Essen. Die Werbung für die ARD-Themenwoche „Toleranz“ polarisierte die Netz-Gemeinde. Dann stiegen Grünen-Politiker Volker Beck und einige Verbände ein. Jetzt rudert die ARD zurück. Sie habe niemanden persönlich verletzen wollen, hieß es. Zugleich gibt das Erste zu, dass sie Provokation in Kauf genommen habe.

Was verbindet einen dunkelhäutigen Mann, einen Mann, der einen anderen küsst, ein schreiendes Kind und einen Rollstuhlfahrer? Sie sind Teil einer Werbekampagne für die ARD-Themenwoche „Toleranz“. Sie heißt „Anders als du denkst“. So weit, so gut. Was aber für Unmut in Teilen der Öffentlichkeit sorgt, sind die provokanten Begleittexte. Vor allem die Alternativ-Fragen über dem Schwarzen („Belastung oder Bereicherung?“) und über dem Männer-Paar („Normal oder nicht normal?“) lösten in den sozialen Netzwerken im Internet einen Sturm der Entrüstung aus.

Laura Gehlhaar, beispielsweise, twitterte zur Kritik an der „Toleranzwoche“: „Gut gemeint, schlecht gemacht.“ Der Ton ihrer Stellungnahme war im Vergleich zu anderen Internet-Nutzern außerordentlich zurückhaltend. Philipp Wild hielt die ARD-Toleranzwoche für einen „Witz“. Seinen Ärger machte er daran fest, dass in einem Talk des Hessischen Rundfunks Schwulen-Kritiker Matthias Matussek zu Wort komme. Werner Gaßner äußerte sich ebenfalls bei Twitter ebenso grundsätzlich wie drastisch: „Es ist sowas von zum Kotzen mit diesen öffentlichen Fernsehsendern.“

Kampagne war offenbar auch ARD-intern umstritten

Die Kritik an der ARD-Kampagne machten sich inzwischen auch der Bundestagsabgeordnete Volker Beck (Grüne), die Verbände Sozialhelden und Binationale Familien und Partnerschaften sowie die grünen-nahe Heinrich-Böll-Stiftung in einem offenen Brief an die Geschäftsführerin aller ARD-Gremien, Susanne Spiekermann, zu eigen. Die Unterzeichner werfen der ARD vor, in ihrer Werbung die Frage zu stellen, ob sich die Gesellschaft gegen Rassismus und Diskriminierung wenden solle. Die Frage laute aber, wie gegen Vorurteile und Benachteiligung vorzugehen sei. Die Unterzeichner des offenen Briefes setzen die Werbung des Ersten mit einem „sehr kalten Wind aus Russland“ gleich. Die Wortwahl verdecke die guten Absichten der Themenwoche.

Die Kampagne war auch senderintern nicht unumstritten, wie der Branchendienst „dwdl.de“ unter Berufung auf drei namentlich nicht genannte Redakteure des öffentlich-rechtlichen Senderverbundes berichtete. Demnach hatten sie gefordert, die Werbung für die Themenwoche solle auf Einbeziehung von Minderheiten abzielen, nicht auf deren bloße Duldung.

"Eine gewisse Provokation"

Die ARD reagierte mit einer Rechtfertigung. Themenwochen-Koordinator Hans-Martin Schmidt: „Die Kritik nehmen wir selbstverständlich ernst. Wir haben mit den Plakaten anscheinend einen Nerv getroffen. An den Aussagen auf den Plakaten soll sich der Betrachter reiben. Intolerantes Verhalten wird oft von Äußerlichkeiten und Vorurteilen geprägt. Genau damit spielt die Kampagne.“ Schmidt weiter: „Eine gewisse Provokation haben wir dabei in Kauf genommen.“ Doch niemand sollte „persönlich verletzt“ werden.

Die Branchendienst „dwdl.de“ verwies darauf, dass Provokation üblicherweise Markenzeichen werbefinanzierter Sender sei.

Tatsächlich will die ARD mit ihren im Jahr 2006 eingeführten Themenwochen einen Kernauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mustergültig erfüllen. Die Themen wechseln, das Ziel bleibt: Es geht immer um gesellschaftliche Relevanz. Die ARD will Debatten anstoßen. Ob dazu auch eine Debatte über marktschreierische Werbung zählen sollte, darf bezweifelt werden.