Düsseldorf. SPD und Grüne wollen den Wegfall der Stichwahlen bei der Kommunalwahl per Klage vor dem nordrhein-westfälischen Verfassungsgerichtshof stoppen. Bislang war noch ein zweiter Wahlgang vorgeschrieben, wenn keiner der Kandidaten bei einer Bürgermeisterwahl 50 Prozent der Stimmen erreichte.

SPD und Grüne wollen die Bürgermeister weiter in die Stichwahl schicken. Den Wegfall der Stichwahlen bei der Kommunalwahl per Klage wollen die Parteien vor dem NRW-Verfassungsgerichtshof kippen. Der von der CDU/FDP-Landesregierung beschlossene Verzicht auf einen zweiten Wahlgang bei den Bürgermeister- und Landratswahlen schwäche die demokratische Legitimation der Gewählten, teilten SPD-Fraktionschefin Hannelore Kraft und Grünen-Fraktionschefin Sylvia Löhrmann am Montag gemeinsam in Düsseldorf mit. In anderen Bundesländern sei die Stichwahl eine Selbstverständlichkeit. Die CDU reagierte mit scharfer Kritik auf die erneute Klage der Opposition.

Hannelore Kraft. Foto: ddp
Hannelore Kraft. Foto: ddp © ddp WP

Neben dem «Legitimationsdefizit» durch mögliche Wahlerfolge mit geringen Wähleranteilen würden ohne die Stichwahlen auch kleinere Parteien und Wählerbündnisse benachteiligt, sagte der Düsseldorfer Staatsrechtler und Wahlrechts-Experte Martin Morlok. Da die Parteien Wahlbündnisse schmiedeten, um ihre Chancen bei einem einzigen Wahlgang zu wahren, schränke sich die «Gestaltungsmacht» der Wähler ein. Der Wegfall der Stichwahl sei eine «Perversion der Demokratie».

Bislang noch zweiter Wahlgang vorgeschrieben

Bei der Kommunalwahl 2004 war noch ein zweiter Wahlgang vorgeschrieben, wenn keiner der Kandidaten bei einer Bürgermeister- oder Landratswahl 50 Prozent der Stimmen erreichte. Diese Vorschrift wurde 2007 von der schwarz-gelben Koalition gestrichen. Mehrere Nachwahlen in den Städten wurden bereits nach neuem Recht abgehalten.

Während CDU und FDP mit der Konzentration auf einen einzigen Wahlgang die Wahlbeteiligung erhöhen wollten, sah die Opposition darin von Anfang an ein wahltaktisches Manöver. Nach Angaben der Grünen gab es bei der Kommunalwahl 2004 34 Fälle, in denen sich in der Stichwahl nicht der Bewerber durchsetzte, der im ersten Wahlgang vorn gelegen hatte. In nur zwei Fällen habe dabei ein CDU-Kandidat gewonnen. In den kreisfreien Städten und Landkreise hätten sich bei sechs solcher Stichwahlen immer die SPD-Kandidaten durchgesetzt.

Der Verfassungsgerichtshof in Münster hatte der CDU/FDP-Regierung Mitte Februar bereits die geplante Zusammenlegung der Kommunal- mit der Europawahl am 7. Juni verboten. SPD und Grüne hatten gegen die Vorverlegung der Kommunalwahl auf den Tag der Europawahl geklagt, da die Amtszeit der bisherigen Bürgermeister und Stadträte in Nordrhein-Westfalen erst im Oktober endet.

Auch gegen neuen Termin werden Klagen geprüft

Innenminister Ingo Wolf (FDP) legte daraufhin den 30. August als neuen Termin für die Kommunalwahl fest. Der kommunale Urnengang solle nicht im Bundestagswahlkampf untergehen, hieß es zur Begründung. SPD und Grüne prüfen auch dagegen erneute Klagen.

CDU-Fraktionsgeschäftsführer Peter Biesenbach warf SPD und Grünen wegen der weiteren Klage eine «Sonthofen»-Strategie vor. Dass der Opposition eineinhalb Jahre nach Verabschiedung der neuen Regelung Zweifel gekommen seien, sei nicht glaubwürdig. In den 1970ern Jahren war dem damaligen CSU-Chef Franz Josef Strauß nach einer Rede in Sonthofen eine Obstruktionspolitik gegen die SPD/FDP-Bundesregierung von Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) vorgeworfen worden.

Auch die FDP kritisierte den erneuten Gang nach Münster. «Die Klage von SPD und Grünen ist der durchschaubare Versuch, den Verfassungsgerichtshof politisch zu instrumentalisieren», sagte FDP-Fraktionschef Gerhard Papke. SPD und Grüne «setzen nur noch auf eine reine Verunsicherungs- und Blockadepolitik».

Die Vergangenheit habe gezeigt, «dass die Wahlbeteiligung bei Stichwahlen im Durchschnitt um 10 Prozent bis 15 Prozent niedriger ausfiel als bei der Hauptwahl», sagte Innenminister Wolf. Nicht selten hätten unterlegene Bewerber bei der Hauptwahl mehr Stimmen erzielt als die Gewinner bei der Stichwahl. «Deshalb ist ein in einem Wahlgang Gewählter genauso demokratisch legitimiert wie nach einer Stichwahl», ergänzte der FDP-Politiker. (ddp)

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