Willmersbach. In dem Inzestprozess um den jahrzehntelange Missbrauch einer Frau durch ihren Vater hat das Landgericht Nürnberg-Fürth den Vergewaltigungsvorwurf fallen gelassen. Das Gericht verurteilte den 69-jährigen Rentner zu zwei Jahren und acht Monaten Haft nur noch wegen Inzest, Nötigung und Körperverletzung.

Überraschendes Ende im spektakulären Inzestprozess von Willmersbach: Das Landgericht Nürnberg hat gestern den 69-jährigen Vater Adolf B. wegen Inzest, Nötigung und Körperverletzung zu zwei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt. Bei den 500 angeklagten Vergewaltigungsfällen handele es sich um einvernehmlichen Geschlechtsverkehr, so die Richter. Eine Vergewaltigung sei nicht nachweisbar.

Adolf B. sollte laut Anklage seine heute 46 Jahre alte Tochter seit deren zwölften Lebensjahr über einen Zeitraum von 34 Jahren vergewaltigt haben. Die Staatsanwaltschaft hatte diese Aussagen der Tochter als erwiesen angesehen und vierzehn Jahre Haft sowie die anschließende Sicherungsverwahrung gefordert.

„Das milde Urteil sorgt für Unverständnis und Kopfschütteln“, erklärte die familienpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Miriam Gruß, der WAZ. „Es hat eine fatale Signalwirkung“, meint auch Veit Schiemann, Sprecher der Opferorganisation „Weißer Ring“. In der Öffentlichkeit entstehe der Eindruck, die Aussage des Opfers sei nicht gut genug gewesen. „Es wird in der Gesellschaft nicht dazu beitragen, dass sich die Zufriedenheit mit der Gesetzgebung verbessert“.

Um den Opferschutz zu verbessern, soll in Strafprozessen die Verjährungszeit von 20 Jahren erst ab dem 21. Lebensjahr statt – wie bisher – dem 18. Lebensjahr gelten. Das haben Politiker und Vertreter des „Runden Tisches Kindesmissbrauch“ vorgeschlagen. Die Empfehlungen muss der Bundestag aber noch umsetzen.

Längere Verjährungszeiten hätten dem 46-jährigen Opfer von Willmersbach allerdings nicht geholfen. „Wir müssen die Opferbegleitung verbessern“, fordert Eva-Maria Nicolai, Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft Feministische Organisationen gegen sexuelle Gewalt. „Das Gesetz erlaubt heute bereits eine Zeuginnenbegleitung, finanziert sie aber nicht“, so Nicolai. Sie fordert eine kostenlose rechtliche und psychosoziale Betreuung. Würden Opfer im Prozess grundsätzlich als Nebenklägerin mit eigenem Anwalt auftreten, könnten sie das Verfahren besser einordnen und würden bei ihren Aussagen beraten.