Hamm. Nach dem Raubmord in einem Supermarkt in Hannover hat die Polizei einen Tatverdächtigen wieder freigelassen. Zur Tatzeit war er nicht in Deutschland.
Zuerst der SEK-Zugriff, dann die Blamage: Der 48-jährige Mann, der am Donnerstag in Hamm mit einem länger vorbereiteten SEK-Einsatz festgenommen wurde, ist definitiv nicht der Supermarkt-Raubmörder von Hannover. „Wir haben ihn deshalb heute morgen aus dem Polizeigewahrsam in Hannover entlassen müssen“, sagt der Hannoveraner Oberstaatsanwalt Thomas Klinge.
Über eine Woche lang hatten sie ihn überprüft, waren sich zu „90 Prozent sicher“, dass er der Gesuchte sei. Dass es sich bei ihm um jenen skrupellosen Gewalttäter handelt, der am 4. Dezember in einem Supermarkt in Hannover einen 21-Jährigen erschossen und einen weiteren Mann schwer verletzt hatte.
Doch am Ende des Einsatzes in Hamm, nach intensiver Durchsuchung des Hauses, einer ehemaligen Gastwirtschaft, passt offenbar nichts mehr zusammen. Weder finden sie die Waffe, mit der der Raubmörder die Taten begangen haben soll, noch das Fahrrad, das er nutzte. „Auch Fingerabdrücke und die Körpergröße stimmten nicht mit denen des Täters überein“, so Klinge.
Ein Zeuge wollte den Hammer anhand von Phantombildern und einem Überwachungs-Video eindeutig als jenen Raubmörder erkannt haben, der am 4. Dezember in Hannover-Stöcken bei einem Überfall auf einen Lidl-Markt den 21-jährigen Kunden Joey K. erschoss. Doch spätestens Freitagmorgen war klar: Der Festgenommene kann es nicht gewesen sein.
Festgenommener war zur Tatzeit nicht in Deutschland
Dabei hatten die Ermittler, die dem Raubmörder rund 20 ähnliche Taten in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Hessen zuschreiben, nicht von jetzt auf gleich zugeschlagen. Vielmehr hatten sie eine Woche lang die Hinweise des Zeugen überprüft. So legten sie verschiedenen Tatzeugen Fotos des Mannes vor. „Drei von ihnen haben eindeutig gesagt: ‘Der ist es!’“, so Klinge.
Nun jedoch müssen die Ermittler feststellen, dass sie falsch lagen. Der Festgenommene war zum Zeitpunkt des Raubmordes Anfang Dezember nicht einmal in Deutschland, was sich offenbar auch durch Pass und Visumsstempel belegen ließ. Er sei, so Klinge, erst ein oder zwei Tage später wieder in Deutschland gewesen.
Supermarkt-Mörder soll auch in Unna eine Kassiererin angeschossen haben
Zu den Taten, die dem Supermarkt-Schützen zugerechnet werden, zählen auch zwei Überfälle in NRW. Der erste spielte sich im Februar in einem Lidl-Markt in Hamm ab. Die Kassiererin erlitt dabei eine Schussverletzung.
Der zweite fand am 17. April in Bottrop statt. Auch hier bedrohte der Mann die Kassiererin, zielte mit einer Waffe auf ihren Kopf und sagte: „Geld her oder ich schieße!“. Als er versuchte, mit dem Geld auf seinem Fahrrad zu flüchten, verfolgte die Kassiererin ihn sogar und wurde beschossen. Dennoch gelang es ihr, dem Täter die Tresorbox zu entreißen.
Bereits seit Monaten jagen die Ermittler den Unbekannten, am Donnerstag schienen sie sich ihrer Sache sehr sicher. Das jedoch war ein Irrtum, wie sie bald feststellen mussten. Dementsprechend enttäuscht zeigte sich am Freitagmittag Oberstaatsanwalt Klinge: „Es ist bitter! Die Suche geht weiter.“