Küsnacht. Die Rock-Ikone Tina Turner wird am Mittwoch 75 Jahre alt und lebt ein ruhiges Leben in der Schweiz - ihrer neuen Heimatstadt Küsnacht hat sie die Weihnachtsbeleuchtung spendiert. Eine große Feier plant sie nicht. Nach einem extrem bewegten Leben genießt sie jetzt die Ruhe und Beschaulichkeit.
Eine Rede? Oder eine Feier sogar? Nur weil am Mittwoch erstmals die neue Weihnachtsbeleuchtung eingeschaltet wird, die die bekannteste Bürgerin der Stadt gespendet hat? Na ja, vielleicht auch, weil die Spenderin Tina Turner heißt und an diesem Tag 75 Jahre alt wird. Nein, heißt es aus dem Rathaus im schweizerischen Küsnacht, öffentliche Auftritte jedweder Art seien nicht geplant.
Tina Turner weiß diese Diskretion sehr zu schätzen. „Meine Privatsphäre wird respektiert“, hat sie im Sommer in einem ihrer wenigen Interviews gesagt und bestätigt: „Hier habe ich meinen Seelenfrieden gefunden.“
"Private Dancer" war Tina Turners Solo-Durchbruch
Es ist ein Frieden, nach dem sie lange gesucht hat, in einem Leben, das über Jahrzehnte einer Achterbahnfahrt glich. Mitte der 1970er-Jahre stürzt die im Südstaatennest Nutbush als Anna Mae Bullock geborene Sängerin erstmals vom Gipfel, den sie mit Show-Partner und Ehemann Ike Turner erklommen hat. Zusammen sind sie Mitte der 60er-Jahre mit Songs wie „River Deep Mountain High“ und „Nutbush City Limits“ zu Stars geworden. Beruflich hat der drogenabhängige Ike sie groß gemacht, privat zerstört er sie beinahe. Immer wieder verprügelt er seine Frau, sperrt sie ein. Erst 1976 hat Tina die Kraft, ihn zu verlassen und auf eigenen Beinen zu stehen
Mit einem Berg voller Schulden muss die alleinerziehende Mutter von zwei Söhnen neu anfangen. Ganz unten, ganz allein. Aber das Kind eines schwarzen Plantagen-Vorarbeiters und einer Mutter mit indianischem Blut ist zäh. Sie tingelt, bis endlich wieder eine Plattenfirma auf sie aufmerksam wird. Die ersten beiden Alben floppen, das dritte heißt „Private Dancer“. Es verkauft sich 1984 allein in Deutschland mehr als eine Million mal. Sie ist wieder oben – und nicht mehr allein. Erwin Bach, Manager ihrer Plattenfirma, wird ihre neue Liebe und ist es bis heute geblieben.
Mit Löwenmähne und Mini Lederrock
„Private Dancer“ macht Turner zur Legende. Überall auf der Welt, aber vor allem in Deutschland. Wie eine Urgewalt fegt sie bei ihren Konzerten mit Reibeisenstimme und lasziver Erotik über die Bühne. Löwenmähne und Netzstrümpfe, High Heels und Mini-Lederrock. Mit „Megatonnen Energie“ und „Oberschenkeln, die ein Autochassis zermalmen könnten“, wie Kritiker damals schwärmen. Kein Püppchen, keine Diva, keine Prinzessin. Eine „Queen Of Rock“.
Und sie ist eine Herrscherin, die weiß, wann es Zeit ist abzudanken. 2009 geht sie das letzte Mal auf Tour – 70 Jahre alt, aber immer noch weit weg von der Pop-Oma, zu der sie alle schon lange machen wollen. Heute hat sie etwas von einem vierblättrigen Kleeblatt. Man weiß, dass es sie gibt, man sieht sie nur so selten. Vor einigen Wochen war sie auf dem Oktoberfest, strahlend, gut aussehend, ohne Dirndl aber mit einer Maß Bier in der Hand und Erwin Bach, den sie im vergangenen Jahr geheiratet hat, an ihrer Seite.
Tina Turner ist mittlerweile Schweizerin
1994 sind die beiden in die Schweiz gezogen. Turner hat dort fleißig deutsch gelernt, sich mittlerweile einbürgern lassen und ihre US-Staatsbürgerschaft aufgegeben. Hin und wieder bannt die bekennende Buddhistin esoterische Musik auf CD, macht ansonsten nur noch, worauf sie Lust hat. Lange schlafen etwa. „Lazy Lifestyle“ nennt sie das – auf deutsch etwa „entspannter Lebensstil“.
Große Veränderungen sind angeblich nicht mehr zu erwarten. „Ich brauche nicht mehr durch die Welt zu reisen. Ich habe hier alles, was ich brauche.“ Nun also auch die passende Weihnachtsbeleuchtung. 80 goldene Kränze, für angeblich 250. 000 Franken, heißt es, was offiziell niemand bestätigt in der Gemeinde. Wenn man dort überhaupt etwas sagt über die prominente Anwohnerin, dann nur Positives. „Tina Turner drängt sich bei uns nicht in den Vordergrund“, hat der Küsnachter Gemeindepräsident Markus Ernst jetzt noch einmal klargestellt. Jedenfalls habe sie sich mit der neuen Weihnachtsbeleuchtung kein Denkmal setzen wollen, ist er überzeugt. „Sie freut sich wohl einfach“, glaubt Ernst, „wenn die Straße, an der sie wohnt, schön leuchtet.“