Industrielle Landwirtschaft soll in Deutschland möglichst schnell der Vergangenheit angehören. Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) warb deshalb zum Auftakt der Grünen Woche in Berlin für eine “Green Economy“. Eine Landwirtschaft ohne Tierleid und Monokulturen forderte das Agrarbündnis aus Bauern, Umwelt- und Tierschützern. Die Grüne Woche als weltgrößte Leistungsschau der Ernährungswirtschaft
Berlin (dapd). Industrielle Landwirtschaft soll in Deutschland möglichst schnell der Vergangenheit angehören. Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) warb deshalb zum Auftakt der Grünen Woche in Berlin für eine "Green Economy". Eine Landwirtschaft ohne Tierleid und Monokulturen forderte das Agrarbündnis aus Bauern, Umwelt- und Tierschützern. Die Grüne Woche als weltgrößte Leistungsschau der Ernährungswirtschaft öffnet am Freitag für zehn Tage ihre Pforten. Erwartet werden wieder 400.000 Besucher. Partnerland 2012 ist Rumänien.
Aigner stellte eine "Charta für Landwirtschaft und Verbraucher" vor, mit der sie eine Brücke zwischen der Agrarbranche und den Konsumenten bauen will. Das Papier sei in einer breiten gesellschaftlichen Diskussion entstanden und beschreibe die künftigen Herausforderungen, aber auch die Zielkonflikte. "An die Stelle des Übereinander-Redens ist das Miteinander-Reden getreten", sagte die Ministerin.
Deutschland werde künftig bäuerliche und Boden gebundene Betriebe besonders unterstützen und regionale Wirtschaftskreisläufe stärken, erklärte Aigner. Der Verbrauch wertvoller Agrarflächen solle reduziert, knappe Ressourcen sollten wirksamer geschont werden. "Das Tierwohl werden wir stärken und dem Verbraucher in seinen Wahlmöglichkeiten bei Lebensmitteln über mehr Transparenz eine klare Orientierung bieten."
So sollen Verbraucher künftig auf einen Blick erkennen, ob Fleisch von Tieren aus artgerechter Haltung stammt. Aigner will sich auf EU-Ebene für die Einführung eines europäischen Tierwohlsiegels - ähnlich dem Biosiegel - einsetzen.
Bauernpräsident Gerd Sonnleitner sagte, im Großen und Ganzen könnten die Landwirte "den Charta-Überlegungen der Ministerin Aigner folgen, auch wenn sie für unsere Tierhalter harte Kost bedeuten". Die FDP-Agrarexpertin Christel Happach-Kasan kritisierte, die Charta greife zu kurz, weil sie den Einzelhandel mit seiner starken Nachfragemacht ausblende. Für die SPD fehlt, in welche Richtung Aigner die Landwirtschaft entwickeln will. Die Grünen nannten von einem "reinen Sammelsurium" an Ankündigungen.
Das Agrarbündnis kritisierte, die industrielle Tierhaltung biete weder Mensch noch Tier eine Perspektive. Die 24 Verbände riefen für Samstag zu einer Demonstration am Rande der Grünen Woche auf. Der Protest steht unter dem Motto: "Wir haben es satt - Bauernhöfe statt Agrarindustrie."
Heidrun Betz vom Deutschen Tierschutzbund sagte, 97 Prozent aller Puten und bis zu 96 Prozent aller Masthühner würden mit Antibiotika behandelt. Hochleistungszucht und nicht artgerechte Haltung machten die Tiere anfällig für Krankheiten. "Wenn die Politik den Mut nicht aufbringt, die Weichen umzustellen, riskiert sie weiteres Tierleid und gleichzeitig erhebliche Gesundheitsgefahren für die Menschen."
Hubert Weiger, Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland, sagte, in der Bevölkerung gebe es eine breite Unterstützung für eine Wende in der Agrarpolitik. "Solange aber die Agrarindustrie das Sagen hat, solange wird es Maiswüsten, Soja-Monokulturen und Palmölplantagen geben."
Der Naturschutzbund Deutschland forderte von den Bauern mehr Engagement für die Gesellschaft. "Obwohl sie ihr Einkommen zum großen Teil aus europäischen Agrarsubventionen beziehen, werden viele Landwirte ihrer Verantwortung für den Erhalt von artenreichen Landschaften, gesunden Böden und sauberen Gewässern nicht gerecht", sagte NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller.
Unterdessen bewerten die deutschen Bauern ihre wirtschaftliche Lage unverändert als gut. Nach dem extremen konjunkturellen Einbruch 2009 befinde sich die Landwirtschaft "in einem stabilen Aufwärtstrend", trotz Problemen bei den Schweinemästern und Ferkelzüchtern, sagte Bauernpräsident Sonnleitner. Im jüngsten Konjunkturbarometer Agrar sei der Index im letzten Jahresviertel 2011 im Vergleich zum Vorquartal etwas gestiegen. Allerdings seien die Erwartungen für die nächsten zwei, drei Jahre etwas verhaltender.
dapd