Remlingen (dapd). Eine Versammlung mit bis zu 300 Teilnehmern hatte die Bürgerinitiative "Aufpassen" bei den Behörden angemeldet. Doppelt so viele Menschen kamen am Silvesternachmittag bei Nieselregen zur Protestkundgebung am Atommülllager Asse. Die Anwohner sind in Sorge, dass sie auf den radioaktiven Abfällen, die zwischen 1967 und 1978 in dem ehemaligen Salzbergwerk vergraben wurden, sitzenbleiben. Denn die angekündigte Bergung der Fässer droht zu scheitern, bevor sie überhaupt begonnen hat.

102 Tonnen radioaktives Uran, 87 Tonnen strahlendes Thorium, 28 Kilogramm Plutonium und 500 Kilogramm extrem giftiges Arsen liegen in der Erde, wie Heike Wiegel, eine Veteranin des Asse-Protestes, sagt. Diese Stoffe dürften niemals ins Grundwasser gelangen.

2009 hatte das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) die Verantwortung für das marode Bergwerk übertragen bekommen. Ein Jahr später präsentierte die Behörde nach einem Vergleich verschiedener Optionen die Bergung der Abfälle als einzig sichere Möglichkeit für die Sanierung der Asse.

Ein ambitioniertes Vorhaben. Weltweit ist noch nie ein unterirdisches Atommülllager leer geräumt worden. Mit dem Herausholen der Fässer wäre es zudem nicht getan: Ein neuer Schacht muss in den Berg getrieben, ein oberirdisches Zwischenlager gebaut und eine dauerhafte Lagerstätte gefunden werden. Das in Bau befindliche Endlager Schacht Konrad, räumt BfS-Präsident Wolfram König ein, könne die Abfälle aus der Asse ohne ein neues Genehmigungsverfahren nicht aufnehmen. Dennoch schien das Projekt Rückholung zunächst auf einem guten Weg, die vom vorherigen Betreiber Helmholtz Zentrum geplante Flutung des Bergwerks vom Tisch.

Doch mit der Zeit wuchsen die Bedenken. Ein Streitpunkt waren die Kosten. Drei bis vier Milliarden Euro soll die Bergung nach ersten Schätzungen mindestens kosten. Wer soll dafür bezahlen? Die Betreiber der Atomkraftwerke, von denen der größte Teil des Mülls stammt? Oder die Steuerzahler - schließlich firmierte die Asse lange Zeit als Forschungsbergwerk.

Im Herbst rückte das Bundesumweltministerium vorsichtig von der Rückholung ab. Über die Schließung sei noch nicht endgültig entschieden, hieß es in Berlin. Und das niedersächsische Umweltministerium versah den Antrag des Betreibers, den Zustand der Atommüllfässer mittels Probebohrungen zu überprüfen, mit so vielen Auflagen, dass das BfS die Pläne Ende 2011 auf unbestimmte Zeit verschob.

"Beide Ministerien hintertreiben die Rückholung des Atommülls", sagte Robin-Wood-Aktivist Udo Sorgatz. "Unter dem Vorwand der Gründlichkeit werden immer neue Auflagen erteilt und der Prozess im bürokratischen Schneckentempo betrieben. Da muss doch der Eindruck entstehen, dass einige hoffen, dass die Asse rechtzeitig vor der Bergung des Atommülls absäuft und sich das Problem so von alleine erledigt."

So verzögere sich der Bau des zweiten Förderturms immer weiter, weil er womöglich in einem Naturschutzgebiet errichtet werden müsse. "Aber was nützt es den eventuell betroffenen Tieren und Pflanzen, wenn sie stattdessen in einigen Jahrzehnten atomar verseucht werden, weil die Asse abgesoffen ist und kontaminierte Salzlauge ausgepresst wird?"

Die Umweltschützer vermuten, dass manche Politiker keine Bilder von zerfressenen Fässern und einem strahlenden Brei aus Salzlauge und Atommüll wollen. Immer noch halten sich Gerüchte, dass in der Asse auch zahlreiche Kadaver von Affen und anderen Säugetieren entsorgt worden sind, mit denen in der Vergangenheit radioaktive Versuche gemacht wurden.

Niedersachsens Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel glaubt, dass eine Bergung der Fässer aus der Asse das Ende der Pläne für ein Endlager in Gorleben bedeuten könnte. Die Asse galt lange Zeit als Versuchsendlager und Pilotprojekt für Gorleben, in dem die Einlagerung von Atommüll in Salz geprobt werden sollte. Als Versuchskaninchen hätten sie lange genug herhalten müssen, sagten Redner auf der Silvester-Kundgebung. Jetzt sei es genug. "Die Rückholung muss sofort beginnen", verlangte Heike Wiegel.

dapd