Kurz vor dem Antrittsbesuch von François Hollande in Berlin zeigt sich die Bundesregierung zuversichtlich, eine “stabile Partnerschaft“ mit dem neuen französischen Präsidenten begründen zu können. Eine gute deutsch-französische Beziehung sei für beide Länder wichtig, betonte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Wochenende in einer Videobotschaft

Berlin (dapd). Kurz vor dem Antrittsbesuch von François Hollande in Berlin zeigt sich die Bundesregierung zuversichtlich, eine "stabile Partnerschaft" mit dem neuen französischen Präsidenten begründen zu können. Eine gute deutsch-französische Beziehung sei für beide Länder wichtig, betonte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Wochenende in einer Videobotschaft. Finanzminister Wolfgang Schäuble machte jedoch deutlich, dass Deutschland zu keinen Abstrichen am Fiskalpakt bereit ist und bietet stattdessen Wachstumsmaßnahmen an.

Hollande wird am Dienstag in Paris in sein Amt eingeführt und reist danach nach Berlin. Dort soll er mit militärischen Ehren empfangen werden. Anschließend ist ein Gespräch mit Merkel geplant. Die Bundeskanzlern unterstrich, dass sie sich auf das Treffen freue. "Daraus wird sich eine gute Zusammenarbeit entwickeln", sagte die CDU-Chefin.

Einer der Hauptstreitpunkte zwischen Berlin und der neuen Regierung in Paris ist der Fiskalpakt. Während Merkel keine Änderungen mehr an dem von 25 EU-Mitgliedsstaaten unterzeichneten Vertragswerk zulassen möchte, pocht der Sozialist Hollande auf Nachverhandlungen, um mehr Wachstum zu generieren. Schäuble sagte dazu der "Welt am Sonntag", es sei "üblich, dass Verträge, die geschlossen wurden, auch nach Wahlen ihre Gültigkeit haben". Das gelte auch für den Fiskalpakt.

Der CDU-Politiker zeigte sich jedoch offen für europäische Wachstumsmaßnahmen. Sinnvoll wäre, europäische Programme stärker zu fokussieren, zum Beispiel stärker zur Förderung der dualen Berufsausbildung zu nutzen, sagte Schäuble. Die Berufschancen junger Leute müssten "wichtiger sein als immer neue Autobahnen". Konjunkturprogramme auf Pump lehne Deutschland hingegen weiterhin ab. Grundsätzlich gesprächsbereit zeigte der Finanzminister sich auch, die umstrittenen gemeinsamen europäischen Staatsanleihen zu einem späteren Zeitpunkt einzuführen.

Ein Wachstumspaket fordern auch die deutschen Sozialdemokraten, die dem Vertrag im Bundestag zustimmen müssten, damit die Regierung die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit erreicht. "Ohne deutliche Zugeständnisse bei unseren Forderungen wird es keine Zustimmung der SPD geben", sagte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann "Spiegel Online". Als Bedingung nannte er etwa eine "Besteuerung der Finanzmärkte". Die Einnahmen aus dieser Transaktionsteuer müssten zur Finanzierung eines Wachstumspakts genutzt werden.

"Wir sind jederzeit bereit zu Verhandlungen", betonte Oppermann und fügte hinzu: "Es ist Frau Merkel, die bislang viel Zeit ungenutzt hat verstreichen lassen". Direkt vor dem Treffen Merkel-Hollande am Dienstag will die SPD-Spitze ihre Forderungen in Berlin noch einmal erläutern.

Die Linkspartei machte klar, dass sie dem europäischen Vorhaben in keinem Fall zustimmen werde. "Der Fiskalpakt muss abgelehnt und grundlegend neu verhandelt werden", sagte Fraktionsvize Dietmar Bartsch. Der Pakt bedeute Lohn- und Sozialkürzungen und bewirke das genaue Gegenteil von Wachstum.

Linke-Rechtsexperte Wolfgang Neskovic hält den Fiskalpakt wie auch den Rettungsschirm ESM gar für verfassungswidrig. "Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zum Lissabon-Vertrag eine rote Linie für die nach dem Grundgesetz mögliche europäische Vereinigung festgelegt", sagte er der Nachrichtenagentur dapd. Demnach müsse "die Mehrheit der Aufgaben und Befugnisse beim Nationalstaat bleiben" und dürfe nicht nach und nach auf europäische Institutionen übertragen werden. "Es darf sich nicht leise ein europäischer Bundesstaat einschleichen", warnte Neskovic. Fiskalpakt und ESM überschritten die rote Linie, "weil sie zu einer bundesstaatliche Haftungsunion führen", urteilte der frühere Richter am Bundesgerichtshof.

Bei einem weiteren Streitpunkt zwischen Berlin und Paris könnte sich derweilen eine Wende andeuten. So geht Außenminister Guido Westerwelle davon aus, dass Hollande seine Afghanistan-Abzugspläne überdenkt. "Ich bin sicher, auch in Frankreich will niemand, dass Afghanistan wieder zu einem sicheren Hafen für den Terrorismus wird", sagte der FDP-Politiker der "Welt". Westerwelle betonte, er sei optimistisch, das ein guter Weg gefunden werde.

Hollande hatte für den Fall seines Wahlsiegs angekündigt, sich für einen Abzug der französischen Soldaten schon in diesem Jahr statt 2014 einzusetzen.

dapd