Berichte über ein weiteres Massaker in Syrien haben am Freitag für internationale Empörung gesorgt und neue Forderungen nach einer bindenden Syrien-Resolution im Weltsicherheitsrat laut werden lassen. Nach Angaben von Aktivisten sollen Anhänger des syrischen Regimes am Donnerstag in einem Bauerndorf Dutzende Menschen getötet haben.
Beirut (dapd). Berichte über ein weiteres Massaker in Syrien haben am Freitag für internationale Empörung gesorgt und neue Forderungen nach einer bindenden Syrien-Resolution im Weltsicherheitsrat laut werden lassen. Nach Angaben von Aktivisten sollen Anhänger des syrischen Regimes am Donnerstag in einem Bauerndorf Dutzende Menschen getötet haben. Am Freitagabend senkten Aktivisten vor Ort ihre ursprünglichen Angaben von über 200 Toten. Unterschiedlichen Berichten zufolge kamen zwischen 70 und 150 Menschen ums Leben.
Regierungstruppen hätten zunächst die Ortschaft Tremse unter Artilleriebeschuss genommen, anschließend seien Bewaffnete eingerückt, teilten die Aktivisten mit. Der internationale Sondergesandte Kofi Annan sowie Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) zeigten sich "entsetzt" über die Berichte, die Bundesregierung forderte eine Untersuchung.
Die syrische Regierung müsse den UN-Beobachtern "unverzüglich" Zugang zu dem Ort Tremse gewähren, wo das Blutbad stattgefunden haben soll, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin. Es müsse geklärt werden, "was da vor sich gegangen ist und wem die Schuld dafür zukommt".
Tremse befindet sich in der Provinz Hama, unweit von Hula, wo die syrischen Truppen erst vor wenigen Wochen ein Massaker an Zivilisten verübt haben sollen. Syrische Aktivisten veröffentlichten Videos, die Dutzende Opfer des jüngsten Blutvergießens zeigen sollen. In einem der Videos lagen die Leichen von über 30 Menschen aneinandergereiht auf dem Boden. In weiteren Videos waren mindestens ebenso viele in einem Massengrab zu sehen.
Die genaue Zahl der Opfer war zunächst unklar. Die in London ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte teilte mit, mehr als 150 Menschen seien in der Provinz Hama ums Leben gekommen, die meisten davon in Tremse. Es habe sich aber nicht nur um Zivilisten gehandelt, Dutzende der Toten seien Rebellen der Freien Syrischen Armee gewesen.
En Aktivist nahe der Ortschaft revidierte am Abend über Skype seine Angaben, wonach die Namen von rund 200 Toten zusammengetragen worden seien. Stattdessen schickte er eine Liste mit den Namen von 103 Menschen, die angeblich getötet wurden. In der Gegend herrsche Chaos, während die Bewohner nach den Toten und Vermissten suchen würden, sagte der Aktivist, Bassel Darwisch.
Auch ein zweiter örtlicher Aktivist, Abu Ghasi al Hamwi, sagte am Freitagabend, er könne 74 Todesopfer bestätigen, nachdem er zuvor noch von mehr als 200 Toten gesprochen hatte.
Syrische Regierung beschuldigt "Terroristen"
Die syrische Regierung ließ über die staatliche Nachrichtenagentur ein gänzlich anderes Bild verbreiten. "Bewaffnete Terroristengruppen" hätten Tremse überfallen und wahllos auf die Bewohner geschossen, hieß es. Sicherheitskräfte hätten sich Gefechte mit den Bewaffneten geliefert, dabei seien drei Soldaten und rund 50 Bewohner ums Leben gekommen. Das Regime von Präsident Baschar Assad hat seit Beginn des Aufstands im März 2011 immer wieder "Terroristen" für die Gewalt im Land verantwortlich gemacht.
Aktivist Darwisch sagte, die Armee habe Tremse am Donnerstagmorgen umstellt, um Menschen daran zu hindern, aus der Ortschaft zu fliehen. Bis zum frühen Nachmittag (Ortszeit) hätten sie das Dorf mit Artilleriegeschossen, Panzergranaten und Raketen von einem Kampfhubschrauber unter Beschuss genommen, sagte Darwisch. Nach dem Bombardement sei die Armee mit bewaffneten Regierungsanhängern eingerückt, sogenannte Schabiha-Milizionäre, die Bewohner in den Straßen erschossen und erstochen hätten.
Der Aktivist al Hamwi, erklärte, örtliche Rebellen hätten versucht, die Soldaten zurückzuschlagen. Viele der Opfer seien getötet worden, als das Dach einer Moschee, in der sie Schutz gesucht hätten, von einer Granate getroffen worden und eingestürzt sei. Sowohl Darwisch als auch al Hamwi vermuteten religiöse Motive hinter der Gewalt. Tremse ist ein sunnitisches Dorf in einer Gegend, die auch von Christen und den regierenden Alawiten bewohnt wird.
Angaben lassen sich nicht unabhängig bestätigen
Angaben über Todesopfer in Syrien lassen sich kaum unabhängig bestätigen, da die Regierung in Damaskus die Berichterstattung ausländischer Journalisten seit Beginn der Unruhen vor mehr als einem Jahr weitgehend unterbindet. Laut Aktivisten hat die Gewalt im Land bislang mehr als 17.000 Menschen das Leben gekostet, die meisten davon Zivilpersonen.
Es ist nicht das erste Mal, dass syrische Aktivisten von einem Massaker durch Anhänger des Assad-Regimes berichten. Ende Mai sollen in Ortschaft Hula mehr als 100 Menschen getötet worden sein. Damals hieß es auch, dass Regierungstruppen zunächst das Feuer eröffnet und später Schabiha-Milizionäre Männer, Frauen und Kinder getötet hätten.
Die internationale Gemeinschaft zeigte sich schockiert über die Berichte. Die Tötung zahlreicher Menschen in Tremse verstoße gegen "das Unterfangen der Regierung, den Einsatz schwerer Waffen in Bevölkerungszentren zu beenden", sagte der UN-Sondergesandte Annan.
Außenminister Westerwelle sprach sich dafür aus, den Druck auf Damaskus zu erhöhen. "Die Spirale der Gewalt in Syrien dreht immer schneller. Wir müssen unsere Anstrengung deshalb noch einmal verstärken und im Sicherheitsrat in New York eine klare politische Antwort auf die Eskalation der Gewalt in Syrien geben", teilte das Auswärtige Amt am Freitag mit. Die US-Botschafterin bei den UN, Susan Rice, nannte die Berichte einen "Albtraum". Sie würden einmal mehr verdeutlichen, dass es eine bindende Resolution des UN-Sicherheitsrats gegen Syrien geben müsse, schrieb Rice auf Twitter.
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