Berlin (dapd). Die rund 900.000 Zeitarbeiter in Deutschland erhalten ab nächstem Jahr einen Stundenlohn von mindestens 7,01 Euro im Osten und 7,89 Euro im Westen. Das beschloss das Bundeskabinett am Dienstag in Berlin. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) lobte, dass es damit nun einen Schutz vor "Billiglohnkonkurrenz aus dem Ausland" gebe. Zugleich kündigte sie an, dass Leiharbeiter möglichst bald den gleichen Lohn erhalten sollen wie die Stammbelegschaft. Oppositionspolitiker forderten dies am Dienstag vehement ein.

Die jetzige Regelung gilt für alle Zeitarbeitnehmer, unabhängig davon, ob der Arbeitgeber seinen Sitz im In- oder Ausland hat. Zum 1. November sollen die festgelegten Mindestlöhne noch einmal steigen: auf 8,19 Euro im Westen und 7,50 Euro im Westen. Die Geltungsdauer ist zunächst bis zum 31. Oktober 2013 befristet.

Von der Leyen betonte, Zeitarbeit habe zwar "ihren Wert", brauche aber sichere Leitplanken. Sie freue sich daher, dass es nun eine verlässliche Lohnuntergrenze gebe.

Die Arbeitsministerin sprach sich zudem dafür aus, dass sich Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände möglichst rasch auf einen Zeitpunkt einigen sollten, ab dem Leiharbeiter den gleichen Lohn erhalten sollen wie Festangestellte. "Sollte die Einigung der Branche im ersten Quartal 2012 nicht gelingen, wird die Politik ihre Zusage aus dem Hartz-Kompromiss einlösen und den richtigen Zeitpunkt für Equal Pay durch eine Expertenkommission ermitteln lassen", versicherte die Ministerin.

Wie genau diese Kommission zusammengesetzt sein soll, blieb zunächst offen. Vorstellbar sei, dass sie sich aus Vertretern der Gewerkschaften und der Arbeitgebern zusammensetze, erläuterte eine Ministeriumssprecherin am Dienstag.

Oppositionspolitiker bekräftigten am Dienstag ihre Forderung nach einer raschen Angleichung. So bezeichnete der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Hubertus Heil den nun beschlossenen Mindestlohn als "nicht hinreichend". "Notwendig ist auch, den Grundsatz gleicher Lohn für gleiche Arbeit für Stamm- und Leihbelegschaften durchzusetzen sowie ein allgemeiner, gesetzlicher Mindestlohn".

Der Vorsitzende der Linkspartei, Klaus Ernst, warnte davor, dass viele Leiharbeitsbeschäftigte trotz des Mindestlohns weiterhin im Niedriglohnsektor gefangen bleiben würden. Neben dem Prinzip des Equal Pay forderte er daher einen gesetzlichen Mindestlohn von zehn Euro in der Stunde. "Nur so kann sichergestellt werden, dass die Menschen ohne staatliche Hilfen von ihrer Arbeit leben können".

Auch DGB-Vorstandsmitglied Claus Matecki betonte, der Deutsche Gewerkschaftsbund rücke nicht von dem Ziel "gleicher Lohn für gleiche Arbeit" ab. "Gerade Leiharbeiter müssen sich am Arbeitsmarkt besonders flexibel bewegen und haben wenig Planungssicherheit", betonte er. Das müsse honoriert werden.

Das Kabinett verlängerte am Dienstag auch die bestehenden Mindestlöhne für Gebäudereiniger und Dachdecker. Im Bereich der Innenreinigung steigt der Mindestlohn stufenweise auf 9,00 Euro zum 1. Januar 2013 im Westen und auf 7,56 Euro im Osten. Die Mindeststundenlöhne in der Glas- und Außenreinigung bleiben bis auf eine geringfügige Erhöhung auf 9,00 Euro ab 1. Januar 2013 im Osten unverändert. Für die Dachdecker steigt die Lohnunteruntergrenze bis zum Jahr 2013 auf 11,20 Euro.

Der Vorsitzende der Arbeitnehmergruppe der Unions-Fraktion im Bundestag, Peter Weiß, wertete die Beschlüsse des Kabinetts als Beweis dafür, dass es die Bundesregierung ernst meine "mit ihrem Einsatz für faire Löhne". "Die allgemeinverbindlichen Branchenmindestlöhne verhindern Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten von Unternehmen, die ihren Beschäftigten existenzsichernde Löhne bezahlen", betonte Weiß.

Der Fraktionsvorsitzende der Linken, Gergor Gysi, prangerte hingegen das Prinzip der unterschiedlichen Mindestlöhne in Ost und West an. Dies spalte die Gesellschaft, kritisierte er.

dapd