Berlin. Frauen, denen zu Hause Gewalt widerfährt, finden nicht immer ausreichend Hilfe. Demnach suchen bis zu 17 000 Frauen im Jahr Zuflucht in Frauenhäusern, mehr als 7000 müssen wegen Platzmangel aber wieder abgewiesen werden. Ein neues Hilfstelefon soll helfen, die Lücke zu schließen.
Der Schutz und die Versorgung von Frauen, denen zu Hause Gewalt widerfährt, ist
in Deutschland nicht hundertprozentig sichergestellt. Zu diesem Ergebnis kommt
ein vom Bundesfamilienministerium in Auftrag gegebenes Gutachten, das am
Mittwoch vom Kabinett gebilligt wurde. Es gebe zwar ein dichtes,
ausdifferenziertes Netz an Unterstützungseinrichtungen, erklärte Ministerin
Kristina Schröder (CDU). "Dennoch finden nicht alle Betroffenen die
Unterstützung, die sie brauchen", ergänzte sie.
Der Bericht listet erstmals umfassend die Zahl der Frauenhäuser und
Beratungsstellen auf. Demnach gibt es in Deutschland rund 350 Frauenhäuser und
40 Schutzwohnungen, die insgesamt 6.000 Plätze für hilfesuchende Frauen zur
Verfügung stellen.
Jährlich können dort 15.000 bis 17.000 Frauen mit ihren
Kindern unterkommen. Mit Blick auf die Kinder der Betroffenen komme man
auf etwa 30.000 bis 34.000 Personen pro Jahr, die der meist durch den
Lebenspartner ausgeübten Gewalt auf diese Weise entfliehen. Allein in den Frauenhäusern suchten 2010 mehr als 11.000
Frauen Schutz vor Gewalt.
Viele Frauen müssen an andere Häuser verwiesen werden
Mehr als 7.000 Frauen mussten dem Bericht zufolge wegen Platzmagels
in einer Einrichtung an ein anderes Frauenhaus verwiesen werden. Bei einer
Befragung gaben fast die Hälfte der Schutzeinrichtungen und Beratungsstellen an,
dass sie Wartelisten für hilfesuchende Frauen führen müssen.
Das Gutachten des Ministeriums geht zudem davon aus, dass noch mehr
Frauen Hilfe benötigen, sich wegen unterschiedlicher Hürden aber nicht an die
Einrichtungen wenden. Dazu zähle unter anderem die Sorge, im Nachhinein für den
Aufenthalt dort selbst finanziell aufkommen zu müssen.
Der Bericht schlägt daher
vor, in den Ländern oder auf kommunaler Ebene, wo die Verantwortung für die
Angebote liegt, Bedarfsplanungen modellhaft zu berechnen, wie dies
beispielsweise bei Krankenhäusern, Pflegeangeboten oder der Jugendhilfe
geschieht.
Nachholbedarf bei Migrantinnen, Behinderten und psychisch Kranken
Nachholbedarf sieht der Bericht auch bei Angeboten für Frauen mit
speziellem Unterstützungsbedarf. So sehen sich laut Befragung nur sechs Prozent
der Einrichtungen als gut dafür geeignet an, behinderten Frauen bei Gewalt
Unterstützung zu bieten. Nur sechs Prozent sind auf die Bedürfnisse psychisch
kranker und nur zwei Prozent auf die von suchtkranken Frauen vorbereitet.
Auch
ein besseres Eingehen auf Migrantinnen, beispielweise durch Sprachschulungen,
mahnt der Bericht an. Aus eigener Sicht halten sich jedoch 85 Prozent der
Einrichtungen als gut geeignet für Beratung und Unterstützung von
Migrantinnen.
Bundesweites Hilfstelefon soll ab 2013 Lücke im Hilfesystem schließen
Neben den Frauenhäusern und Schutzwohnungen gibt es in Deutschland
dem Bericht zufolge rund 750 Beratungsstellen. Hinzu kommen 130 sogenannte
Interventionsstellen bei häuslicher Gewalt sowie 40 Fachstellen, die sich
beispielsweise auf Frauenhandel, Zwangsverheiratung oder Stalking spezialisiert haben.
Ab 2013 soll es ein bundesweites Hilfetelefon bei Gewalt gegen Frauen geben. Es
solle eine Lücke im Hilfesystem für Frauen schließen, kündigte Kristina Schröder an. Verbesserungsbedarf sieht Schröder zudem bei der Finanzierung. Die
Bundesländer regeln dies unterschiedlich. Meist
werden die Mittel für die Leistungen der Frauenhäuser über eine
Mischfinanzierung aus Fördermitteln der Länder und über Tagessätze aufgebracht.
Schröder nimmt Bundesländer in die Pflicht
"Hier sehe ich in erster Linie die Bundesländer gefordert", sagte Schröder. Die
Länder sollten "ihren Gestaltungsspielraum so nutzen, dass die Einrichtungen auf
eine verlässliche und transparente finanzielle Grundlage gestellt sind". Eine Neuordnung durch ein eigenständiges Bundesgesetz sei nach Auffassung der
Bundesregierung derzeit nicht erforderlich, erklärte das Familienministerium.
Das größte Angebot für Frauen mit Gewalterfahrung gibt es der
Untersuchung zufolge in den Ballungszentren und Stadtstaaten. In ländlichen
Gebieten existierten hingegen deutlich weniger Einrichtungen. Suche eine Frau
dort Schutz, müsse sie oft weite Wege in Kauf nehmen, mitunter auch ihren
Arbeitsplatz und ihr gewohntes Umfeld völlig aufgeben.
Mobile Beratung auf dem Land
In der Studie wird daher
empfohlen, auf dem Land stärker auf mobile Beratungsangebote zu setzen. Die
größte Chance auf Zuflucht haben Frauen statistisch gesehen in Bremen. Hier gibt
es pro 10.000 Einwohnerinnen 3,63 Frauenhausplätze. Das geringste Angebot hat
Bayern mit umgerechnet nur 0,53 Plätzen. (epd/kna/afp)