Nürnberg (dapd-bay). Ältere haben nach Einschätzung der Bundesagentur für Arbeit (BA) zunehmend bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Der Anteil der erwerbstätigen 60- bis 64-Jährigen habe sich in den vergangenen zehn Jahren von 22 auf 44 Prozent verdoppelt, erklärte BA-Vorstandsmitglied Heinrich Alt in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dapd.
Diese Entwicklung sei auch auf den wachsenden Anteil erwerbstätiger Frauen zurückzuführen: Die Quote der 55- bis 64-Jährigen in sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung liege bei über 45 Prozent. "Ich glaube, der Jugendwahn ist endgültig beendet", fasste Alt zusammen.
Die meisten Unternehmen hätten inzwischen erkannt, dass sie wegen des Geburtenrückgangs nicht mehr so viele junge Arbeitnehmer finden könnten. Deswegen setzten sie sich zunehmend damit auseinander, wie sie ihre alternde Belegschaft möglichst lange fit für ihre Arbeit halten können. "Dazu gehören altersgerechte Arbeit, Weiterbildung auch für über 45-Jährige, Hinweise für ihre Gesunderhaltung und so weiter", zählte Alt auf. Die Firmen hätten begriffen, dass sie damit auch den drohenden Fachkräftemangel etwas eindämmen könnten.
Diese "demografiegerechte Personalpolitik" sei quer durch alle Branchen zu beobachten. "Allerdings muss sich ein Computerspielhersteller, bei dem sich ausreichend interessante junge Leute bewerben, sicher nicht so intensiv damit auseinandersetzen wie ein Handwerksbetrieb, der über Jahre hinweg eine stabile Belegschaft hat", schilderte er.
Insgesamt hätten Ältere zwar ein geringeres Risiko als der Durchschnitt, arbeitslos zu werden, blieben im Fall der Fälle aber etwas länger ohne Job. "Die Arbeitslosigkeit der über 50-Jährigen dauert 15 Wochen länger als die der unter 50-Jährigen", erläuterte Alt. Auch ist ihr Bestand an den Arbeitslosen insgesamt noch immer sehr hoch: Im November waren BA-Daten zufolge von 2,7 Millionen Arbeitslosen knapp 866.000 zwischen 50 und 64 Jahre alt und damit fast 32 Prozent. Gleichzeitig macht diese Altersgruppe nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes für 2010 aber nur 20 Prozent der Bevölkerung und 27 Prozent der Erwerbstätigen aus.
"Hier muss man sehen, dass der Zugang Älterer in Arbeitslosigkeit unterdurchschnittlich ist", erklärte Alt. Die insgesamt hohe Bestandszahl rühre aus einer Gesetzesänderung, wonach seit 1. Januar 2008 auch über 58-Jährige der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen müssen und deshalb als arbeitslos gelten. Zuvor konnten sie zwar auch Arbeitslosengeld beziehen, wenn sie nicht mehr arbeitslos waren, galten aber nicht als arbeitslos. "Wenn wir diese Korrektur nicht gehabt hätten, dann hätten wir heute 200.000 bis 250.000 registrierte ältere Arbeitslose weniger", erklärte Alt.
Über 50-Jährige hätten zwar im Vergleich zu Jüngeren eine geringere Chance, aus Arbeitslosigkeit wieder beschäftigt zu werden. "Aber die Chance ist da", betonte Alt. Um diese Chance zu nutzen, sei es sehr wichtig, noch an sich zu glauben. "Wer sich selbst aufgegeben hat, geht mit angezogener Handbremse auf die Suche, und das ist schon mal keine gute Voraussetzung", sagte Alt.
Ältere sollten vielmehr ihre Vorzüge vor Augen halten, wie ihre Lebenserfahrung, ihren ruhigeren und gefestigten Lebenswandel und ihre Expertise auf dem Arbeitsmarkt. Sie sollten sich zutrauen, den Anforderungen an eine neue Stelle gerecht zu werden.
Um überhaupt nicht erst in die Lage zu kommen, vorzeitig in die Rente oder Arbeitslosigkeit abgedrängt zu werden, sei eine gute Qualifikation wichtig. "Je schlechter jemand qualifiziert ist, desto früher geht er in Rente", fasste Alt zusammen. Hier setze auch die Politik der BA an: "Wir können älteren Arbeitnehmern mit allen Instrumenten, die uns zur Verfügung stehen helfen, angefangen vom Bewerbungstraining bis hin zu beruflichen Rehabilitation, wenn sie ihren Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben können", erläuterte Alt. Alles, was dazu beitrage, Menschen in Beschäftigung zu halten oder - bei möglichst ordentlicher Bezahlung - in Beschäftigung zu bringen, diene dazu, Altersarmut zu verhindern.
Unter diesem Aspekt sei auch eine Differenzierung nach Berufen beim Renteneintrittsalter zu überlegen. "Es gibt sicherlich Arbeitsplätze, die für ältere Arbeitnehmer weniger geeignet sind, um bis 67 zu arbeiten", sagte Alt. Eine Arbeit in Wechselschicht oder ein Außenberuf seien sicherlich auch gesundheitlich belastender als eine Tätigkeit in einem Büro. Dies sollte berücksichtigt werden.
Um zu vermeiden, dass die Verschiebung des Renteneintrittsalters unter dem Strich für manche zu einer Rentenkürzung mit der Gefahr der Altersarmut werde, setze die Bundesagentur schon bei Jugendlichen an. "Am wichtigsten ist, dass sie frühzeitig ins Erwerbsleben eintreten und mit ihrer Beitragszahlung beginnen".
dapd