Essen. Ganztagsbetreuung für Kinder unter drei, offener Ganztag an Schulen, Qualitätssicherung bei Tagesmüttern: Familienministerin von der Leyen hat sich eine Menge vorgenommen. DerWesten fragt nach, wie es um die Reformbemühungen in NRW bestellt ist. Kritik gibt's vor allem an Hauruck-Aktionen.

Glaubt man der Landesregierung in NRW, lässt die hausgemachte Ganztagsinitiative nichts zu wünschen übrig. „Mit den jetzt noch einmal zusätzlichen 10 400 Plätzen rückt Nordrhein-Westfalen deutlich weiter vor im bundesweiten Vergleich der Betreuungsangebote für die ganz Kleinen,“ sagte Jungendminister Armin Laschet (CDU) anlässlich der überraschenden Bewilligung zusätzlicher Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren im Februar.

Opposition bleibt skeptisch

Die Opposition bleibt skeptisch: Die zusätzlich bewilligten Plätze der Landesregierung kämen für dieses Jahr zu spät; die Planungen der meisten Betreuungseinrichtungen für das Kindergartenjahr 2009/2010 seien längst abgeschlossen, so Grünenpolitikerin Andrea Asch. „NRW dürfte damit im Ländervergleich auf einem der Abstiegsplätze bleiben,“ rügte die Familienpolitikerin.

Kommunen fehlt Zeit

Auch die Kommunen sehen die Lage nicht so rosig. Probleme bereite die Betreuung für die ganz Kleinen nach wie vor. „Hier übersteigt der Bedarf ganz klar das Angebot,“ sagt Antje Beierling, Geschäftsführerin des Landesverbandes des Vereins Alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV). Trotzdem: Viele Maßnahmen seien gut angestoßen worden, so Beierling, jetzt müsse man Kommunen und Trägern auch Zeit für die Umsetzung lassen. Der Umbau von Kindertagesstätten und die Ausbildung von Erziehern und Tagesmüttern ließen sich nun mal nicht von heute auf morgen bewerkstelligen.

Qualitätssicherung bei Tagesmüttern

Gerade hinsichtlich der Tagesmütter ist in NRW schon viel geschehen: In einem Modellprojkt zur Qualitätssicherung von Bundesregierung und Europäischer Union sind Fachberatungen für Tagesmütter geschaffen worden; als Nächstes soll die Qualifizierung vereinheitlicht werden. Eine weitere Maßnahme: Für die Berufsmütter gibt es mehr Geld, um den Job attraktiver zu machen und die privaten Betreuerinnen bei der Stange zu halten.

„Offener Ganztag“ mausert sich

Vorsichtiger Optimismus ist auch bezüglich des viel gescholtenen „Offenen Ganztages“ der Schulen zu spüren. „Der Offene Ganztag ist in NRW mittlerweile gut ausgebaut,“ lobt GEW-Sprecherin Ilse Führer-Lehner. Probleme gäbe es allerdings noch genug, vor allem, was die qualifizierte Betreuung angehe. Es fehle an Räumen, Fachkräften, aber auch pädagogoischen Konzepten für den Ganztag.

Ein weiteres Problem: Seit die weiterführenden Schulen Stück für Stück zu Ganztagsschulen umgebaut werden, ist für Grundschulen, die ebenfalls eine Ganztagsbetreuung anbieten möchten, vielerorts kein Geld mehr da. Für berufstätige Eltern eine Katastrophe: Grundschulkind und Job unter einen Hut zu bekommen, grenzt ans Unmögliche.

Maßnahmen weiterhin unterfinanziert

Immer wieder Thema: das liebe Geld. „In Deutschland wird viel zu wenig für Bildung ausgegeben“, so Führer-Lehner. Die meisten Industrie-Nationen investieren mehr in ihre jeweiligen Bildungssysteme als Deutschland.

Sowohl innerhalb der Kommunen, als auch zwischen Landesregierung und Trägern kommt es deshalb immer wieder zu Streitigkeiten. Mal werden die knappen Gelder in unsinnige Projekte gesteckt, wie zum Beispiel in Schulen, die kurze Zeit nach ihrem Umbau zur Ganztagseinrichtung geschlossen werden. Mal verwendet die Landesregierung Gelder für den Aufbau des Ganztagsbetriebes, die eigentlich zur Sanierung von Kindertagesstätten gebraucht würden.

"Hau-Ruck-Mentalität" bei Umsetzung

Träger und Kommunen beklagen aber vor allem die „Hau-Ruck-Mentalität“, mit der viele Regierungsmaßnahmen auf den Weg gebracht würden. Dabei blieben langfristige Planungen auf der Strecke und das löse viele der Probleme aus.

„Es ist wie bei einem Autobauer, der ein neues Modell bauen möchte, und dann zwar einen schönen Katalog drucken lässt, aber vergißt, Material zu bestellen,“ sagt Gerhard Stranz, Geschaftsführer der nordrhein-westfälischen Waldorfkindergärten. Ob ausgerechnet im Super-Wahljahr statt Katalogen Fakten geschaffen werden, darf bezweifelt werden.