Die Rollläden an den Fenstern sind heruntergelassen, die kleinen Backsteinhäuser am Bevrijdingsweg wirken ausgestorben. Eilig radelt ein Mann auf seinem Fahrrad an den großen Steinblöcken vorbei, die den Autos den Weg nach Kaldenkrichen versperren. Dort, am westlichen Rande Deutschlands, geht es für Kiffer direkt ins gelobte Land, zunächst ins niederländische Venlo mit seinen Coffeeshops.

Venlo (dapd-nrw). Die Rollläden an den Fenstern sind heruntergelassen, die kleinen Backsteinhäuser am Bevrijdingsweg wirken ausgestorben. Eilig radelt ein Mann auf seinem Fahrrad an den großen Steinblöcken vorbei, die den Autos den Weg nach Kaldenkrichen versperren. Dort, am westlichen Rande Deutschlands, geht es für Kiffer direkt ins gelobte Land, zunächst ins niederländische Venlo mit seinen Coffeeshops. Doch mit dem Drogen-Tourismus ist vom 1. Mai an Schluss. Dann sind die Shops in den Provinzen Limburg, Seeland und Nordbrabandt nur noch für Einheimische geöffnet - und von Januar 2013 an gilt das für alle Shops im Land.

Hinter einem lichten Birkenwäldchen lässt sich schon die braune Fassade von "Oase & Roots" erkennen, zwei angesagten Coffeeshops in Venlo. Der stämmige Sicherheitsmann Jeffrey Sams steht vor der Einfahrt, er winkt den Fahrern freundlich zu, die mit Rädern und Pkws zum Club abbiegen. "Jeden Tag kommen über 2.000 Autos, vor allem Deutsche, das war für die Innenstadt zu viel", weiß der Aufseher. Deshalb seien die beiden Coffeeshops vor acht Jahren direkt an die Grenze gezogen.

Bald wird alles über Privatadressen verkauft

Süßlicher Duft schlägt den Cannabis-Touristen in der "Oase" entgegen. Eine Frau im Nadelstreifenjackett bestellt an der Theke fünf Joints, in der Hand schwingt sie lässig eine Sonnenbrille. Zwei junge Männer aus Duisburg sitzen mit Kapuzenpullis auf Rattanstühlen und ziehen genüsslich an einer Tüte. Hans-Friedhelm aus Essen kehrt mit einer Hand feine Hanfpollen von einem Tisch ins Joint-Papier. Noch ist es voll in diesem buddhistisch dekorierten Kiffer-Paradies. Noch - denn das Traditionsgeschäft macht mit Inkrafttreten der Regelung zum 1. Mai dicht - auch für Niederländer. Über 20 Mitarbeiter verlieren ihre Jobs.

"Wir machen 80 Prozent unseres Umsatzes mit Ausländern", sagt eine Mitarbeiterin, die ihren Namen nicht nennen will. Das Geschäft lohne sich dann nicht mehr. Das Anti-Drogen-Paket habe die vorherige niederländische Regierung auf den Weg gebracht. Diese wollte so das Image als Kiffer-Nation bekämpfen. "Bald wird alles über Privatadressen verkauft: Koks, Ecstasy, Haschisch und Marihuana. Da wird mehr gepanscht", fürchtet die Mitarbeiterin. Zudem könnten Kinder leichter an Drogen gelangen. Sie zückt eine weiße Plastikkarte, den Mitgliedsausweis, den bald nur noch Niederländer tragen dürfen. Dieser soll sicherstellen, dass die Besucher volljährig sind und nur einmal pro Tag fünf Gramm Cannabis kaufen.

Hans-Friedhelm hat inzwischen genug Hanf gesammelt. Er leckt über das Joint-Papier, damit nichts herausfällt. Die "Oase" ist seit über 30 Jahren sein Stamm-Coffeeshop. Dass dieser dicht macht, findet er schade. "Das waren schöne Räumlichkeiten, nicht so eng wie in den anderen Läden", sagt er wehmütig, so als hätte er sich schon von dem Shop verabschiedet. Jeden Tag kommt er mit der Bahn und dem Fahrrad hierher, er nimmt schon lange keine Drogen mehr mit nach Hause. "Wegen eines halben Gramms habe ich einmal eine Bewährungsstrafe von drei Jahren bekommen", erinnert er sich noch gut. "Ich bin natürlich schon vorher auffällig gewesen", räumt er ein. Besitz und Konsum von Rauschgift sind in Deutschland verboten.

Die Leute hatten den Drogentourismus satt

Paul Holthuis will mit Drogen nichts zu tun haben. Der 53-jährige Niederländer kommt gerade mit dem Fahrrad von der Arbeit. Wie viele Kiffer-Touristen nimmt er den Bevrijdingsweg in Richtung seiner Wahlheimat Kaldenkrichen. "Anfangs wurde ich häufig angehalten, aber inzwischen kennt mich die Polizei", erzählt er. Persönlich belästigt fühlt er sich durch die ausländischen Kiffer nicht. Die Anwohner jedoch hätten sich massiv beschwert. "Viele Häuser standen zum Verkauf, weil die Leute den Dreckstourismus satt hatten", erinnert er sich. Denn überall hätten Joints auf den Straßen gelegen.

Der Drogen-Tourismus lasse jedoch bereits nach. "Die Kontrollen haben schon jetzt stark zugenommen", erklärt Holthuis. Das bestätigt auch ein Sprecher des nordrhein-westfälischen Innenministeriums. Die Polizei Viersen sei entlang der Grenze sehr aktiv. Die Behörden haben das Problem erkannt und wollen den Drogen-Tourismus im Grenzgebiet unterbinden. Vielleicht werden dann auch die Rollläden im Bevrijdingsweg wieder hochzogen, wenn nicht ständig Kiffer-Touristen eilig mit ihrem Fahrrädern und kleinen Päckchen in der Hosentaschen vorbei radeln.

dapd