Köln.. Brillant, brillanter, Dittrich. Dass der Comedian ein feinsinniger Medienkritiker in der Tradition von Loriot ist, bewies er schon im Vorjahr. Jetzt legt er nach.

WDR-Unterhaltungschef Siegmund Grewenig gelang einst in aller Stille ein Coup. Er sicherte sich die Dienste von Olli Dittrich. Seit zehn Jahren erklärt der 58-jährige Comedian als Bademantel-Philosoph „Dittsche“ im WDR-Fernsehen die Welt. Aber der Hamburger kann weit mehr. Und er hat immer noch Biss. Voriges Jahr hielt er dem altbackenen Frühstücksfernsehen den Spiegel vor. Jetzt nimmt sich der feinsinnige Medienkritiker mit dem „TalkGespräch“ die Plapper-Branche vor.

Was bei der Parodie des Frühstücksfernsehens gut war, kann bei der satirischen Betrachtung der Abendunterhaltung nicht schlecht sein: Olli Dittrich übernimmt erneut mehrere Rollen, womit er abermals mit leichter Hand seine chamäleonartige Wandlungsfähigkeit unter Beweis stellt. Er spielt kurzerhand alle fünf Talkgäste selbst. Sie sind in jeder Hinsicht wiedererkennbar: eine alte Schmonzetten-Diva mit öligem Alpin-Charme, ein wortkarger Tierfilmer, ein Rasta-Mann mit zeitgeistigem Pop-Denglisch, ein sächselnden Außenreporter mit Schwerpunkt Nullinformation und nicht zuletzt ein abgerockter Polit-Globetrotter mit Neigung zu zweifelhaften Info-Deals.

Olli Dittrich folgt Loriot würdig nach

Die Auswahl der Gäste ist eine Essenz des Personals, das durch die televisionären Plauderrunden geistert. Das Ensemble eint die Neigung, Talk-Shows unverblümt zur Bewerbung seiner aktuellen Produkte zu nutzen. Missbrauch wäre an dieser Stelle unangemessen hart. Denn die Gastgeberin – erneut Dittrichs Kreativpartnerin Cordula Stratmann – fordert ihre Quassel-Combo unverblümt dazu auf, aus ihrem Talk eine Dauerwerbesendung zu machen. Für sie ist dabei unverzichtbar, sich zum Schluss ihrer Kurzgespräche eins zu eins mit Gast und Produkt zu identifizieren – Ranwanzen pur.

Was den 30-Minüter auszeichnet: Er hat, wie bei der Persiflage des Frühstücksfernsehens, ganz genau hingesehen. Alles stimmt: die Studio-Deko, die Musik, die Tonlage und, natürlich, die Dramaturgie. Der Übergang von der wiedererkennbaren Verdichtung des Fasel-Fernsehens zur entlarvenden Karikatur ist ebenso fein wie fließend. Olli Dittrichs Humor zündet, in bester Loriot-Manier, wie ein Knaller mit langer Zündschnur. Manchmal lassen sich die Gags mit ihrer leisen Absurdität Zeit, bis es kracht. Dafür aber knallt es umso nachhaltiger.

Mut zur Selbstironie

Da sich herumgesprochen hat, dass Dittrich mit exquisitem Pulver hantiert, gehen dem dreifachen Grimme-Preisträger etliche Prominente zur Hand. Einerseits verbeugen sie sich mit ihren Auftritten vor ihrem Gastgeber, andererseits beweisen sie Mut zur Selbstironie. Bei Größen der Unterhaltungsbranche wie Leander Haußmann, Jan Josef Liefers und Marius Müller-Westernhagen überrascht das wenig, dafür aber bei Ex-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück umso mehr.

Mut zur Selbstironie beweist auch die ARD. Denn ihre Mitgliedsender pflegen das Genre, das Olli Dittrich im „TalkGespräch“ demaskiert. Und dennoch hat das Erste wieder einmal Angst vor seinem eigenen Mut. Der Sendeplatz zeugt davon. Denn die Länge der 20.15-Uhr-Show „2014 – das Quiz“ ist alles andere als zwingend. Eine halbe Stunde weniger hätte vermutlich beiden genutzt: dem Quiz und Olli Dittrich.

Fazit: Olli Dittrich enttarnt das Genre Talk mit feinem Humor als seelen- und sinnlose Dauerwerbung. Dieser Fixstern am Unterhaltungshimmel leuchtet heller als fünf Sterne.

ARD, 23.15 Uhr