden, denn niemals sonst genießt eine Frau so große Freiheit."
Gefährliche Büttenreden: Die Nazi-Zeit ist auch das schwärzeste Kapitel des Karnevals, denn die Narren schwenkten im Allgemeinen sehr willig auf NS-Linie um. In den Rosenmontagszügen fuhren sogar antisemitische Wagen mit. Es gab aber Ausnahmen: In Köln war es der Büttenredner Karl Küpper (1905-1970), der die Hand zum Hitler-Gruß erhob, dabei aber nicht "Heil Hitler" rief, sondern die Frage stellte: "Is et am rähne?" (Regnet es?) Oder auch anzeigte: "So huh litt bei uns d'r Dreck em Keller!" (So hoch liegt bei uns der Dreck im Keller!) 1939 wurde er wegen "Verächtlichmachung des Deutschen Grußes" mit lebenslangem Auftrittverbot belegt. (dpa)