Berlin (dapd). Noch vor wenigen Stunden hat eine Schauspielerin in dem ausgebeulten Ohrensessel gesessen. Erwartungsvoll muss sie die Wahrsagerin Gabriele Hoffmann angeschaut haben. Die 57-Jährige empfängt zweimal täglich Wissbegierige aus Deutschland, Österreich, Luxemburg und der Schweiz in ihrem Berliner Salon. Udo Lindenberg, Roy Black, Hildegard Knef und Johannes Heesters waren ihre Gäste. Persönliche Schicksale sind Hoffmanns Spezialität, dabei bekommt sie wohl auch gesellschaftliche Visionen - für 2012 und weitere Jahre.
Hoffmann deckt eine Skat-Karte nach der anderen auf. Acht liegen auf dem Kupfertisch nebeneinander, vier Reihen sind es an der Zahl. Eine Kartenlegerin wie ihre Oma ist die staatlich anerkannte Wahrsagerin aber nicht. Als Kind klaute sie dieser zwar die Karten und breitete sie vor ihren Schullehrern aus. Gedeutet hat sie die Bilder aber nie. "Ich habe dabei die Augen geschlossen", sagt Hoffmann und senkt ihren Kopf über den funkelnden Tisch. Die Karten dienen der Konzentration, die Prognose kommt in der Trance.
"Die Zukunft hängt natürlich nicht von den Sternen ab", warnt Michael Kunkel von der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP). Vermittelt werde eine "Pseudo-Sicherheit", die Probleme nicht löse. Hoffmann dagegen glaubt an das Übersinnliche: Geirrt habe sie sich in 38 Jahren Arbeit bestimmt schon. Dennoch meldeten sich viele, weil das Besagte eingetreten sei, sagt sie. Der Briefkasten ist voll von Schokolade, Keksen und Weihnachtspost - Präsente, die dankbare Kunden schickten.
Wichtig ist Hoffmann der persönliche Kontakt und die Vertrautheit ihrer Räume. Früher ließ sie sich einfliegen. Der Schah von Persien habe sie sechs Wochen vor seinem Sturz in seinem Land sehen wollen, sagt Hoffmann. Der Kaiser Jean-Bédel Bokassa (1921-1996) aus der Zentralafrikanischen Republik wollte sie in Lichtenstein treffen. Prophezeiungen in fremden Räumen macht Hoffmann nicht mehr. Im Hotelzimmer sehe sie Situationen aus dem Leben der Menschen, die vorher dort geschlafen hätten, sagt sie.
Klienten aus Deutschland, Österreich, Luxemburg und der Schweiz reisen seitdem zu ihr. Ihre Schicksale verwiesen zuweilen auf gesellschaftliche Entwicklungen in diesen Ländern. Schon Ende der 70er-Jahre habe sie bei vielen Menschen den Mauerfall gesehen. Den Start der Finanzkrise habe sie für den Zeitraum 2006 bis 2008 vorausgesagt, der "richtige Crash" komme nach 2014. Nach fünf bis sieben Jahren werde sich die Unruhe legen, prophezeit sie. Die Renten seien gesichert.
Die Gefahr sei groß, dass Europa an der Finanzkrise zerbreche, sagt der Leiter der Stiftung für Zukunftsfragen, Ulrich Reinhardt. Er hoffe, dass sich die Staaten letztlich auf die Vorteile des Staatenverbunds besinnen. Hoffmann rät Reichen, ihr Geld in Immobilien oder ihre Firma zu investieren. Besserverdienende sollten dafür ein Auto, eine Küche oder ein Bad kaufen, sagt sie und blickt auf einen hölzernen Leierkasten an der Zimmertür. Wenn das Geschäft nicht mehr laufe, wolle sie damit ihr Geld verdienen.
Auch wenn am 21. Dezember 2012 der Maya-Kalender endet, Untergangsszenarien für das neue Jahr lehnt die Wahrsagerin ab. "Ein Atom-Unglück wie in Fukushima hätte ich gesehen", sagt Hoffmann. Krieg oder Vertreibung seien in den nächsten 40 Jahren nicht zu befürchten. 2012 beginne lediglich eine neue Zeitrechnung. Auf dem ausgebeulten Ohrensessel in dem rot gestrichenen Salon werden also noch viele Kunden Platz nehmen dürfen.
dapd