Düsseldorf. Ehrenamtliche beim Technischen Hilfswerk werden neuerdings in NRW steuerlich behandelt wie Festangestellte. Das stößt auf Kritik.

In der Hitparade der Politiker-Reden steht das Loblied auf das Ehrenamt regelmäßig weit vorne. Auch die nordrhein-westfälische Landesregierung hebt immer wieder den Einsatz der Freiwilligen im Lande hervor, ohne den die Gesellschaft nicht funktionieren würde. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks (THW) dürften derzeit allerdings schmunzeln, wenn sie die wohlgesetzten Worte hören. Denn momentan macht ihnen die nordrhein-westfälische Finanzverwaltung das Leben schwer.

Das Finanzamt Bonn-Mitte, dort hat das THW seinen Bundessitz, hat entschieden, die ehrenamtlichen Kräfte neuerdings steuerrechtlich wie vollwertige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu behandeln. Das hat einen erheblichen bürokratischen Mehraufwand zur Folge. Und zwar auf beiden Seiten: Helferinnen und Helfer sowie das THW selbst müssen Mitteilungspflichten erfüllen, das Finanzamt muss die Angaben prüfen. Und das, obwohl es sich in der Regel um Aufwandsentschädigungen, Verdienstausfall, Reisekosten, Fahrgeld sowie Auslandsverwendungszuschläge handelt und Freibeträge nicht überschritten werden. Einen Arbeitslohn erhalten die Ehrenamtler nicht.

Brief an Finanzminister Christian Lindner

Die THW-Bundesvereinigung, die die Arbeit des THW und der mehr als 80.000 ehrenamtlich engagierten Helferinnen und Helfer unterstützt, kann dieses Vorgehen nicht nachvollziehen. Ihr Präsident, der SPD-Bundestagsabgeordnete Martin Gerster, hat deshalb Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) per Brief aufgefordert, der NRW-Finanzverwaltung Einhalt zu gebieten.

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„Um den ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern zusätzliche steuerrechtliche Mitteilungspflichten zu ersparen, sollte ehrenamtliche Arbeit weiterhin als genau diese ausgelegt werden und mit einem möglichst geringen bürokratischen Aufwand wertgeschätzt werden“, heißt es in dem Schreiben, das dieser Zeitung vorliegt. „Daher möchte ich Sie herzlich bitten, von Seiten des Bundesministeriums der Finanzen mit der Finanzverwaltung Nordrhein-Westfalen mit dem Ziel in Kontakt zu treten, die Änderung der steuerrechtlichen Mitteilungspflichten so bald wie möglich zurückzunehmen oder über ein Rundschreiben Ihres Ministeriums dafür zu sorgen, dass dieser hohe bürokratische Aufwand gestoppt und rückgängig gemacht wird.“ Ein ähnliches Schreiben hat das Bundesfinanzministerium bereits aus dem Bundesinnenministerium erreicht.

Viele Stunden in ihrer Freizeit investieren Ehrenamtliche in das Technische Hilfswerks (THW) – wie hier bei einer Übung in Essen. Jetzt sehen sie sich neuer Bürokratie ausgesetzt.
Viele Stunden in ihrer Freizeit investieren Ehrenamtliche in das Technische Hilfswerks (THW) – wie hier bei einer Übung in Essen. Jetzt sehen sie sich neuer Bürokratie ausgesetzt. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Die Landesregierung bleibt jedoch bisher bei ihrer Linie. Eine Anfrage der WESTFALENPOST reichte das Finanzministerium an die Oberfinanzdirektion weiter. In der Antwort heißt es: „Kennzeichnend für die steuerliche Einordnung als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer ist insbesondere, dass eine Person weder unabhängig noch eigenverantwortlich tätig ist (Weisungsgebundenheit) und in die Organisation des Arbeitgebers eingegliedert ist.“ Die steuerlichen Vorgaben seien unabhängig davon anzuwenden, ob eine Person in einem Haupt- oder einem Nebenbeschäftigungsverhältnis oder bei einem öffentlichen Träger in einem Ehrenamtsverhältnis tätig ist.

THW-Bundesverband hält sich offiziell mit Kritik zurück

Das THW selbst hält sich mit Kritik zurück, was Insider nicht überrascht: Es handelt sich um eine Bundeseinrichtung, die es sich mit Bund und Land nicht verscherzen möchte. „Zukünftig ergeben sich sowohl für das THW selbst als auch für die THW-Helferinnen und -Helfer zusätzliche Dokumentations- und Deklarationspflichten. Damit geht ein zeitlicher und personeller Aufwand einher“, räumt die Pressestelle auf Anfrage dieser Zeitung ein. „Als Bundesanstalt sind wir rechtlich verpflichtet, den Änderungen nachzukommen.“ Die Organisation habe eine Steuerberatung beauftragt, um die „wichtigsten Fragen“ für THW-Helferinnen und -Helfer zu beantworten.

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„Für das Ehrenamt stellt die Änderung zunächst eine Herausforderung dar und es entstanden Fragen. Diese dürften nun jedoch beantwortet sein bzw. zeitnah gelöst werden. Deshalb sehen wir in diesem Prozess keine größeren Nachteile für das Ehrenamt“, teilt das THW mit.

Die Helferinnen und Helfer müssen nun allerdings mit Steuerfragen befassen, obwohl sie in der Regel die Freibeträge nicht überschreiten. Das Finanzamt muss die Erklärungen prüfen – mit dem Ergebnis, dass in den meisten Fällen keine zusätzlichen Abgaben fällig werden. Viel Arbeit, wenig Ertrag also.

„Die Entscheidung des Finanzamtes bedarf dringend einer Klarstellung durch das Land NRW“, kritisiert Dirk Wiese. Der Briloner SPD-Bundestagsabgeordnete ist in seiner Fraktion unter anderem für den Katastrophenschutz zuständig. „Die Arbeit der ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer bei uns vor Ort beim THW muss vielmehr unterstützt und darf nicht zusätzlich erschwert werden“, sagt er.

Die Frage, wie sich dieses Vorgehen mit dem Ziel der Landesregierung verträgt, das Ehrenamt möglichst attraktiv zu gestalten, ließ die Oberfinanzdirektion in NRW unbeantwortet.